O. Mo l i .e r sich weitereilorengeschichtliche Forschungen angelegen sein ließen, W a r m in g
die Entwicklungsgeschichte der Flora Dänemarks in ihren Grundzügen ziisammengestellt
(Den danske planteverdens historie efter istiden, 1904). Für Norwegen hatte B l y t t
an seine Moorforsclnmgen die Theorie geknüpft, daß die verschiedenen Florenelemente
Norwegens, das arktische, das ausgebreitete subarktische, das baumreiche und vorwiegend
im Tiefland vertretene boreale, das auf das Silnrkalkgebiet und den Christianiafjord
beschränkte subboi'eale, das an Littoralpflanzen reiche atlantische und das in den
südlichsten Küstenstrichen vertretene subatlantische nacheinander in abwechselnden
trockenen und feuchten Perioden nach der Eiszeit eingewandert seien. Schon 1879
konnte ich (in meinem Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt, Bd. I,
p. 193. 194) diesen Theorien B l y t t s nur teilweise zustimmen; ich mußte, wenn auch
ein Klimawechsel schwer zu leugnen war, mich entschieden gegen B l y t t s Annahme
von einer so scharf gesonderten Einwanderung der von ihm unterschiedenen Floren-
eleineiite in den verschiedenen Perioden aussprechen. Sehr eingehend und gründlich
hat die Geschichte der Vegetation Schwedens G u n n a r A n d e r s s o n erforscht, später
auch seine Untersuchungen auf Iflnnlaiid ausgedehnt.
Die Untersuchungen der skandinavischen Forscher hatten auch zu einer
gründlicheren Erforschung der Moore und anderer quaternärer Bildungen Deutschlands,
insbesondere des während der Glazialperiode von Gletschern bedeckten Norddeutsch-
lamls und des Alpenvorlandes angeregt. K e i l h a c k s B Untersuchungen präglazialer
Süßwasserbildungen in der Mark Brandenburg und der Provinz Hannover hatten
ergeben, daß vor der Eiszeit daselbst die Kiefer, unsere mitteldeutschen Laubgehölze
und auch die Walnuß (Homerdingen in Hannover) sowie Ilex aquifoliuin existierten.
Die Untersuchungen von F o r c h h a m m e r , F r i e d e , von F i s c h e r -B e n z o n , K u n t h
und C. W e b e r der holsteinischen Moore haben ergeben, daß in Holstein nach der
Glazialperiode die Waldbäume in ähnlicher Folge auftreten wie in Dänemark und
Schweden; die Untersuchung der untermeerischen Moore westlich von Sylt ergab,
daß Kiefernwald mit Heide nicht bloß Holstein, sondern auch die jetzigen Nordseeinseln
bedeckte, daß während der Kiefernperiode auch die Fichte in Holstein wie in
England existierte, und daß, als von Osten her eine zweite Eisbedeckung vorrückte,
eine Senkung der Westküste erfolgte. Dann folgten Eiche und Buche.
Wenn wir die pttanzenpaläontologischen Befunde kritisch dnrchmustern, so
sind wir ebensowenig befriedigt durch die Zahl und Verteilung der Fundstätten, wie
durch die geringe Zahl der sicher bestimmbaren Reste; es ist nur ein minimaler
Teil der jetzt existierenden und ausgestorbenen Pflanzen, über deren Wanderungen
uns die fossilen Befunde zuverlässige Aufschlüsse geben. Aber diese wenigen Reste
geben uns gute Auskunft über die klimatischen Verhältnisse, welche zu verschiedenen
Zeiten in einem Lande geherrscht haben, und wir können an der Hand dieser
Ergebnisse diejenigen der systematisch entwicklungsgeschichtlichen Forschung piüfen,
vielfach auch die Ergebnisse beider Forschiingsmethoden kombinieren. Das will ich
j .
