kälteren Perioden, und daraus, daß in ilnn Arten gen Süden Halt machen, die
unzweifelhaft in den Nordalpen vielerlei Standorte liätten tinden können, läßt sich
der Rücksclilnß maclien. daß andere arktiscli-alpine Arten von weitergeilender Ver-
breitiing die dentsclien Mittelgebirge als Verbindnngsstandorte ilirer südliciien Arealans-
dehnimg benutzt lialien werden; ich denke dabei an Arten wie Empetrum. Andromeda,
Triclioiiliorum caespitosum. Linnaea — wie ja Pietiila nana mit ilirer spärliclien
Besiedelung einiger iiordalpin-jnrassisclier Bergmoore eine solche gen Süden gerichtete
Verbreitnngsgrenze ülier Harz. Erzgebirge und Bölunerwald liinweg deutlich zeigt.
Die Erwälmung dieses letzteren wiclitigen (ilazialreliktes zwingt mich zu einer
Bemerkung gegenüber der von Herrn Dr. C. W e b e r in seinem vorangelienden
Vortrage gemacliten Änßernng, daß das )'orkommen der Zwergbirke, sowoiil an ihrem
erst kürzlicli am Ostraiide der Lünelnirger LIeide entdeckten Standorte als aucli am
Brocken, ülierliaupt niclit „relikt“, sondern auf junge Ansiedelung zurückzufüliren
sei. Demgegenüber ist zu betonen, daß trotz der (z. B. von R. Se rnande r in seiner
schwedischen Verbreitnngsbiologie ausgezeiclinet klargelegten) nngemeinen Verlireitimgs-
fähigkeit vieler Arten, trotz ilirer Wanderiingsmögiiclikeit im Samenznstande über
Hunderte von Kilometern, die Ausübung solcher ^'erbreitung im g e s c lilo s s e n e n
Fo rma t io n s z u s t a n d e nie auf weite Strecken und erst recht niciit in ein weniger
günstiges Klima liinein tieobachtet worden ist. Seit genaueren Elorenaufnahmen
wälirend eines Jalirliunderts liaben sicli die Standortsplätze von Seltenlieiten merkwürdig
beständig gezeigt, die Ansiedelung eines neuen Formationsbürgers in der
Regel nur als durcli menscliliclie Einführung veranlaßt. Und auch liier oft erst dann,
wenn — wie v. K e r n e r im Jahre 1872 so lehrreicii am Auswandern der Rudbeckia
laciniata im österreichisclien Mülilviertel zeigte — die Art eines fremden Florenreichs
durcli Jalirzelinte wälirende Gartenkultur akklimatisiert war und so den Wettbewerb
mit altangesessenen Arten vom iiäclis-ten St a n d o r t e aus erfolgreicli aiifnehmen
konnte. — Nacli diesem Gegensatz zwisclien selir weiter und rascher Verbreitungs-
mögiichkeit und selir enger \"erbreitungstätigkeit im gesclilossenen Ralimen ökologisch
ausgeglicliener Formationen halte ich an der Zuverlässigkeit von Reliktenstandorten
in bezug auf Alter und Deutung fest; bei gegenteiliger Meinung könnte man überhaupt
eine entwicklungsgescliiclitliche Florendiskussion nur auf fossile Bestimmungsstücke im
Vergleich mit der Gegenwart gründen.
Die Fossilien aus und nacli der Eiszeit sind aber gerade in unserem Gebiete
selir siiärlicli und weder mit den aus Sciiweden, nocli aus Norddeutschland oder den
scliweizerisclieii Mooren liergeleiteten Feststellungen zu vergleiclien. Ein glazialer
Fundort (Deuben) liegt nocli naiie Dresden am Nordhange des Erzgebirges, sonst ist
zwischen den norddeutsclien Funden und denen im Alpenvorlande eine weite Lücke,
gerade wie aucli die übrigen geologisclien Forsclmngen über die Eiszeit und ilire
Folgen am wenigsten Material im mitteldentscheii Hügellande gewinnen konnten. Zwar
im Berglande haben die Vergieiclie, zu denen die Niveaus der äußersten Südränder
des letzten großen (^baltisclien) Landeises gegenüber dem Riesengebirgskamm und die
eigene Vergietsclierung der Gipfel mit den Bestimmungen der Hölie der damaligen
Firnlinie Veranlassung geben, eines der bedeutungsvollsten Momente zur Beurteilung
des Klimas der Eiszeit geliefert, und außerdem ist nicht zu nnterscliätzen. was die
Hölilenfunde sowolii in Mäliren als am Nordrande des Harzes von Quedlinburg
bis Brannscliweig und aucli an anderen Orten durcli Hinweis auf große Pflanzenfresser
und Steppentiere ergeben liaiien, deren Gegenwart Rückscldüsse auf gewisse,
direkt in keinen Sjuiren erlialten gebliebene Pflanzenbestände erlanlit.
