
stigung.110) Die Engländer hatten ihren Vertrag nicht ausgetauscht; aber
Seine Majestät der Kaiser, grossmüthig gegen fremde Nationen und
voll zarter Rücksicht für die Interessen des Handels, gestattete gnädig
die Gewährung einer Gunst an die Engländer, für welche sie gleichfalls
dankbar sein müssten. Soll aber das fest geschlossene Ueberein-
kommen nichtig werden, so wird es von Seiten Chinas nicht unpassend
sein, die Bestimmung zu cassiren, durch welche es den Engländern die
den Americanern laut ihrem Vertrage zustehende Ermässigung von
Tonnengeldern gewährte.
Auf das Gesuch (des britischen Gesandten) um höfliche Behandlung
bei seinem Erscheinen im Norden zur Auswechselung der Verträge
zu kommen: wenn er aufrichtig ist in-seinem Verlangen nach
Frieden, so soll er dem Commissar überlassen, über alle Einzelnheiten
des Vertrages nachzudenken, über welche noch ein Abkommen zu
treffen ist. Und nachdem die Verhandlungen in S hang - h a e eingeleitet
und die beiden Partheien vollkommen einig geworden sind, soll er ohne
Kriegsschiffe und mit massigem Gefolge nach dem Norden kommen und
in P e - t a n zur Auswechselung der Verträge warten; dann wird ihn
China für das Geschehene gewiss nicht weiter belangen. Er muss angewiesen
werden, sich mit den für die Auswechselung des america-
nischen Vertrages aufgestellten Vorschriften bekannt zu machen, und
der einzuschlagende Weg soll weiter mit ihm besprochen werden.
Ist er aber entschlossen, eine Anzahl Kriegsschiffe mit hinaufzubringen,
und besteht er darauf über Ta-ku zu reisen, so wird das
beweisen, dass seine wahre Absicht nicht die Austauschung der Verträge
ist, und es muss dem mit dem Küstenschutz betrauten hohen
Beamten überlassen bleiben, die erforderlichen Maassregeln zu treffen.
Die bei diesem Anlass (vom britischen Gesandten) geschriebene
Depesche ist grossentheils in der Sprache zu unbotmässig und ausschweifend,
um seine Anträge anders als oberflächlich zu erörtern. In
Zukunft muss er die Schicklichkeit nicht so verletzen.
Die obigen Bemerkungen sollen von dem Commissar dem britischen
Gesandten mitgetheilt werden, welchem nicht geziemen wird,
halsstarrig auf seiner Ansicht zu beharren, da er durch solches Betragen
Veranlassung geben würde zu vielem späteren Leide.
Eine nothwendige Mittheilung. /
u0) Herr Bruce war angewiesen, in seinen Beziehungen zu den Behörden der
geöflheten Hafenplätze keine Aenderung eintreten zu lassen. Als nun nach Ratification
des Vertrages der Americaner für diese eine Ermässigung der Tonnengelder
eintrat, trug Herr Bruce auf Grund des Artikels der »meistbegünstigten Nation« auf
das gleiche Vorrecht an. Ho- kwei- tsin berichtete darüber nach Pe-kin.
Von einer kaiserlichen Entscheidung ist in diesem Schreiben
nicht die Rede; auch fehlt die gewöhnliche Ueberschrift kaiserlicher
Decreté. Die Gesandten sollten glauben, man habe ihre Schreiben
zu unwichtig gefunden, um sie dem Kaiser vorzulegen. Von
arger Perfidie zeugt die Behandlung der Frage, ob Kwei- liañ die
Gesandten zur Reise über Pe - tan aufforderte; sie beweist deutlich,
dass weder der Kaiser noch die Commissare getäuscht, sondern die
Engländer hinterlistig in die Falle gelockt wurden. Die Entschädigungsfrage
ist hier eben so naiv aufgefasst, wie bei anderen Gelegenheiten.
Die Vertragsbestimmungen heissen Vergünstigungen,
und der herablassend befehlende Ton der Schlusssätze beweist,
dass alle früheren Lehren vergessen waren. Die Gesandten con-
statirten deshalb in getrennten Schreiben an Ho - kwei- tsin die
Ablehnung ihrer Forderungen und verwiesen die kaiserliche Regierung
auf die am Schlüsse ihres Ultimatum ausgesprochenen Warnungen.
Zugleich ermächtigten sie die Ober-Commandos der Land-
und Seemacht zu Einleitung der Feindseligkeiten.
Herr Bruce war von der englischen Regierung angewiesen
worden, den Golf von Pe- tsi- i.i blockiren zu lassen. Man glaubte
zwar, dass diese Maassregel die Regierung in Pe - kiñ drückéh
würde, kannte aber die Communicationsmittel im Innern des Landes
nicht genug, um beurtheilen zu können, ob die Blockade wirklich
fühlbaren Mangel im Norden verursachen möge, und dachte wohl
mit Recht, dass sie den Kaiser nicht zum Nachgeben zwingen
würde. Die Alliirten müssten sich vor Allem das Vertrauen der Chinesen
in den geöffneten Häfen erhalten. Der ganze Getreidehandel
nach dem Golf von Pe - tsi- li wird nun mit dem Capital von Kaufleuten
in S i-iang- hae, Nin- po und anderen mittelchinesischen
Städten betrieben, und beschäftigt etwa 3000 Dschunken mit einer
Bemannung von über 100,000 Seeleuten.111) Die Unterbrechung
dieses Handels, das Aufbringen und Zerstören von Dschunken hätte
viele Tausende brodlos gemacht, deren Erbitterung und Unthätig-
keit den Fremden in den göffneten Häfen gefährlich werden konnte.
Unzweifelhaft hätten die Mandarinen jede feindselige Stimmung
der Bevölkerung benutzt. Man fürchtete ferner, dass die durch
m ) In diesem Handel soll ein Capital von 7,000,000 Pfund Sterling stecken,
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