Der Druckeinwirkung gegenüber verhalten sich die Wurzeln teils aktiv,
teils jiassiv. Zn den aktiven Ei'scheinungen rechne ich vor allein die Eähigkeit seitens
der gedrückten Zellen, ihre Grundform zu ändern und sie annähernd nach derselben
Qnerschnittsform des Wurzelquersclmittes zu gestalten und zu orientieren. Das größte
Aniiassungsvermögen zeigt sich in der Form und Orientierung der Leitbündel,
besonders aber in der Teilungsfähigkeit des Perikambiunis an den Polen des elliptischen
Zentralzyliiiders.
Zu den passiven Erscheinungen zähle ich die Bildung eines yieripheren
Gürtels gepreßter Epidermis- nnd Rindenzellen, der zuweilen auch infolge der Tor-
diernng der Wurzeln, welche nach weiteren Räumen streben, auch an den freien
Seiten jener wahrziinehmen ist. L’erner die Beschaffenheit der einzelnen Elemente,
welche bei rein mechanischem Druck verkorken oder sich samt dem Lumen mit einer
gelben als „Wundgnmmi“ aufzufassenden Substanz imprägnieren.
Diese Reaktionen können in formative und motorische unterschieden werden.
Zn den ersten gehören die Neubildungen von Wurzeln und Sprossen, deren Anlagen
in der intakten Pflanze länger oder immer geruht hätten, zu den zweiten
die tropistischen Krümmungsbewegungen, die ich an Keimwurzeln von Vicia L'aba
oft beobachtet habe, wenn sich dieselben durch die Integumente verletzen oder sonst
verletzt werden und sich spiral- oder schraubenförmig winden.
Ve r n a rbung .
Es wurde bis jetzt nur die Regeneration der Scheitelmeristeme an Wurzeln
nnd Stämmen besprochen. Wenn aber traumatische Einwirkungen weit von den
Vegetationspnnkten ausgeübt werden, tritt keine Regeneration mehr, sondern nur
Vernarbung ein, und zwar in desto ausgeprägterer Weise, je mehr das Kambium daran
beteiligt ist. Die unter dem Namen „Überwallung“ bekannte Wimdreaktion der Holzgewächse
bildet eins der besten Beispiele der langjährigen Tätigkeit dieses Interkalar-
meristems. Dank seiner inneren Lage wird es vor den traumatischen Ein-Wirkungen
besser geschützt als die peripheren Gewebe. Gegen Verwundungen reagieren auch
diese, obwohl in minder ausgeprägter Weise. Die Reaktionsfähigkeit der nicht meristematischen
Gewebe hängt aber nicht nur von denselben Bedingungen, welche das
Wachstum und die Regeneration bestimmen, sondern auch von spezifischen Eigenschaften
der verletzten Pflanze ab.
Es wird hier von den vielen, mehr gelegentlichen Arbeiten über Verwundnngs-
arten abgesehen, und nur jene wei’den berücksichtigt, welche,' mit streng wissenschaftlicher
Fragestellung aiisgeführt, zu unserem Thema nähere Beziehungen aufweisen.
Wie die Regeneration, so tritt auch die Vernarbung an jungen Organen
leichter als an älteren auf. Schon H u g o v o n M o h l ') hat an den Luftwurzeln
von Pot h o s c r a s s i n e rv i a die Vernarbung nur dann beobachtet, wenn dieselben
nahe der Spitze quer abgeschnitteii wurden. War dagegen die Trennung im älteren
Teile, in welchem das zentrale Gefäßbündel bereits stai'k erhärtet war, erfolgt, so
1) VON M o h l , Vernarbung, 1. c. p. 641.
bildete sich das Periderm bloß auf der Rindenwunde, durchsetzte aber das Gefäßbündel
nicht.
Später hat S im o n ') entgegen P r a n t l ’s Angabe an Wurzeln von Mono- und
Dikotylen festgestellt, daß sich bei Entfernung von mehr als 1 mm von der Wurzelspitze
keine Kallusbildung mehr beobachten läßt. In diesem Falle wölben sich aus
rein mechanischen Gründen, nämlich durch die etwas stärkere Strecknngsfätigkeit der
Rinde und des Perikambiums gegenüber dem Zentralzylinder, diese beiden Gewebepartien
über letzteren bis fast zur Schließung der Wnndfläche. Trägt man mehr als
2—3 mm von der Spitze ab, so findet keine Überwallung des Stumpfes mehr statt.
Auch bei Holzgewächsen ist die Reaktion eine verschiedene. Sie bleibt beim
Kernholz völlig ans, während der Splint derart reagiert, daß er frühzeitig ins Kernholz
übergeht. Nach d e V r i e s ") sind die erstgebildeten Produkte des Kallusholzes ganz
abnorm; die folgenden werden allmählich den normalen ähnlicher. In einzelnen
schmalen Zellenzügen treten gefäßartige Wandverdickungen ein. Echte, weite Gefäße
nnd Libriformfasern stellen sich erst spät ein.
Der unregelmäßige Verlauf der Holzfasern im Kallusholz wird besonders
durch R. H a r t ig "), S o r a u e r '), V ö c h t i n g ") hervorgehoben und von letzterem auf
die Polarität zurückgeführt.
Bekanntlich hat F r a n k «) als „Schutzholz“ jene Partien vom Holzkörper
bezeichnet, welche infolge Verwundung freigelegt werden und bis zu einer gewissen
Tiefe eine dunklere Farbe annehmen. Dieselbe kommt dadurch zustande, daß die
Lumina der Gefäße und Tracheiden mit einer festen Ausfüllungsmasse von brauner
Farbe verstopft sind. Die physiologische Bedeutung dieser Reaktion der Pflanze in
der Vei’änderung des Holzes an jeder Wundstelle wurde zuerst von F r a n k ') und
seinen Schülern klargelegt. Gegen R. H a r t ig ’s Behauptung, die Bräunung sei ein
erstes Stadium der Zersetzung des Holzes oder der Wundfänle, hat F r a n k hervorgehoben,
daß das spezifische Gewicht des Sclmtzholzes im Vergleicli zu dem des Splintholzes
bedeutend größer ist, und daß die Durchlässigkeit des ersteren für Luft und
Wasser aufgehoben wird. Das Schutzholz ist sowohl physiologisch wie anatomisch
nichts anderes als Kernholz, dessen Bildung eine rechtzeitig getroffene Vorbereitung
für den Schutz des Splintes gegen innen darstellt. Die Aiisfüllungsmasse der Lumina
besteht nach T em m e ®) aus derselben Substanz, welche Kerngummi beim Kernholz und
1) Sim o n , 1. c. p. 116.
2) DE V e ie s , Über YVundholz. Flora 1876, p. 131.
3) H a r t ig , Die Zersetzungserscheinungen des Holzes. Berlin 1878. — D e r s e lb e , Lehrbuch
der Baumkrankheiten. Berlin 1882, p. 140—141.
4) S o r a u e r , Pflanzenkrankheiten. Bd. I, p. 540 ff.
5 ) V ö c h t i n g , Transplantation am Bflanzenkörper. Tübingen 1 8 9 2 , p. 1 4 5 ff.
6) F r a n k , Die Krankheiten der Pflanzen. Bd. I, p. 31.
7) D e r s e lb e , Üher die Gummihildung im Holze und deren physiologische Bedeutung. Ber.
d. Deutschen hot. Gesellsch. 1884, Bd. II, p. 321.
8) T em m e , Über Schutz- und Kernholz. T h i e l ’s Landw. Jahrb., Bd. XIV, p. 465.