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mäclitigen Eisschilde bedeckt war. Ge in it z O stellt sich die Sache so vor, daß zwar
das Landeis mit einem Saume arktischer Pflanzen umgeben war. daß aber in einigem
Abstande vom Eisi-ande die eben geschilderte Vegetation lebte und ab und an durch
Schwankungen des Eisrandes mit moränischem Materiale verschüttet wurde. Dabei
wird auf das Verhalten der gegenwärtigen Gletscher verwiesen, die zuweilen bis in
die Baumregion voi'stoßen, insbesondere auf die Verhältnisse des Malaspina-Gletschers
am Mt. Elias in Alaska.
Es ist zuzugeben, daß die dichten Urwälder von Picea sitchensis, die sich auf
der Moränendecke des Eises am unteim Ende dieses gewaltigen Gletschers in weiter
Ansdehnnng angesiedelt haben, beim ersten, flüchtigen Anblick etwas Bestechendes
haben und einem den Gedanken nahelegen können, daß ähnliche Verhältnisse auch
am Rande des europäischen Landeises zur Diluvialzeit geherrscht haben mögen. Abei’
bereits N athors t hat vor 14 Jahren naehdrücklich darauf hingewiesen, daß die Bedingungen,
unter denen alle diese Gletscher bestehen, in keiner Weise mit denen des
Landeises der Dilnvialzeit in Europa verglichen werden können 2). Was insbesondere
den Malaspina-Gletscher anlangt mit den Wäldern von Picea sitchensis, Tsuga Mertensiana
und ihrer Gefolgschaft auf seinem angeblich totem Saume, so liegt er an der Südküste
des Landes, die gegen die rauhe Nordluft durch das Eliasgebirge geschützt ist, während
die Küste selbst von der warmen paciflschen Drift bespült wird und unter dem vorherrschenden
Einflüsse feuchter Seewinde steht. Mit seinen überaus hohen Niederschlägen,
kühlen Sommern, milden und sclmeereichen Wintern bietet dieses ganze
Küstenland in klimatischer Hinsicht die größte Ähnlichkeit mit der heutigen Westküste
Norwegens dar''). Der Nachweis, daß ähnliche Verhältnisse auf irgend einer
Stufe der Eiszeit in Mitteleuropa geherrscht haben, ist nirgends erbracht worden.
Daß der abkühlende Einfluß dieser verhältnismäßig kleinen Gletscher — der
Malaspina-Gletscher dürfte höchstens einige 100 qkm bedecken — auf ihre Umgebung
nur gering ist, lehren die Tatsachen. Ob aber ein so gewaltiges Eisfeld wie das
skandinavische einen ebenso geringen oder nur wenig größern abkühenden Einfluß
auf die Umgebung geäußert hat, ist aus physikalischen Gründen allermindestens sehr
zweifelhaft. H olst steht auch nicht an. die Vereisung der Alpen, des Kaukasus und
der Pyrenäen als dadurch hervorgernfen zu betrachten, daß das große nordische Landeis
bis dahin seinen abkühlenden Einfluß erstreckte'). Ja, W o l f e , ein anderer Vertreter
des Monoglazialismns, hält es nicht für ausgeschlossen, daß die Glet'scherspuren am
1) E u g . G e i n i t z , Die Einlieitliclikeit der quartären Eiszeit. Neues Jahrimcli für Mineralogie
etc. 1902, Bd. XVI, p. 1 — 98, Beil. — D e r s e lb e , Wesen und Ursache der Eiszeit. Archiv
d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. in Mecklenburg 1905, 59. -lalirg.
2 ) N a t h o r s t , Bemerkimgen über Prof. 0 . D r u d e s Aufsatz: Betrachtungen über die hypo-
tlietischen vegetationslosen Einöden im temperierten Klima der nördlichen llemisphäre zur Eiszeit.
E n g l e r s Bot. .Talirb. 1891, Bd. XIII, p. 53.
3 ) F . K u r t z , Die Flora des Chilkatgebietes etc. E n g l e r s Bot. Jalirb. 1895, Bd. XIX, p. 329.
