Hand in Hand mit bemerkenswerten Verändei'ungen im Umrisse Europas. Dem
sich zurückziehemlen Eise folgte in Schottland, im südlichen Skandinavien sowie im
äußersten Nordosten unseres Erdteiles eine ÜberÜntung durch ein eisiges Meer, das
Yoldia-Meer, das aber die baltischen Gebiete bald wieder verließ und im Bereiclie
der Ostsee durch einen großen Süßwassersee, den Ancylus-See. ersetzt wurde. Aber
auch dieser war von kurzem Bestände, und neuerlich fand das Meer hier Eingang,
nunmehr aber ein solches mit einer Fauna, die leichte Anklänge an milderes Klima
aiifweist. Das ist das Litorina-Meer. Noch aber kann diese Geschichte des baltischen
Europa nicht mit den einzelnen A'orstößen und Halten der sich zurückziehenden
alpinen Vergletscherung in Parallele gebracht werden, wie denn überhaupt zwischen
der eiszeitlichen Geschichte des aliiinen und nördlichen Europa noch manche Brücke
zu schlagen bleibt. Nur die Tatsache, daß an den Ufern des Litorina-Meeres der
Mensch im Stadium einer altneolitischen Kultur lebte, gibt einen Anhalt, dasselbe in
die wärmere Periode zu verweisen, welche dem letzten Vorstoße der alpinen Gletscher,
dem Daunstadiiim vorausging. Auch die wechselvolle Geschichte der britischen Inseln
während der Postglazialzeit bleibt noch aufzuhellen, ebenso wie die des Kaspisees
während des gesamten Eiszeitalters. Wir wissen nur. daß er während desselben
zeitweilig größer gewesen ist und weit an der Wolga aufwärts gereiclit liat. In
welcliem Absclmitte dies aber geschaii, läßt sicli niclit sagen, und solclier Abschnitte
haben wir viele anznnehmen, wenn wir die Geschichte Europas von der Tertiärperiode
bis zur Gegenwart überblicken wollen.
Das Studium der eiszeitlichen Moränen ergibt fast allenthalben in Europa,
daß dieselben kein einheitliches Ganzes darstellen. Die äußei'en Moränen der alten
Gletschergebiete zeigen gewölinlich niclit mehr die Formen von Moränen, sie haben
eine stattliche Erosion erlitten, während die inneren vielfach in überraschender Ph'ische
dastehen. Die Zeit, die seit ihrer Ablagerung verstrichen ist, ist nahezu wirklungslos
an ihnen vorübergegaiigen, während die zwischen der Ablagerung der äußeren und
inneren Moränen abgelanfene Zeit jene stark mitgenommen hat. Wir scliließen daraus
auf einen viel größeren Zeitraum zwischen Ablagerung der äußei'en und inneren
Moränen als seit Bildung der letzteren verflossen ist. Wo sich während jenes größeren
Zeitraumes die Gletscher aiifgehalten haben, läßt sich durch A'erfolgnng der älteren
Moränen nicht feststellen; sie reichen nur ein kleines Stück weit unter die jüngeren
und erscheinen dann durch die stattlichen Erosionswirkungen abgeschnitten, welche
die Gletscher auf ihren Untergrund ausgeübt haben. Dagegen läßt sich aus pliyto-
paläontogischen Gründen dartun, daß sich zwischen große A'ergletscherungen Zeiten
mit einem nicht eiszeitlichen Klima, daß sich zwischen Eiszeiten Interglazialzeiten eingeschaltet
haben. Zwischen den Moränen treffen wir an einer Anzahl von Stellen
Ablagerungen, welche eine der heutigen ähnliche, mandiinal sogar auf ein milderes
Klima deutende Pdora enthalten. Solche Stellen finden sich sowohl am Rande der
alten Gletschergebiete, wie auch in den Alpen, in deren Inneren.
