-10
mußte. Eenier ist auf diese Interglazialzeit, welclie durch Kohleiischichten zwischen
Moränen erwiesen wird, wahrscheinlicli auch das vereinzelte Auftreten südlicher Wiesen-
iind Waldptlanzcn in den Nord- und Zeiitralalpen zurückzufüliren, z. B. von Carex
haldensis und Astrantia bavarica in den bayrischen Alpen, von Paeonia corallina bei
Reicheiihall und in Niederösterreich, von Ruscus hypoglossum bei Kreisbach, von
Narcissus jioeticus im Traisental in Oberösterreich, von Buxus semiiervireiis und
Philadelphus coroiiarius bei Steir in Oberösterreich, von Ostrya carpinifolia am Solstein
bei Innshrnck.
In der zweiten Glazialperiode und nach derselben wiederholte sich, was in
der ersten erfolgt war, und wenn, wie einige Forsclier annehmen, melirere (ilazial-
perioden existiert haben, so würden die stattgeliabten Wanderungen sich einigemal
wiederholt haben. Jedenfalls wird ein Teil der Vorkommnisse von alpinen Kolonien
am Nord- und Südfuß der Alpen außerhalb der Flußbetten, in welchen auch gegenwärtig
noch einzelne Arten herabgetragen werden, auf diese zweite Glazialzeit zurückgeführt
werden müssen.
Zu beobachten, wie die Besiedelung der abgeschmolzenen Gletscherböden
und der Moränen erfolgt, dazu bietet die Gegenwart, in der viele Gletscher recht
stark znrückgeheii, genügende Gelegenheit. Immer sind es wenige Cerastium, Arabis
alpina, Hntcliinsia alpina, Chrysanthemum alpinum, Doronicum Sekt. Aronicum, Achillea
nana, moschata oder atrata, Epilobium Fleischeri, Saxifraga oppositifolia und moschata,
Salix herbácea, rctusa und andere, dann einige Gräser, sodann Oxytropis, Astragalus
und andere Papilionaten, welche nacheinander auftreten, fast immer aber in der
nächsten Umgebung nachzuweisen sind. In der Waldregion treten zuerst auch
Compositen, namentlich Petasites niveus und subalpine Weiden, dann Gräser, Birken,
Picea und Larix auf, welche allmählich über die Stauden die Oberhand gewinnen und
zu Beständen znsammenschließen. Im wesentlichen erfolgt also die Besiedelung schrittweise,
wenn nicht gerade bestimmte Windrichtungen vorherrschen, welche auch auf
weitere Strecken hin besiedelnd wirken.
Seit der letzten Glazialperiode sind aber auch in den Alpen, wie auf anderen
Hochgebirgen zahlreiche neue Formen entstanden, welche teils fruchtbar gewordene
Bastarde sind, wie die Kreuzimgsprodukte von Primula minima und glutinosa, die
von Nigritella nigra und Gymnadenia odoratissima und zahlreiche Hieracien —
anderei'seits aber Varietäten sind, die in verschiedenen Teilen der Alpen aus derselben
weiter verbreiteten Art mit minimalen Abweichungen sicli entwickelt haben und vielfach
als sekundäre Endeinismen auftreten. Ihnen stehen in ihrem konstanten, unveränderlichen
Verhalten die alten Endemismen schroff gegenüber.
Es darf hier nicht übergangen werden, daß die neuerdings von F r ü h und
S c h r o e t e r B veröffentlichten umfangreichen Untersuchungen der Moore der Schweiz
ergeben haben, daß in denselben ein auf Klimaschwankimgen hindeutender Wechsel
von Moostorf- und Stubbenlagen nicht wahrzunehmen ist und daß auch in den älteren
l ) F r ü h und S c h r o e t e r , Die Moore der Schweiz mit Berücksiclitigung der gesamten
Moorfrage, Bern 1904.
