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Die ersten Anfänge der regenerativen Neubildungen zeigen sich schon fünf
bis sechs Tage, nachdem der Schnitt aiisgeführt worden ist, an den Flügelleisten des
Stieles oder an entsprechenden tiefer liegenden Stellen. Dieser Ausgangspunkt der
Regeneration läßt sich nach W in k l e r in keiner Weise an andere Stellen des Stiel-
qiierschnittes verlegen. Werden die betreffenden Stellen irgendwie an der Regeneration
verhindert, so tritt eine solche überhaupt nicht ein. Dasselbe geschieht, wenn auch
nur ein kleiner Teil der Rlattfläche an dem Stiele zurückbleibt. Übriggebliebene
Spreitenreste vermögen weiter zu wachsen und sich zn vergrößern, durchaus so, als
wenn die weggeschnittenen Partien nicht entfernt worden wären.
Theoretisch von großer Bedeutung ist die Beobachtung von W in k l e r , wonach
es nicht nur gelingt, durch Abschneiden der Spreite die regenerative Bildung einer
solchen ans dem Blattstiele anszulösen, sondern ein gleicher Erfolg auch dadurch
erreicht wird, daß die Syireite an dem Stiele belassen, aber an der Ausübung ihrer
Funktionen durch Eingipsen oder Überziehen mit Kollodium oder Schellack verhindert
wird. Es bildet sicli dann unterhalb des Spreitenansatzes eine Ersatzspreite, und
wenn der Gipsverband oder der Lacküberziig entfernt wird, bevor die primäre Spreite
abstirbt, erliält man ein Blatt mit zwei etagenförmig übereinander gelegenen Spreiten.
Bei diesen im ganzen Ptianzenreiclie allein dastehenden Beispielen eines E rsatzes
der Blattspreite liandelt es sicli nach G o e b e l ’s Auffassung nicht nm eine Neubildung,
sondern nur nm eine „Aktivierung“ eines Teiles der Blattanlage, der sonst
sich nicht weiter entwickelt. Konseqnenterweise stimme ich mit G o e b e l darin überein.
Daß nach P i s c h in g e r ') das Fehlen des Regenerationsvermögens bei Lanb-
blättern auf den hier möglichen Ersatz durch ausgiebige Knosimng zurückgeführt werden
kann, dafür spricht das Verhalten von Pflanzen, welche ein einziges Blatt entwickeln. Bei
St r e p to c a rp u s Wendl andi mit zwei ungleich großen Keimblättern hat P i s c h in g e r
festgestellt, daß der große Kotyledon regeneriert wird, wenn ein Teil des basalen
Meristems erhalten bleibt. Auch bei Wegnahme des ganzen Kotyledons kann derselbe
regeneriert werden. Bei S. Gar d e n i findet keine Regeneration des verletzten großen
Kotyledons statt, dagegen wird der kleine Kotyledon zu stärkerem Wachstum veranlaßt. Bei
Monophyl laea Ho r sf i e l d i i tritt eine Regeneration des verletzten größeren Kotyledons
nnr dann ein, wenn sein basales Meristem erhalten bleibt. Wird auch dieses beseitigt,
so geht die Pflanze regelmäßig zugrunde, da das kleinere Keimblatt die Rolle des
größeren nicht übernehmen kann. Nach F ig d o r ") sorgt dagegen die Pflanze auch
in diesem Fall für ihre Erhaltung, indem sie Adventivblätter am Hypokotylstnmpfe
bildet. Es erfordert nur, daß sie einen gewissen Grad in der Entwicklung erreicht habe.
In bezug auf die Blattstellung, die bekanntlich bei He l i a n t h u s annuus
keine regelmäßige ist, habe ich festgestellt, daß die unteren, den gespaltenen Knoten
1) P i s c h i n g e r , Über Bau und Regeneration des Assimilationsapparates von S t r e p t o c
a r p u s und M o n o p h y lla e a . Sitzungsber. der K. K. Akad. der Wissensch. YVien, April 1902,
Bd. CXI, p . 279.
2) F i g d o r , Über Regeneration bei M o n o p h y l la e a H o r s f i e l d i i . Österr. bot. Zeitschr.
