trieben, die eine ganz andere Blattstellnng nnd Blattbildung liaben. nicht prinzipiell
verschieden sind. Sie lassen sich in diese überführen. Daß sie sicli bei der
Regeneration von den Langtrieben verschieden verhalten, beruht darauf, daß sie vorher
anderen inneren Bedingungen ansgesetzt waren. Es wurde dies mit dem begrenzten
Wachstum der Kurztriebe in Verbindung gebracht.
Indes scheint mir hier mehr ein äußerliches Verhalten in den Vordergrund
gestellt, wie schon daraus hervorgeht, daß die Sprosse von Tilia nnd Fagus, obwohl
sie begrenzten Wachstums sind, bezüglich der Polarität ihrer Seitenknospen sich
ebenso verhalten, wie andere mit unbegrenztem Wachstum. Hier geht bekanntlicli
der apikale Teil jedes Jahrestriebes zugrunde, aber die Seitenknospen zeigen nacli
oben hin eine Förderung. Auch bei Viburnum Opubus, der bekanntlich keine geschlossenen
Winterknospen bildet, sind die obersten Seitenknospeii jedes Jahrestriebes
viel weniger kräftig als die weiter unten stehenden, sie treiben auch vielfach im nächsten
Jahre nicht ans oder doch weniger kräftig, als die unter ihnen stellende Seitenknospe,
sie gehören sozusagen schon dem folgenden Jahrestriebe an. Hier tritt nur auffal-
ender als sonst, wo die Jahrestriebe voneinander durch die Knospenbildung abgetrennt
sind, die Tatsache hervor, daß die Förderung der apikalen Region zunächst
zurücktritt, weil ein neuer Entwicklnngsabsclmitt beginnt. Für die fertilen Sprosse
von Equisetiuii arvense wurde früher') gezeigt, daß sie, die normal keine Seitensprosse
hervorbringen, dies aus den b a s a l e n Knoten bei der Regeneration tun können,
offenbar nicht deshalb, weil sie begrenzten Wachstums sind, sondern weil durch die
Blütenbildnng die obere Region der Sproßachse erschöpft ist; ganz Analoges gilt für
die Infloreszenzen von Tussilago farfara und Bryophylluni. An den Tussilago-Inflores-
zenzen treiben, wenn man sie isoliert, ebenso wie an den fertilen Equitetunisprossen
nur die untersten Knospenanlagen aus, ebenso sehen wir an den fertilen Knrztrieben
von Pirus communis, daß die oberen Seitenknospen regelmäßig fehlschlagen, während
die unteren deutlich hervortreten. Es kann also die Polarität in der Ausbildung der
Seitenknospen durch f r ü h z e i t i g ein wirkende Faktoren geändert werden, während
wir es bei abgetrennten Sproßstücken mit solchen zutun haben, an denen die Polarität
schon stabil induziert ist und nur in größerem oder kleinerem Grade geliemmt
werden kann.
Dasselbe gilt auch, wenn wir das Verhalten der Wurzelbildimg bei der Regeneration
ins Auge fassen. Das gewöhnliche Scliema, Wnrzelbildung am basalen
Ende des Sprosses, gilt nur dann, wenn wir Sprosse imtersnchen, welche einer Pflanze
entnommen sind, welche an ihrem basalen Ende ein Wurzelsystem besitzt. Dies ist
aber bekanntlich keineswegs immer der Fall. Er gibt auch Sprosse, bei denen die
Wurzelbildimg nach dem apikalen Ende hin gerichtet ist. also in ihrer Entwicklungsrichtung
mit der der Sprosse übereinstimmt. Dies ist der Fall bei einer Anzahl von
Pflanzen mit Rhizomen, z. B. Iris, Majantliemum bifolium, etwas weniger scharf ausgesprochen
auch z. B. bei Tussilago farfara. Schneidet man ein Stück eines Iris-
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1) G o e b e l , Über die Frucbtsprosse der Equiseten. Ber. der Deutschen bot. Gesellsch
(1886), Bd. IV, p . 184.