fossilen Mooren erloschene PÜanzenarten nicht aufgefunden wurden. Auch haben die
Schweizer Moore keine Belege für eine postglaziale xerothermische oder überhaupt
für eine wärmere Periode ergelien, ebensowenig Belege für ein successives Einwandern
der Bii'ke, Kiefer, Eiche, Buche und Fichte, wie es an den Gestaden der Ostsee
nachgewiesen wurde. Nichtsdestoweniger halten auch die genannten Autoren daran
fest, daß nach der Eiszeit auf die Tu n d r ap e r i o d e , in welcher die Baumgrenze schon
bis etwa 300 m ü. M. lag, in welcher neben Zwergstranchtundra und Moossümpfen
an trockenen Abhängen subarktische Steppe herrschte, eine St eppe npe r i o de folgte,
in welcher die steppenartigen Flächen zahlreicher wurden, auf den bewässerten Talsohlen
aber Erlenbrüche mit Birken und Fichten vordrangen. Auf diese Stepiienjieriode
folgte die ältere Wahlperiode, in welcher der Wald und die Moore eine gewisse
Ausdehnung gewannen, bis sie durch den Ackerbau und Alpenwirtschaft treibenden
Menschen immer mehr verdrängt wurden.
Für Skandinavien dagegen konnte von den früher erwähnten Forschern (p. 29)
durch fossile Fimde an Quartärablagerungen nachgewiesen werden, daß nach der
TundraÜora von Südwesten die Birkenflora mit Vorwiegen der Betula pubescens und
Populns trémula und Beimengung von Salix caprea, S. aurita, S. cinerea, Juniperus
communis, Vaccinium myrtillus einwanderte, daß ein Teil der damals herrschenden
Sumiif- und Wasserflora zu derselben Zeit vordrang, daß dann ebenfalls von SW. her
die Kiefernflora kam, welche lange Zeit in Skandinavien eine viel ausgedehntere
Verbreitung besaß als gegenwärtig; mit Pinus silvestris zusammen drangen auch
Pirus aucuparia, Prunus padus, Rubus idaeus, Viburnum opulus. Frángula alnus,
Pteridium vor; auch waren Arctostaphylos uva ursi und Empetrum häufig; später
folgten noch Ulmns montana, Alnus glutinosa, Corylns, Tilia europaea, Cornus sanguínea
und Mespilus monogyna, von Wasserpflanzen erst Najas flexilis, dann Ceratophyllum
demersum, Najas marina. Trapa natans, welche später aus Schweden verschwand. Nun
folgte von SW. her die Eiche und verdrängte in Skane sowie in den tiefliegenden
Teilen Mittelschwedens die Kiefer, gleichzeitig erschienen mit ihr Acer platanoides,
Fraxinus excelsior. Hederá helix, Viscum album, wahrscheinlich auch Ilex, Digitalis
purpurea, Hypericum pulchrnm und Sedum anglicum an der Westküste, und Tilia
grandifolia, Carpimis, Acer campestre im südlichsten Schweden. Zuletzt erfolgte die
Einwanderung der Buche. Diesen Einwanderungen von SW. her steht die von 0. her
erfolgte gegenüber, welche eintrat, nachdem in der postgiazialen Periode eine Landverbindung
von Skandinavien nach Rußland liergestellt war. Die erste und älteste
Einwanderung besteht aus arktischen Gewächsen, die Hauptvertreterin der zweiten
ist Alnus incana, diejenige der dritten ist die Fichte, Picea excelsa, welche durch
fossile Funde nachweisbar vor der letzten Eiszeit auf den Britischen Inseln und in
Westdeutschland existierte, gegen das Ende der Eiszeit aber ganz nach 0. verdrängt
worden war, und als Vertreter der vierten ist Rubus arcticus anzusehen. Die Feststellung
der so wichtigen Einwanderung der Fichte in Skandinavien verdanken wir
auch in erster Linie N a t h o r s t , sodann T o l e und S e r n a n d e r .
Einen vortrefflichen Beweis dafür, daß nach der Eiszeit in Schweden eine
Zeitlang ein günstigeres Klima als jetzt, ausgezeichnet durch eine um 2,5° C höhere