Aller bedauerlicher Weise liesteht bislang kein fester Zusammenhang zwisclien
den geologisclien Zeitbereclinimgen ans diesen Hölilenfnnden und den in den Hochmooren
der mitteldeutsclien Gebirge dnrcli deren Fossilreste und Sciiichtenweclisel aii-
ziileitenden Rücksclilüssen; ja es sind von diesen interessanten Torflagern bislier nur
Bruclistücke genauer nntersnciit. ülier die des Oberliarzes existieren nur ganz allgemeine
Angaben.
So spielen denn für Beurteilung der Florengescliiclite die Ar e a l f r a g e n der
den lieutigen Bestand mitteldentsclier Flora bildenden Arten eine unentbelirliche, in
den verscliiedensten Hinsicliten an der Grundlage mit aufbauende Rolle. Die jüngsten
Wanderungen werden sicli nocli an der Form ilirer Vegetationslinien und an ilirer
verliältnismäßigen Geschiosseniieit des Auftretens erkennen lassen, wälirend in den
Reliktenstandorten ans älteren, durcli klimatisclie Umwälzungen überdeckten Perioden
die Zerstreutlieit mehr zufälliger Art vorlierrsclit, liei der man das Aussclilaggebende
darin erkennt, daß die auffällige, seltene Erlialtnng am besonderen Orte durch eine
besondere, glückliclie Lage des Zusammentreffens klimatisch-ökologischer Sonderlie-
dingungen sicli erklären läßt: dazu kommt eine gewisse eigenartige Anpassung der
betreffenden Arten an neue örtliche Verliältnisse, die mit der Länge der inzwisclien
verstriclienen Periode im Ziisammenliange stellt'). Diese ganze iiflanzengeographisclie
Diskussion aber, auf deren Grundlage icli selbst die mitteldeutsclie Florenentwicklung
seit der Eiszeit unter An])assung an die große allgemeine Grundlage geoiogisclier
Periodenrechnung aufbaue, würde ilir Rückgrat verlieren, wenn man die zahlreich bei
uns vorhandenen .,sporadisclien Standorte“ sowolil von Glazial- als von Steppenpflanzen
olme zw'ingende Gründe als lierstaniniend aus Versclilagungen in jüngster Zeit von
Skandinavien oder den russisclien Steppenländern lier anseiien wollte.
Die allgemeine geologisclie Grundlage der Eiszeitverhältnisse ist in Al b r .
P encks Vortrage so vortrefflicli dargelegt, daß icli aucli für Mitteldeiitscliland direkt
daran anknü[)fe. Die besonderen hier in betracht kommenden Angalien und Berechnungen
für das Riesengebirge und andere mitteldeutsclie Gebirgsländer sind sehr er-
scliöpfend von Jos. P art sch auf der breslaner Natnrforscherversammlung 1904 in
Fortsetzung seiner Arbeit in den „Forsclmngen zur dentsclien Landes- und Volkskunde“
(Bd.A'HI. 2 mit Karte) beliandelt, auf die icli der Kürze wegen liier verweise. Icli
folge der Annahme, daß der Höliepunkt eiszeitliclier Vergietsclierung aucli in den
Sudeten der letzten baltisclien Eiszeit voraiisging, und daß die stärkste Vergietsclierung
dnrcli eine warme Interglazialzeit abgelöst war, elie die baltische Eiszeit iiegann. Im An-
schluß an die Arbeiten über die Vergietsclierung der Alpen glaube icli aucli dies Resultat
I) B e isp ie l: Vorkomineri von Salix hastata in Buchenwäldern der warmen Hiigelregion am
Südliarz; vgl. D r u d e , Herzyn. Florenliezirk, in Yeg. d. Erde, Bd. VI, p. 518.
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