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Wälirend W inogradsky aber damals die Arbeit von ITe r ä u s , die von
anderen urteilsfähigen und verdienten P’orscliern, wie F rankland und B e i j e r in c k .
mit Recht höher gewertet wird. nui- abfällig beurteilte und meine Arbeit nur schlecht
machte, um sich meine Entdeckung znschreiben zn können, liat er 1904 in seiner
letzten ziisammenfassenden Veröffentlichung vorgezogen, mich einfach ganz zu ignorieren,
eine Ai4 des Vorgehens, so ungewöhnlich nnd nmjualifizierbar, daß ich sie bedauerlicher
Weise nicht ganz unerörtert lassen konnte. Ich bin nicht gewillt, mir diese klare
Priorität von jemand streitig machen oder eskamotieren zu lassen. Da ich die Rechte
anderer achte nnd stets anerkenne, bestehe icli auch auf meinem Rechte des zuerst
Gekommenen.
W inogradsky hat direkt über Nitrifikation im Boden gearbeitet, und ich
bin der Erste, der gern anerkennt, daß Winograe sky anf diesem Gebiete uns ganz
bedeutende PVrtschritte gebracht liat.
Die Aiiflielliing der Erscheinung, daß bei der Nitrifikation im Roden Nitritbildung
ans Ammoniak und Nitratbildung aus Nitrit in der Regel in zwei Phasen
verlaufen nnd durch zwei verschiedene Mikrobien veranlaßt werden, ist von großer
Pedentiing. jedoch erschöpft sie die Tatsachen der Nitrifikation noch lange nicht, so
daß diese Ansicht von Winogradsky neuerdings ganz entschiedene Einschränkungen
erfahren hat. So haben B e i j e r in c k und van I t er so n gezeigt, daß die Nitrifikation
auch von der gleichzeitigen Denitrifikation beeinflußt und vom Zustande der Lnftznfnlir
abhängig ist. Lö h n i s zeigte außerdem, daß die Bildung des Nitrats im Boden unabhängig
von den vorhandenen Ammonium Verbindungen verläuft; es flndet nach ihm
schon Salpeterbildnng statt, wenn auch noch nicht alles Ammoniak in Nitrit verwandelt
ist; die Nitrit- und Nitratbildimg müssen nicht nacheinander, sondern können nebeneinander
verlaufen, und die AiiAvesenheit organischer Stoffe für die Hemmung der
Nitrifikation als eines prototrophen Vorganges wird vielfach überschätzt.
Trotz dieser gewichtigen Einwände sind die über die Nitrifikation im Boden
von W inogradsky erhobenen Tatsachen im ^'ersuche richtig, aber für die Frage der
Kohlensäureassimilation sind das mehr nebensächliche Dinge, während mir gerade die
Aufhellung dieses biologischen Punktes von Interesse war. Ich habe deshalb auch
nicht von Nitrifikation gesprochen, sondern um zu zeigen, daß ich mir der vollen
Tragweite der von mir erhobenen Tatsache sofort, geradezu intuitiv bewußt war und
als erster die chemosynthetische Assimilation der Kohlensäure erkannt habe, den von
mir ermittelten Vorgang genannt „Chloro])hyllwirkung ohne Chlorophyll“.
Ich habe in der Auffassung, in de7 der Botaniker im speziellen Sinne von
Assimilation spricht, tatsächlich als erster die photosynthetische Assimilation der Kohlensäure
ergänzt durch die Tatsache der chemosynthetischen Assimilation der Kohlensäure
und damit auch die letzte noch bestehende iirinzipielle physiologische Grenze
zwischen tierischem und pflanzlichem Stoffwechsel als nicht existierend erwiesen.
Gerade dieser auffallende Ausdruck, dessen ich mich absichtlich bediente nnd den.
wohl wegen der vollständigen Neuheit der Tatsache, sogar P f e f f e r zunächst bemängelte,
zeigt ganz eindeutig, was ich damals festgestellt habe, nnd an dieser Priorität kann
eine drei Jahre später mit Kenntnis aller dieser vorher festgestellten Dinge gemachte
Bestätigung nichts ändern, auch wenn sie sich noch so selbstbewußt in ein sonderbares
Gewand kleidet.