4) N. 0 . H o l s t , The Glacial Period and Oscillation of the Land. Geolog. Magazine, n. s.,
Decade IV, Vol. VIII, p. 215.
Kilimandscharo und auf Neuseeland auf die gleiche Ursache zurückzufüliren seien').
Wenn sich der abkühlende Einflnß des nordischen Landeises wirklich so weit erstreckt
Iiat, wie sollte er nicht in viel stärkerm Maße in Mitteleuropa zur Geltung gekommen
sein? Oder soll man etwa annehmen, daß ohne sein \'orhandensein dort um diese
Zeit noch tropische oder subtropische Verhältnisse geherrscht hätten?
Es ist nicht zu zweifeln, daß sich über dem nordischen Eisfelde wenigstens
im Sommer ein ausgedehntes Gebiet mit hohem Luftdruck ausbilden mußte, das über
Mitteleuropa trockene, antizyklonale Ost- und Nordostwinde zur Eolge hatte. Zugleich
mußte sich infolge der Abkühlung, die das Landeis und seine Schmelzwässer auf den
nördlichen Teil des Atlantischen Ozeans ausübten, das barometrische Minimum, das
jetzt im Wintei’ bei Island liegt, beträchtlich weiter südwärts verschieben und auch
während dieser Jahreszeit vorherrschend ausdörrende Südostwinde über Europa hervorrufen
2).
Dementsprechend ergibt sich als Eolgeerscheinung des Landeises für die nicht-
vereisten Teile West- und Mitteleuropas ein trockenes Klima mit überwiegend heiterm
Himmel. Seine. Winter müssen sehr kalt gewesen sein. Im Frühjahr werden sich
unter dem aiiflockerudem Einfluß der Insolation in diesem Gebiete vorübergehend barometrische
Minima entwickelt haben, die diese Jahreszeit verhältnismäßig niederschlagsreich
machten. Nachtfröste kamen vermutlich bis weit in den Sommer hinein vor.
Mit der steigenden Temperatur verminderte sich die relative Luftfeuchtigkeit, zugleich
wuchsen die barometrischen Gradienten in der Richtung nach dem Landeise, und
heftige Staiibstürme, die Ursache der mitteleuropäischen Lößablagerungen, waren
die Folge Q.
Alles das, sind die Kennzeichen des Steppenklimas. Und dieser Abschnitt der
Diluvialzeit ist es, wo wir in Mittel- und Westeuropa die von N e h r in g so ülier-
zengend nachgewieseuen Steppen zu suchen haben: auf dem Höhepunkte der Eiszeit
glaziale (arktische) oder Tundren mit Lemmingen und Eisfüchsen; beim Rückzuge des
Eises die jenen nachfolgende subarktische Steppe mit Pferdespringern. Zieseln, Bobak,
Pfeifhasen,, Saiga nsw.
Aber nach alledem, was wir über die klimatischen Anforderungen von Ilex
aquifolium, Fagus silvática. Tilia patyphyllos usw. wissen, ist es ausgeschlossen, daß
diese Pflanzen sich unter einem solchen Klima anziisiedeln und spontan aiiszubreiten
vermochten.
Dagegen ist die Möglichkeit zuziigeben. daß Föhren- und Fichtenwälder auch
unter solchen Verhältnissen, selbst in nächster Nähe des Eisrandes bestanden haben.
1) W. W o l f e , Zur Kritik der Interglazialhypothese. Naturw. Wochenschr. 1903, Neue
Folge, Bd. H (p. 7 des Sonderahdruckes).
2) A. G. N a t h o r s t , Die Entdeckung einer fossilen Glazialflora am äußersten Rande des
nordischen Dilnviunis. Öfversigt af Kgl. Vetensk.-Ak.ad. Eörhhandl. 1894, No. 10, ji. 542.
A 'e r e k , Zur Kritik interglazialer Pflanzenahlagerungen. Abh. Naturw. Ver. Bremen 1896,
Bd. XII, p. 483.
M. V a h l , De kvartäre Stepper i Mellemevropa. Geograf. Tidskr., V—VI. Heft, p. 1 7 3 -1 8 3 .
Kopenhagen 1902.
3) M. V a h l a. a. 0 . p. 179.