Über die Beweiskraft solcher Phmde gehen die Meinungen noch vielfach
auseinander. Nicht wenige PYrscher, namentlich Geologen, haben darauf verwiesen,
daß viele Gletscher, vor allem die Westpatagoniens, der Südinsel Neuseelands und
südlichen Alaska, heriinterreichen bis in prächtigen Hochwald, und daß es einer bloßen
geringen Gletscheroszillation bedürfe, um einen derartigen PTmd zu erklären: Der
Hochwald folgt dem sich zurückziehenden Gletscher und faßt auf dessen Moränen
Phiß, worauf er bei einem neuerlichen Anwachsen des Eises von dessen Moränen
begraben wird, so daß wir dann zwischen Moränen die l'lora eines durchaus milden
Klimas linden. F r it z P'r e o h hat ferner darauf verwiesen, daß der große Muir-
gletscher in Alaska nicht bloß in den Wald herabreicht, sondern oberflächlich sogar
von solchem bedeckt wird, der auf seinen Obermoränen wurzelt, so daß wir hier eine
ziemlich üppige Elora über dem Eise treffen. Andererseits ist unter Hinweis auf die
außerordentliche Größe der eiszeitlichen Gletscher namentlich von seiten einiger
Botaniker betont worden, daß am Saume derartiger Gletscher die Flora eines milden
Klimas nicht fortkommen könne. Die neueren physiogeographischen Eiszeitforschungen
entscheiden zugunsten der Anffässung der Botaniker. Wenn zur Zeit der Ausdehnung
des Rheingletschers bis Schaffhausen die Schneegrenze im benachbarten Schwarzwalde
unter 1000 m Meereshöhe herabgesimken war, konnte bei Schaffhausen der Buxbaum
nicht in 400 m Meereshöhe Vorkommen, um sich während einer Oszillation des Rheingletschers
bei Pdurlingen im Kalktuffe begraben zu lassen. Pn einem Abstande von
weniger als 500 m untei' der Schneegrenze kommt der Buxbaum nicht vor, können
nicht Waldbäume existiei'en, dei'en Blätter gleichfalls der Tuff von Flurlingen birgt.
Seine Plora verlangt für die Zeit seiner Entstehung eine Lage der Höhengürtel,
welche mit eiszeitlichen Vei'hältnissen unvereinbar ist, und wenn er nachweisbar
zwischen zwei aufeinanderfolgenden Vergletscherungen der Gegend entstanden ist, so
müssen diese durch eine Zeit mit nicht eiszeitlichem Klima voneinander getrennt
gewesen sein. Gegenüber den Plrgebnissen der pliysiogeopraphischer Basis betriebenen
Eiszeitforschnng erscheint eben, wie bereits ausgeführt, die oft behauptete Bewaldung
des germanischen Mitteleuropas zwischen der nordischen und alpinen Vereisung nicht
mehr annehmbai'; sie liefert einen bestimmten Anhalt für Festlegung der Höhengürtel
für die Eiszeit und die einzelnen Stadien des Rückzuges der großen Vergletscherungen;
und wenn Ablagerungen, welche sich den glazialen einschalten, auf phytogeographischen
Gründen die heutige oder sogar eine höhere Lage,der Höhengürtel verlangen, so muß
man eben auf eine entspi'echende Klimaschwankimg schließen und annehmen, daß
Eiszeiten mit durchschnittlich 1200 m tieferen .Höhengürteln getrennt waren durch
Interglazialzeiten mit Höhengürteln, etwas höher als die gegenwärtigen. Zu einer
solchen Schlußfolgerung drängen aber nicht bloß Ablagerungen in der Peripherie der
alten Gletschergebiete, sondern in den Ali)en auch solche aus deren Mitte, wie z. B.
die bekannte Höttinger Breccie bei Innsbruck, deren Flora v . W e t t s t e in beschrieben
hat, und die Tone von Re im Vigezzotale, deren Flora eben im botanischen Institute
der Wiener Universität näher untersucht wird. Die an beiden Örtlichkeiten vorkommenden
Moränen würden allerdings an sich genommen eine weit geringere Gletscherentfaltung
und damit auch eine geringere Depression der Schneegrenze verlangen, als
die an der Peripherie der alten Vergletscherungen gelegenen, aber hier wie da
weisen Begleiterscheinungen darauf, daß wir es im Hangenden und im Liegenden
der pflanzenführenden Schichten mit Ablagerungen zu tun haben, welche eine eiszeit