Von diesen Grundsätzen geleitet, liabe icli, auf Grund meiner langjälirigen
Beobachtungen und Studien, die Vegetation der Balkanhalbinsel nach vollständig neuen
Gesichtspunkten eingeteilt.
So wie die meisten übrigen Pflanzengeographen erkenne auch ich zwei verschiedene
Vegetationsgebiete auf der Balkanhalbinsel, das mediterrane und das mitteleuropäische;
allein den Begriff Gebiet , d. h. die Ausdehnung und besonders die
Gliederung eines solclien, betrachte icli ganz anders, so daß nach meiner Einteilung
die Areale nnd Umrisse der zwei erwähnten Gebiete sich vollständig anders gestalten
als bislier. Die Erläuterung dieser Divergenz der Gesichtspunkte und Meinungen,
sowie die beweisführenden Gründe und Tatsachen für meine Einteilungsprinzipien
werden im folgenden geboten').
A. Mediterranes Gebiet.
Unter Mediterran-Gebiet versteht man jenes Vegetatioiisgebiet, welches die dem
Mittelmeere zunäclist liegenden Länder umfaßt und eine vollständig eigenartige durchaus
xeropliile Vegetation besitzt, die nur diesen Gegenden eigen ist und nur auf dieselben
angewiesen ist.
Der Hauptunterschied zwischen der bisherigen und meiner Auffassung des
Mediterran-Gebietes in den Balkanländern besteht darin, daß ich a u c h d i e Be r g -
und Gebir gs f l o r a als zu di es em Gebi e t e geh ö r en d be t r a c h t e , während diese
bisher von anderen Forschern zum mitteleuropäischen Florengebiete gerechnet wurde.
Diese Auffassung begründe ich auf folgende Tatsachen:
1. Die mitteleuropäischen Waldbäume besitzen in den zum Mediterran-Gebiete
gehörenden Balkanländern eine untere Vegetationsgrenze, was in Mitteleuropa nicht
der Fall ist. So findet man beispielsweise Fagus silvática, Betula alba, Acer Pseudoplatanus,
Ulmus montana, Abies alba u. v. a. fast nie in geringerer Höhe von 800 m.
2. Die meisten mitteleuropäischen Pflanzen besitzen hier eine größere Amplitude
des Verbreitungsgürtels als in Mitteleuropa, so daß manche Talpflanze selbst in
der alpinen Pegion zu flnden ist. Die Buche z. B. bildet hier oft die Baumgrenze
und geht sogar stellenweise als Strauch krummholzartig in die subalpine Region hinein.
3. Voll st ä nd iges Ver s chwi nden wic h t i g e r mi t t e l e u ro p ä i s c h e r Typen
(z. B. Picea excelsa, Pinus Cembra, Larix-Arten, Calluna u .v.a.) u n d Auf t r e t en ganz
be sonde r e r endemi s c h e r Element e .
Da es aber in der Natur im allgemeinen keine scharfen Grenzen gibt, so
hört auch die mediterrane Fiora nicht plötzlich an einem gewissen Punkte vollständig
auf, sondern greift mehr oder minder tief landeinwärts hinein, selbstverständlich immer
weniger typisch, bis sie endlich vollständig von der mitteleuropäischen verdrängt wird.
Es entstellen dadurch Übergangsstrecken, wo stellenweise das eine oder wieder das
andere Element die Oberhand nimmt. Solche Sphären habe ich immer zugunsten der
mitteleuropäischen Flora gerechnet. So habe ich beispielsweise wegen des Auftretens
1) Ausführlicher wird dieses Thema in einer besonderen Abhandlung trätiert, welcher auch
eine pflanzengeographische Karte der Balkanländer beigefügt wird.
der Picea excelsa auf den südbosnischen Hochgebirgen diese ins mitteleuropäische
Gebiet eingereiht, obwohl sie ein sehr großes Kontingent an mediterranen Pflanzen,
ja sogar Formationen besitzen, darunter z. B. herrliche Wälder von Pinus leucodermis.
Zum Mediterran-Gebiet rechne ich das Kroatische Litorale, ganz Dalmatien,
die Südherzegowina entlang der Narenta etwa bis Jablanica hinauf, fast ganz Albanien,
Mazedonien, Griechenland, Thrakien und fast ganz Ostrumelien.
In diesem Gebiete unterscheide ich sieben verschiedene Vegetationsregionen
und sechs Vegetationszonen, die ich folgendermaßen bezeichne:
1. Immergrüne Region. 1. Liburnische Zone.
2. Tieflands- oder Lagunenregion. 2. Dinarische Zone.
3. Submontane oder Mischlaubregion. 3. Griechische Zone.
4. Montane Region. 4. Ägäiscli-thrakisclie Zone.
5. Voralpine Region. 5. Rumelisch-euxinische Zone.
6. Subalpine Region. 6. Scardo-pindische Zone.
7. Alpine Region.
1. Imme r g r ü n e Region.
Sie ist charakterisiert durch das Vorwalten der Macchien (Myrtus, Arbutus,
Erica, Juniperus, Smilax, Pistacia, Rosmarinus, Viburnum Tinus, Rhamnus alaternus,
Calycotome, Spartium usw.) und imme r g r ü n e r Wa l d f o rm a t i o n e n (Pinus hale-
pensis, Laurus, Ceratonia, Quercus Ilex, Q. coccifera, Q. pseudosuber ii. v. a.). Eigentümlich
sind ferner: die Flu ßuf e r forma t ione n (Nerium, Cercis, Vitex agnus castus),
Me e r e s s t r an d fo rma t io n e n (Glaucium, Ambrosia, Statice, Diotis, Pancratium usw.),
F e l s e n f o r ma t i o n e n (Osyris, Crithmum, Ephedra, Centranthiis, Matthiola, Capparis,
Agaven und Opuntien), Fel s en t r i f t en (Phlomis fruticosa, Salvia officinalis, Ballota
rupestris, Phagnalon rupestre, Lavandula-Arten, Andropogon-Arten usw.), T omi l l a r e s
(Thymus, Thymbra, Satureja, Micromeria. Hyssopus, Clinopodium, Calamintha, Cistus,
Helianthemum, Thymelaea-Arten usw.), P h r y g a n a (Poterium spinosum. Astragalus
thracicus, Euphorbia spinosa, E. acantliothamnos, Calycotome usw.) und schließlich
ganz besondere H e c k e n f o rm a t i o n e n (Punica, Zizyplius, Arundo Donax, Paliurus,
Agaven und Opuntien) und K u l t u r e n (Oliven, Feigen, Mandeln, Eriobotrya und an
geschützten Lagen selbst Orangen, Zitronen, Palmen, Kakteen und Bananen ohne
Winterbedeckung). Zypressen kommen hier auch verwildert oft in ganzen Gruppen
und Beständen vor. Unter den weniger wichtigen Formationen ist besonders der
s omme r g rü n e Ei ch enwa l d erwähnungswert.
2. T i e f la n d s - oder Lagune n r eg i o n .
Kommt besonders an den Mündungen bedeutender Flüsse in der Nähe von
Seen und mitunter auch am Meeresstrand selbst (echte Lagunen) oder auf großen
Tiefebenen vor.
Charakteristisch sind an feuchten Lagen besonders die Formationen von
Tamar ix, Aru n d o , Pl a t a n u s und von Vi tex agnus castus; ferner Sumpfwiesen,
Sumpf- und Wasserpflanzenformationen. An trockenen Lagen kommen besondere,
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