
Talent entwickelt, durch geschickte Theilung aus jedem Dollar
fünf Viertheile zu schlagen, eine Manipulation, in welcher auch die
Matrosen der Arkona und Thetis sehr geschickt wurden. — Grossen
Luxus trieben damals die vornehmsten englischen Handlungshäuser
in Dampfern: nur um in S h a n g - h a e die Post aus H o n g - k o n g einige
Stunden vor Ankunft des »P. and O.«126) Schiffes zu haben, Hessen
sie auf berühmten schottischen Werften die schnellsten Dampfer
bauen; bei günstigen Conjuncturen sollen oft grosse Summen damit
gewonnen werden.
Man lebt in S h a n g - h a e wie in europäischen Städten und
würde sich kaum im fremden Welttheil fühlen, wenn nicht die hei
uns die Hauptmasse der Bevölkerung bildenden ärmeren Classen
fehlten. Die »Gesellschaft« ist sehr klein, in wenig Tagen kennt
man alle Gesichter. Die Gegenwart der französischen und der
engHschen Garnison, welche zum Schutz gegen die T a e - p in in
S h a n g - h a e blieben, brachte damals einige Abwechselung in das
gesellige Leben. Die angesiedelten Kaufleute, die Consuln, die Befehlshaber
der Truppen und Kriegsschiffe wetteiferten in Festlichkeiten,
— aber die glänzendsten Bälle konnten nur sechszehn Damen
aufweisen, darunter eine unverheirathete; das war der ganze
Bestand. Bei allem Glanz und Luxus hat die Geselligkeit in diesen
Ansiedlungen etwas unharmonisches; die Damen besonders stammen
aus den verschiedensten Lebenskreisen, und da hier alles Ansehn
auf Reichthum beruht, so begegnet man starken Anomalieen; an
Stadtklatsch und Kabalen ist kein Mangel.
Für uns war der Aufenthalt in S h a n g - h a e ein angenehmer
Ruhepunct, eine kurze Pause der Reise im fremden Welttheil, fast
eine vorübergehende Rückkehr auf europäischen Boden. Den
gastfreien Ansiedlern dankten wir willkommene Belehrung über Land
und Leute, den fremden Officieren anziehende Berichte aus dem
jüngsten Feldzug über P e - k in und den Sommer-Palast, von wo
sie manches Beutestück zeigten. Graf Eulenburg erwiederte die
erwiesene Gastfreundschaft durch mehrere Feste an Bord der Arkona:
zunächst am allerhöchsten Geburtstage Seiner Majestät des
Königs, an welchem nicht nur die preussischen und die fremden
Kriegsschiffe, sondern auch die Handelsschiffe aller Nationen schon
früh im reichsten Flaggenschmuck prangten. Auf der .Arkona war
>*) Peninsular and Oriental steam-navigation-company.
Morgens Gottesdienst; um zwölf Uhr brachte Capitän Sundewall
mit der auf dem Verdeck angetretenen Mannschaft ein donnerndes
Hoch auf Seine Majestät König Wilhelm aus, während Arkona und
Thetis den königlichen Gruss von dreiunddreissig Schüssen feuerten.
Die englischen und französischen Kriegsschiffe lagen dem Ufer zu
nah, um ohne Gefahr für die Fensterscheiben der Stadt salutiren
zu können; doch traten dort die Wachen in’s Gewehr und prä-
sentirten unter den Klängen von »Heil Dir im Siegerkranz«. Zwei
Hamburger Schooner feuerten mit nur zwei Kanonen einen wackeren
Salut von einundzwanzig Schüssen. Um zwei Uhr versammelten
sieh an Bord der Arkona die vom Gesandten geladenen Gäste,
darunter General de Montauban, Contre-Admiral Protet, Capitän
Corbett von der englischen Flotte, die Consuln von England, Frankreich,
Hamburg, Hannover und Oldenburg. —■ Erst bei einbrechender
Dunkelheit schieden die Gäste.
Am 9. April gaben Graf Eulenburg und Capitän Sundewall
auf der Arkona ein Tanzfest, zu welchem die Officier - Corps der
Kriegsschiffe und die Elite der Gesellschaft geladen wurden. Das
Quarterdeck war in einen Ballsaal verwandelt: die Seitenwand bildeten
in hübscher Drappirung die Flaggen aller Länder, die Decke
das Sonnensegel in beträchtlicher Höhe. Blumengewinde, Bambuswedel,
Sträusse von Camelien- und Pfirsichblüthen, die blankgeputzten
Landungsgeschütze und Waffentrophäen, um die Landesflagge
gruppirt, gaben dem Raum zugleich ein festliches und militärisches
Ansehn. Durch Lücken, welche Licht und Luft einHessen,
bhckte man auf die sonnigen Ufer, — es war ein heiterer warmer
Frühlingstag. — Gegen zwei Uhr Nachmittags erschienen General
de Montauban und Contre-Admiral Protet mit ihren Stäben und
dem Musikcorps des 101. Infanterie-Regimentes, welches abwechselnd
mit dem der Arkona zum Tanze spielte und grössere Stücke
vortrug.D
en 18. und 19. April fanden von schönem Wetter begünstigt
auf der Bahn von S h a n g - h a e die Frühlings - Rennen statt.
Die Rennbahn, anderthalb englische Meilen im Umkreis, ist musterhaft
angelegt und gehalten; ein steinernes Gebäude mit offener
Galerie dient der eleganten W eit als Tribüne. Dort fand sich auch
der T a u - t a e oder Präfect von S h a n g - h a e in einer Sänfte mit
Gefolge von Lanzen-, Schwert- und Fahnenträgern ein, die eher
schmutzig theatralisch als kriegerisch aussahen und beim Kommen