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Die Zeit der Dryasflora. Durcli die musterhaften Untersuchungen A. U.
N a th o r s t s ') wurde schon in den siebziger Jahren festgestellt, daß die Flora, die
im sndbaltischen Gebiet das von Eis verlassene Land in Besitz nahm, ans aiktisch-
alpinen Ptianzenarten. wie Dryas octo])Ctala. verschiedenen Sal ices, wie S. po la r i s ,
S. he rbácea. S. r e t i c u l a t a . Betula nana. Saxifraga-Arten, wie S. opposi t i f o l ia
Fig. 4. Kartenskizze der Fundorte einer arktiscli-alpiiien fossilen Flora im skandinavisch-
baltischen Gebiet. Die röiiiischen Ziffern bezielien sicli auf die p. 60 und 61 näher erörterten bun d orte.
In Schonen sind bis jetzt 31, auf Seeland 11 Lokale der fossilen Dryasflora entdeckt.
1) Eine übersichtliche, vollständige Zusammenstellung der Eorscliungsresultate nebst Literaturverzeichnis
bis 1892 ist von ihm geliefert in „Über den gegenwärtigen Standpunkt unserer Kenntnis
der Verbreitung fossiler Glazialpflanzen“. Bih. t. K. Svenska Vet. Akad. Handl. 17(1892) Afd. III, No. 5.
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USW. bestand. Dieselbe Flora ist im südbaltischen Randgebiet, in Südskandinavien
und in den allerletzten Zeiten auch im westlichsten Norwegen gefunden worden.
Ich rede hier nur von einer pflanzengeographisch wirklich reinen arktisch-
alpinen Flora, nicht von solchen Lokalitäten, wo sich arktische Relikten in später ein-
gewanclerten Pflanzenvereinen erhalten haben und mit diesen zusammen fossil angetroffen
werden, wie in Jämtland in Schweden und Giiclbrandsdalen in Norwegen. Es
ist aus pflanzengeographischen Gesichtspunkten von größter Wichtigkeit, diesen bis jetzt
selten gemachten Unterschied festzuhalten, denn andernfalls bekommt man keine
richtige Vorstellung von der allgemeinen Florenentwicklung während der ersten Zeiten.
Meine Untersucluingen und Erwägungen der letzten Jahre haben zu Schlüssen
geführt, die die alte Anffässung von dem allgemeinen klimatisclien Charakter der
Zeit der Dryasflora wesentlich verändert haben B- Beim Abschmelzen des baltischen
Inlandeises war nämlich das Klima nicht arktisch, wie z. B. heutzutage auf Spitzbergen,
Nordgrönland usw., sondern viel wärmer. Dies geht aus dem Umstande
hervor, daß immer Samen und andere Teile von Wasserpflanzen, wie Pot amoge t ón,
Myr i oph y l l um, Bat r a c l i i u m , und sehr oft auch von Sumpfpflanzen, wie Me n y a n th e s
lind anderen, auch in den alleruntersten (ältesten) Teilen der Dryaszone Vorkommen.
Da diese Pflanzen eine relativ lange Vegetationsperiode erfordern — wenigstens
4 Monate über 0 ° C — und eine nicht zu niedrige Sommertemperatnr — wenigstens
5—6°C für den Juli — sind wir berechtigt, auf eine verhältnismäßig artenreiche und
reichgegliederte erste Flora zu schließen, die in ihrem allgemeinen Charakter mit der
Flora der unteren Teile des jetzigen alpinen Gebiets von Skandinavien oder Südgrönland
übereinstimmte.
Die Dryasflora zeigt aber nicht im ganzen Gebiet denselben Charakter. Als
ich meine Untersuchungen von Schonen, wo ich an zahlreichen Punkten eine sozusagen
„normale“ Dryasflora angetroffen hatte, gegen Norden fortfülirte, war es mir lange
unerklärlich, daß ich niemals eine rein arktische Flora aufflnden konnte; je mehr
ich mich der alten Eisscheide näherte, desto weniger arktisch waren die Pflanzengesellschaften,
deren Reste angetroffen wurden. In den ersten Jahren glaubte ich,
daß es ein Versehen der Untersucher war, aber alle Umsicht konnte die Resultate
nicht ändern, und nun habe icli so viele Lokalitäten gesehen und eine so bedeutende
Übung erworben, daß ich, bis etwas anderes gezeigt wird, folgenden Satz anfzustellen
wage: J e nähe r wir den z e n t ra len Tei l en des ve r e i s t en Geb i e t e s kommen,
desto wen i g e r a r k t i s c h wi rd die F lor a , die u nmi t t e lb a r nach dem Rückzug
des E i se s das Land bes et z te. Die Erklärung dieses unerwarteten Umstandes scheint
mir darin zu liegen, daß die Verbesserung des Klimas (die Wärniezunahme) zu Beginn
der spätquartären Zeit sehr schnell und in akzelerierterem Tempo vor sich gegangen
ist. Es brauchte jedoch auch bei heißen Sommern lange Zeit, um die mächtigen
Eismassen vollständig zu vernichten, und während dieser Zeit vermischten sich besonders
am Süd- und Ostrand des Landeisrestes, wo das Abschmelzen wohl geringer war,
die Pflanzengesellschaften immer mehr und mehr. Wenn also in dem peripherischen
1) Etwas ausführlicher ist diese Frage vom Verf. behandelt in: „Das naclieiszeitliclie Klima
von Schweden“. Bericht VIII der Züricher botan. Gesellsch. 1901— 1903 (1903), p. 31—33.
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