
gnädige Rücksicht zu nehmen und ihnen etwas Ruhe von der Arbeit
zu gönnen, indem du ihnen eine getrennte Wohnung zum
Wohnen und Ausruhen anwiesest. Deshalb kannst du doch verlangen,
dass sie dir Morgens und Abends ihre Aufwartung machen.
Solche Behandlung wäre billig. Und wenn doch eine der Damen
durch ein kleines Versehen den Zorn meines Herrn e r r e gO e n sollte',’
so wäre wohl rathsam, sie deshalb nicht gleich mit dem Bambus
schlagen zu lassen. Du kannst sie ja tüchtig ausschelten und
warnen, dass sie künftig achtsamer sein sollen. Sollte eine ein
arges Verbrechen begehen, so musst du bis nach ihrer Entbindung
warten und sie dann erst bestrafen.« — H um - siu - t s c e n erzählte
dann noch von seinen eigenen Visionen und der Ost-König schied.
Er fragte seine Begleiter, ob er recht gehandelt habe und ermahnte
sie auf ihre Bejahung, ihren Vorgesetzten, besonders ihm selbst,
ebenfalls alle Fehler vorzuhalten.
Zwei Tage darauf entbot Y a n den Nord-König und den
»Markgrafen T i n - t i e n « zu sich und theilte ihnen seine nach reiflicher
Ueberlegung gewonnene Ansicht mit, dass der vom himmlischen
Vater dem T i e n - w a n ertheilte Verweis eigentlich auf sie
alle Anwendung finde. Er wolle sich nun mit ihnen zu Hofe begeben
und durch Darstellung der Sache in diesem Lichte den
Herrscher beruhigen. In dessen Palast angelangt, werden sie aus
besonderer Gnade zu einem Banket eingeladen. Vor und bei der
Mahlzeit spricht der Ost-König wieder zum T i e n - w a n in längerer
Rede, sucht dessen Kummer zu beschwichtigen, wiederholt seine
Rathschläge, wegen Behandlung der Frauen und Erziehung, des
Thronerben, und berührt unter anderem das Wesen des Drachen,
welcher seit alter Zeit ein Wappen-Emblem der chinesischen Kaiser
ist und von Vielen als ein Geist gedacht wird. Der Ost-Fürst
sagt, nach den früheren Vorschriften des T i e n - w a n seien alle
Drachen für Teufel zu halten; das National-Emblem müsse aber
wohl ausgenommen werden. H u n - s i u - t s u e n erwiedert, er habe
einst beim Herabsteigen des himmlischen älteren Bruders ;»|J1 d. h.
bei einer Verzückung des West-Königs, — gefragt, ob der Drachen
ein Teufel sei, und eine verneinende Antwort erhalten. Ferner: bei seinem
Besuche im Himmel habe er dort einen goldenen Drachen gesehen,
und auf dem Marsche durch H a n - t a n von einem Drachen geträumt,
der ihm seine Ehrfurcht bezeigte. Aus diesen Gründen beschliesst er,
dass der Drachen kein Teufel, sondern auch in Zukunft das Emblem
der kaiserlichen Macht sein soll. — Unter Beziehung auf die vom
himmlischen älteren Bruder im Lande Judaea gegebene Verheissung,
dass an einem künftigen Tage der »Tröster« in die Welt kommen
solle, erklärt der T i e n - w a n am Schlüsse der Audienz, der Ost-
König habe durch seine Thaten und Reden bewiesen, dass er der
Tröster oder heilige Geist sein müsse.
Der in N a n - k in gedruckte Bericht enthält des Abgeschmackten
noch viel mehr. Die handelnden Personen waren jedoch Urheber
und Leiter eines Aufstandes, der über fünfzehn Jahre lang am
Throne rüttelte, seine Heereszüge über elf von den achtzehn Provinzen
des eigentlichen China ausdehhte und die alte Hauptstadt
N a n - k i n , die wichtigste strategische - Stellung des Reiches behauptete.
Das psychologische Räthsel dieser Erscheinung wird bei der
Unzulänglichkeit der Nachrichten schwerlich zu lösen sein. Wahrscheinlich
spielten alle Betheiligten, jeder auf eigene Hand, vor einander
Comödie. Dem zerrütteten Gehirn des T i e n - w a n ist ehrlicher
Blödsinn allenfalls zuzutrauen; dagegen kann man schwer an die
Redlichkeit des Y a n , des klaren Kopfes, glauben, der als Feldherr
und Organisator mit sicherer Hand die Massen leitete. Den Titel
des »Trösters« und »heiligen Geistes« erhielt er fortan in allen amtlichen
Handlungen und Schriften. Auch wurden die ersten Verse
der Sonntags-Litanei 1854 durch folgende ersetzt:
W ir preisen den höchsten Herrn, d e r da ist d e r himmlische Vater, der
einige wahre Gott.
W ir preisen den himmlischen älteren Bruder, den Erlöser d e r Welt,
der sein Lehen für die Menschen hingab.
W ir preisen den O s t-K ö n ig , den heiligen göttlichen Athem (Geist),
der d ie lSünden tilgt und die Menschen erlöst.
W ir preisen den W e s t-K ö n ig , den Regenmacher, einen himmelhoch
ehrenwerthen Mann.
W ir preisen den S ü d -K ö n ig , den Wolkensammler, einen himmelhoch
aufrichtigen Mann.
W ir preisen den N o rd -K ö n ig , den Donnerschleuderer, einen himmelhoch
gütigen Mann.
W ir preisen den Hülfs-König, den Blitzschleuderer, einen himmelhoch
gerechten Mann.
Nachdem die Könige in die Litanei aufgenommen sind, muss
es auffallen, dass des T i e n - w a n darin nicht gedacht wird; der
Einfluss des mächtigen Ost-Königs, welcher als heiliger Geist un