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Schwanz verlor, erhält einen neuen Schwanz, ein Salamander, dem ein Rein abgeschnitten
wird, bildet diese Extremität wieder. Derartige Erscheinungen sind bei
Pflanzen viel weniger häutig. Allgemein gültig ist hier, soweit die noch nicht sehr
ausgedehnten Untersnchnngen ein Urteil gestatten, die Regenerationsfähigkeit in der
Form der Restitution tür embryonales Gewebe, jedermann kennt die von Ci e s i e s k i zuerst
entdeckte von P r a n t l , L o p r io r e nnd neuerdings von Simon nnd N em e c näher untersuchte
Regenerationsfähigkeit dei-Wurzelsjiitze, der sich analoge Tatsachen von Sprossen
nnd Blättern anschließen lassen; es sei zur Demonstration hier ein längsgesiialtenes Blatt
von Polypodium Ileraclenm demonstriert, welches seitliche Regeneration der beiden
S{)altstücke zeigt. Bei nicht embryonalem Gewebe aber treten direkte Ersatzbildungen
bei Pflanzen offenbar nnr unter besonderen Umständen ein. Auch die von H i l d e -
BRAND zuerst gefundene, später von W in k l e r nnd mir näher nntersnchte Regeneration
der Blattspreiten an den Primärblättern von Cyklamen ist meiner Ansicht nach keine
Restitution. Es wird nicht an dem abgeschnittenen Stummel eine Neubildung einer
Blattspreite eingeleitet, sondern diese flndet seitlich statt an den Stellen des Blattstiels,
an welchem normal die S])reitenhildimg geliemnit ist, die aber bei diesen Primärblättern
(nicht aber bei denen älterer Pflanzen) noch entwicklungsfähig, wir wollen, um einen
kurzen Ausdruck zu haben, sagen; relativ embryonal geblieben ist. Der Pflanzenkörper
aber unterscheidet sich ja eben dadurch wesentlich vom Tierkörper (wenigstens
wenn wir beiderseits verhältnismäßig hoch gegliederte Formen ins Auge fassen), daß
er meist sehr zahlreiche Stellen besitzt, welche embryonalen Charakter behalten haben;
es sind dies einerseits die Vegetationspunkte, andererseits Stellen, die wir nicht als
Vegetationspunkte bezeichnen können, die aber weniger differenziert sind als andere,
ich möchte sie als embryonale Stellen zweiter und dritter Ordnung bezeichnen; es
wird bei Besprechung der Blattregeneration darauf zurückzukommen sein. Hier ist
nochmals hervorzuheben, daß diese embryonal gebliebenen Stellen es sind, welclie bei
Verletzungen am raschesten dni'ch Neubildungen reagieren, und daß darauf auch der
Unterschied zwischen pflanzlicher und tierischer Regeneration in erster Linie ziirück-
zuführen ist. Ja, es erscheint wahrscheinlicli, daß vielfach das Vorhandensein des
embryonalen Gewebes nicht nur das Auftreten von Neubildungen an anderen Stellen
verhindert, sondern auch die Danerzellen in einen Zustand versetzt hat, welcher sie
zn Neubildungen unfähig macht. Embryonale und Dauerzellen unterscheiden sich nicht
nnr durch den relativen Reichtum an Protoplasma, das embryonale Gew'ebe der Vegetationspunkte
des Kambiums usw. lebt (wie N o l l ') sich mit Recht ausdrückt) gewissermaßen
als Schmarotzer auf Kosten des Dauergewebes und entzieht diesem Stoffe, welche
den Verlust der Entwicklungsfähigkeit, sei es zeitweilig, sei es für immer zur Folge
haben, ganz abgesehen von anderen Begleiterscheinungen, welche sich beim Übergang
von den embryonalen in den Dauerzustand einstellen. Ein zutreffendes Bild dafür
gewährt das Verhalten der Farniirothallien: ihr Wachstum geht in den Dauerzustand
über, so bald sich ein Embryo gebildet hat, dem die Baustoffe Zuströmen, und
während sonst hei Beseitigung des Vegetationspimktes eines Prothalliums Adventiv-
L) Beobachtungen und Betraclitungen über embryonale Substanz. Biolog. Zentralblatt.