Rhizomes heraus und entfernt alle Wurzeln, so sieht man, daß die a])ikalen Seiten-
knos])en des Stückes austi-eiben, aber keineswegs etwa Wurzeln am basalen Ende entstehen.
Vielmehr treten, wenn am alten Sproßstück überbau])! Wurzeln sich bilden,
diese am a])ikalen Ende auf, vor allem aber an den neu ausfredtenden Spi’ossen in
akropetaler Richtung. Ähnlich verliielten sich Majantliemum und Tussilago, wobei zn
berücksichtigen ist, daß die Wurzelbihlung hier ganz oder vorzugsweise an den
Knoten erfolgt.
Den Satz, daß bei der Regeneration nur die im unverletzten Pflanzenkörjiei'
vorhandene Entwicklungsrichtung zutage tritt, betradite ich als einen so wichtigen,
daß ich ihn noch mit einigen anderen Beis])ielen erläutern möchte, einerseits an den
Knollen der Dioskoreen, andererseits an den Wurzelträgern der Selaginellen. Diese
beiden Organe sind, wie hier nicht näher ausgeführt werden kann, weder Wurzeln
noch S])rosse, sie sind „sui generis“.
Die Knollen der Dioskoreen') sind äußerlich ungemein verschieden, bald wnr-
zelähnlich, ])ositiv geotropisch nach abwärts wachsend, wie die von D. Batatas n. a..
bald flache knchenförmige, transversal geotropische dorsiventrale Gebilde wie die von
D. sinnata, bald kürbisähnliche unterirdische oder oberirdische Knollen. Alle diese
Gebilde dienen teils als Reservestoftbehälter, teils als Wurzelträger. Die Wurzeln
entstehen bei D. sinnata in nach dem weiterwachsenden Rand fortschreitender Reihenfolge.
Schneidet man ein Stück der Knolle heraus, so bildet es Adventivsprosse
am hinteren, Wurzeln am vorderen Ende. Daß es dabei nnr ankommt auf die
Richtung, in welcher normal die Organbildung vor sich gelif, zeigt die Tatsache, daß
bei Testiidinaria die Sprosse am oberen Ende entstehen, wenn ein Stück der
Knolle hiei- entfernt wird. Es entstehen Sprosse also an diesen Organen stets an dem
dem ui'sprünglichen S])roß zugekehrten Ende, Wurzeln an dem ihm abgekehrten,
doch ist die Wurzelbildung meist eine wenig ausgiebige. Die Knollen von Dioscorea
Batatas, welche mit der Sproßachse im Zusammenhang bleiben, regenerieren leiclit
ilire S])itze, oder wenn ein größerer Teil entfernt wird, bilden sich kleine Knollen.
Die Wurzelträger von Selaginella sind mit einem beträchtlichen Regenerationsvermögen
ausgestattet. Entfernt man die Spitze, so bildet sich ein Kallus, in welchem
Wurzeln angelegt werden, die sofort sich entwickeln. Die Anlegung der Wurzeln
erfolgt am Wurzelträger ja normal an der Spitze. Diese akro])etaIe Tendenz wird
auch bei der Regeneration beibehalten. \ ’on den beblätterten Selaginellasprossen
nahm man bisher an, daß sie die Fähigkeit, Wurzeln direkt ans der Siiroßachse zu
bilden, nicht besitzen. Indes bilden junge Selaginellasprosse, an denen die Wurzelträgeranlagen
noch weit zurück sind, wenn sie abgeschnitten werden, an der Basis
aus dem Zentralzylinder einen Kallus, in welchem Wuj-zeln entstehen. Wir sehen,
daß Wurzelträger und beblätterte Sprosse in bezug anf die Bewurzehmg umgekehrt
])olarisiert sind, entsj)rechend der normalen Entwicklungsrichtung. Wo eine solche
nicht besteht, braucht auch bei der Regeneration keine Polarität aufzutreten. So ist
1) Vergl. die inzwisclien in Flora, Bd. XCV (Erg.-Bd. z. Jahrg. 1905) veröffentlichte Abhandlung
des Verfassers.
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