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1) K e i l h a c k , Über präglaziale Süßwasserbildungen im Diluvium. Jalirb. d. Königl. preuß.
geolog. Landesanstalt für 1882, p. 133, und Bot. Zentralblatt 1886, Bd. XXVI, p. 53 55.
nun in folgendem für die Entwicklung der Flora Europas versuchen. Wenn ich
hierbei nicht zu sehr auf Einzelheiten eingehe, so liegt dies einerseits daran, daß
bei der Aufstellung von Hypothesen Beschränkung auf das zunächst liegende vor
Fehlschlüssen bewahrt, andererseits daran, daß die folgenden Herren Redner einzelne
Gebiete Europas für sich speziell behandeln werden.
Aus den Ablagerungen der Kreide- und Tertiärperiode kennen wir gut erhaltene
Reste mir von Waldpflanzen, und zwar vorzugsweise von Bäumen und Sträiicliern;
wir kennen fast gar keine Reste des Niederwuclises der Wälder, fast gar keine aus
den baum- und strauchlosen Formationen. Siclier hat es aber auch immer solche
gegeben; denn die alten Gebirgsmassen. welche lange vor der allmählichen Hebung
der Pyrenäen, der Alpen, der Karpathen, des Kaukasus, des Himalaja, der Anden
existierten, waren viel höher, als jetzt, wo wir nur noch die Reste sehen, welche nach
einer durch mehrere Erdperioden hindurch fortdauernden Abtragung und Zerstörung
der ursprünglichen Gebirge übriggeblieben sind. Gerade in den verhältnismäßig
jungen, in der späteren Tertiärperiode allmählich entstandenen vorhin genannten Hochgebirgen
finden wir über der Waldregion ausgedehnte, nur aus Staudenvegetation
bestehende Regionen, — dagegen nicht mehr oder schwächer, als in den Alpen, in
vielen älteren Gebirgen, wie z. B. im Schwarzwald, der böhmischen Gebirgsmasse,
den Sudeten, welche als Reste der Plochgebirge aiizunehmen sind, die sich seit der
liermischen Periode vom Zentrum Frankreichs aus durch Mitteldeutschland bis Schlesien
hinzogen, oder in den Resten des von Frankreich nach England reichenden armori-
kanischen Hochgebirges, sowie auch in denen der skandinavisch-russischen Tafel. In
diesen alten Gebirgen waren also auch schon die Bedingungen zur Entwicklung von
Felsen- und Wiesenpflanzen gegeben. Daß die alpine Hochgebirgsflora eine in der
Glazialperiode entstandene Mischlingsflora ist, welche zum Teil von den asiatischen
Gebirgen, zum Teil aus dem tertiären arktischen Gebiet stammt, zum Teil aus
Elementen besteht, welche in den Alpen selbst sich entwickelt haben, ist ziemlich
allgemein anerkannt; in manchen Fällen flnden' wir die korrespondierenden Arten
der alpinen oder hochalpineii in den unteren Regionen des Alpengeländes, in anderen
Fällen aber treffen wir erst in den unteren Regionen Ostasiens oder Nordamerikas
Pflanzen an, welche als Stammtypen einzelner Hochgebirgsformen angesehen werden
können, in noch anderen Fällen jedoch gelingt es uns nicht, irgendwo solche als
Stammtypen von Hochgebirgspflanzen anzusprecliende Arten anfzuspüren. Dann müssen
wir eben daran denken, daß noch vor der Hebung der Alpen in jenen alten nord-
nnd mitteleuropäischen Gebirgssystemen, sowie in den alten sibirischen Gebirgen Hochgebirgsformen
entstehen und teilweise ausgetauscht werden, später aber auch auf die
nahen Alpen übergehen konnten. Es ist dies ein wichtiges Moment, welches nicht
anzuzweifeln ist und über mancherlei Schwierigkeiten hinweghilft. Da die Plebung
der Kettengebirge erst im späteren Tertiär erfolgte, seitdem aber viele Arten sich
nur wenig verändert haben, so würde man sich die Differenzierung mancher alpiner
Gattungen erst seit dieser Zeit schwer erklären können, wenn aber schon seit dem
ersten Auftreten der Angiospermen in der Kreide solche auch in den höheren kälteren
Regionen sich entwickeln konnten, dann haben wir einen viel längeren Zeitraum für
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