1903, Nr. 10.
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ansitzenden Blätter bald etwa 'Q, bald etwa "/g Divergenz in bezug auf den Gesarat-
nmfang zeigten; die oberen folgten in ihrer Blattdivergenz keiner bestimmten Regel.
Was die dekussierte Blattstellung betrifft, so zeigten beide aus der Spaltung
hervorgegangenen Sprosse von Ace r P s e u d o p l a t a n u s nur gegenständige Blattpaare
in gewöhnlicher Dekussation. Die basalen Knospenpaare kreuzten das letzte unterhalb
der Spaltstelle befindliche Blattpaar. In mehreren Fällen ließ sich aber beob-
achten, daß an einem der beiden ans der Spaltung hervorgegangenen Sprosse das der
Wundseite zugekelirte erste Blatt und seine Achselknospe fehlten; nur selten war dies
auch bei einigen gleich orientierten späteren Blattpaaren der Fall. In einem Falle
wiederliolten sicli an einem Sprosse dreimal isolierte Blätter mit ihrer Achselknospe,
jedesmal mit einem folgenden Blattpaare wechselnd. Oberhalb des einzigen bezw.
letzten isolierten Blattes folgten Blatt- bezw. Knospenpaare in regelmäßigem Weclisel.
Bezüglich der Blattstellnng und Rankenbildimg bei Vi t is vi ni f er a konnte
ich keine auffällige Erscheinung feststellen.
D r u c k .
Die Wurzeln sind bei ihrem Wachstum im Boden Druck- und Reibungswirkungen
mehr ausgesetzt als die Stämme und wahrscheinlich auch empfindlicher.
Diese Empfindlichkeit hat S a c h s ') im Jahre 1893 als „Piesotropismus“ bezeichnet,
eine Bezeichnung, die von Ma s s a r t ") als „Piezotropismus“ wiedergegeben wird, die
aber bis jetzt nicht allgemein angenommen worden ist. Die Pflanze strebt danach,
die Druckwirkung zu überwinden und übt einen bedeutenden Druck aus, der nach
P f e f f e r ") beim Längsdruck bis zu 10 Atmospliären und beim Querdruck bis zu
6 Atmosphären beträgt. ^
Die bandförmige Gestalt der zwischen Felsenspalten gewachsenen Wurzeln von
Holzgewächsen ist bekannt'). Mit Wurzeln von Vicia Fab a ist es mir nicht
gelungen, zu erreichen, daß die durch Druck bedingte bandförmige Gestalt bei Abnahme
des letzteren erhalten bleibt.
Neuerdings hat K ö h l e r Q festgestellt, daß bei partieller, mechanischer auf
Wurzeln ausgeübte Hemmung plastisclie nnd anatomische Veränderungen hervorgerufen
werden. Diese Ergebnisse blieben mir leider bis vor kurzem unbekannt und fanden
deshalb bei meinen früheren Arbeiten auch keine Berücksichtigung «). Das Wichtigste
für meine Betrachtungen ist dabei, daß K ö h l e r die Auflösung des Zentralzylinders
in zwei oder mehrere Teilzylinder beobachtet hat. Diese kommen dadurch zustande,
1) S a c h s , Physiologische Notizen. Flora 1893, Bd. LXXVII, p. 9.
2) M a s s a r t , Fssai de classification des reflexes non nerveux. Recueil de l’Institut bot.
de Bruxelles, T. V, p. 312.
3) P f e f f e r , Druck- und Arbeitsleistung, 1. c. p. 313.
4) F r a n k , Pflanzenkrankheiten, Bd. I, p. 23.
5) K ö h l e r , Über plastische und anatomische Veränderungen bei Keim- und Luftwurzeln
durch partielle, mechanische Hemmung. Diss., Leipzig 1902.
6) L o p r i o r e e C o n i g l i o , La fasciazione delle radici in rapporto ad azioni traumatiche,
a. a. 0 . p. 19. — L o p r i o r e , Verbänderung infolge des Köpfens. Ber. d. Deutschen bot. Gesellsch.
1904, Bd. XIX, p. 304. 1 n