Be i j e r in c k war vor kurzem sogar der Ansicht, daß W inogradsky durch
Nichterkennen eines verunreinigenden Organismus getänsclit worden sei, eines Organismus,
von dem er zugilit. daß er H eraus bekannt war. und der mir außerdem von
meinen Wassernntersnclmngen damals schon bekannt war. In diesem Punkte glaube
ich aber AVinogradsky in Scliutz nehmen zu müssen.
Be i j e r in c k und van D e l d e n haben 1903 von neuem gefunden, was H eräus .
Grame r und ich selbst bereits 188(5 ermittelt hatten, daß die geringen Spuren von
organischer Substanz in der Laboratoriiimsliift Bakterien als Energiequelle dienen
können. B e i j e r in c k meint niiii dabei einen Organismus zu erkennen, der W inogradsky
getäuscht liabe, nämlich einen .,eben für die in Nitratbildnng begriffenen Knlturflüssigkeiten
cliarakteristisclien Mikroben (Bacillus ollgocarbopliilns), welclier sich mit den organischen
Kolilenstoffverbindungen der Laboratorinnislnft ernährt“.
Es wäre aber gar zu sonderbar, wenn dieser Organismus allen Beobachtei'ii,
welche sich nach W inogradsky mit der Nitriflliation beschäftigten, entgangen wäre,
und tatsächlich hat ancli Winogradsky einige Versuclie gemaclit, die sich anf diese
Feliler(iuelle bezielien. Go d l ewsk i , der die Kohlensäureassimilation bei der Nitrihkation
ebenfalls 1892 bestätigte, hat die Luft durch Scliwefelsäure und übermangansaures
Kali von Lnftstäubchen befreit und die Kohlensäure durch Kalilauge absorbiert, nnd
R u i j .mann liat anf Sjniren von saljietriger Säure in der Luft von Laboratorien als eine
mögliche Fehlerquelle hingewiesen. Ich glaube also, daß B e i j e r in c k in dieser Kritik
über das Ziel schießt nnd daß diese Kritik meine Untersuchung gar nicht treffen
k'ann, weil bereits darauf geachtet war.
Im Jahre der luindertjährigen Todesfeier Sc h i l l e r s darf ich mir vielleicht
gestatten, auf eine Äußerung dieses großen Denkers hinzuweisen. Als einer der größten
Förderer der Botanik, Go e t h e , ihm seine Anschauungen über die Urptianze nnd
Metamorphose der Organe auseinander zu setzen suchte und dieses in einer Form tat,
als handelte es sich mir um direkte Beobachtungen, unterbrach ihn Schiller mit den
Worten: „Das ist keine Erfahrung, das ist eine Idee.“
Der gewaltige Aufschwung der biologischen Naturwissenschaften in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts war aber nicht an das bloße Sammeln von Tatsachen,
sondern an tlie methodische Ermittlung derselben und an ihre Durchdringung mit
leitenden Pleen geknüiift, und kein Naturforscher kann sich der Pflicht entziehen, das
Tatsachenmaterial zu dnrchdenken. da uns nur Tatsachen und heuristische Hypothesen
wirklich fördern. Bloße Tatsachen in der Naturwissenschaft können, in Kompendien
gesammelt, einem solchen schließlich den Wert eines Raritätenkastens verleihen, wie
wir dies in manchen Zweigen bedauerlicherweise gesehen haben. Die Tatsachen
müssen aiicli geordnet werden, nur dann können sie zum wissenschaitlichen Bau
beitragen und diesen immer wieder um ein Stück dem angestrebten Ziele näher
führen. Dazu muß der Natiisforscher etwas von einer Künstlernatur haben, und er
muß in der Verwertung der Tatsachen einen gewissen Takt entfalten, ohne den er