prothallien an ihm auftreten, erfolge dies nicht an Prothallien, welche Embryonen zu
ernähren haben. Diese unterdrücken — wenigstens in den meisten Fällen — nicht
nur das Meristem, sondern auch die Regenerationsfähigkeit des Prothallinms. Ebenso
sehen wir, daß bei Propfnngen, wenn das Edelreis anwächst, die Wurzelbildung an
ihm unterdrückt wird, weil der Zusammenhang mit dem Wurzelsystem der Unterlage
hergestellt ist, während eine Unterbrechung dieses Zusammenhangs, z. B. durch Ringe-
hmg eines auf Peireskia gepfropften Epiphyllums, die Wnrzelbildung hervorruft.
Diese Tatsachen leiten ohne weiteres über zu der Frage nach den
§ 2. Reizen, welche die Regeneration hervorrnfen.
Wenn wir ein Stück einer Pflanze, z. B. ein Blatt von ihr entfernen und daran
Neubildungen auftreten sehen, so können wir als den Reiz, welcher die Neubildungen
hervorruft, zweierlei in Betracht ziehen: einmal die Verwundung als solche, und dann
die Unterbrechung des Zusammenhangs mit ändern Organen').
Daß Verwundung Veranlassung zu Nenbildimgen geben kann, zeigen ja die
Erscheinungen der Vernarbung (im weitesten Sinne). Daß aber bei der Regeneration
nicht — wie man teilweise angenommen hat — die Verwundung als solche in erster
Linie in Betracht kommt, sondern die Anfhebnng des Zusammenhangs mit ändern
Organen ließ sich für eine Anzahl von Fällen deutlich feststellen. Die Regenerations-
erscheiniingen sind mit ändern Worten bedingt durch Korrelationen.
So treten bekanntlich an abgetrennten Blättern von Begonia nnd Utricularia wie
bei denen vieler anderer Pflanzen Adventivsprosse an bestimmten Stellen auf. Ahei es
ist nicht notwendig, die Blätter von der Sjiroßachse zu trennen. Vielmehr ließ sich
zeigen, daß bei Begonia Rex und Utricularia Aventivsprosse auf den Blättern auch
ohne daß jene abgetrennt werden, dann auftreten wenn sämtliche Sjiroßvegetations-
pnnkte entfernt werden"), die Entfernung oder auch die Inaktiviernng der Spioß-
vegetationspunkte bedingt also das Auftreten der Adventivsprosse. Ohne Zweifel
ließe sich dasselbe Resultat, wie K l e b s ") hervorhebt, auf anderem Wege erzielen.
Denn die Entfernung der Sproßvegetationspnnkte bedingt nach meiner Auffassung
daß diese nicht mehr als Verbrauchsstätten für Baustoffe in Betracht kommen, in
den Blättern also eine sonst nicht eintretende Nälirstoffanhäufung eintritt. Eine solche
kann wahrscheinlich auch auf andere Weise herbeigeführt und damit auch ohne Entfernung
der Sproßvegetationspunkte die Bildung von Adventivsprossen aut festsitzenden
Blättern von Begonia und Utricularia veranlaßt werden, wie wir ja bei einigen
Arten dieser Gattungen ein spontanes Auftreten solcher Sprosse kennen. Für gewöhnlich
aber unterbleibt die Bildung der Adventivsprosse eben wegen des Vorhandenseins
der normalen Vegetationspnnkte; die Fähigkeit, Adventivsprosse zu bilden,
1) Vgl. (xOEimn, Weitere Studien über Regeneration. Flora, Bd. XCIT (1903), p. 133.
2) G o e b e l , Weitere Studien über Regeneration. Flora, Bd. XCII (Jahrg. 1903, p. 132), und
Über Regeneration bei Utricularia, ibid., Bd. XCIIl (1904), p. 98.
3) K l e b s , Willkürliclie Entwicklungsänderungen l)ei l’flanzen, Jena 1903, nnd Biolog.
Centralblatt 1904, p. 611.