Mittelteniperatur während der Monate August und September, geherrscht hat, hat
G. A n d e r s s o n geführt, indem er zeigte, daß zu der Zeit, wo die Fichte zwischen
63 lind 640 n. lir. noch nicht als waldbildender Baum existierte, die Hasel bis zu
()3" 42.3' 40—00 km von der Küste und 120 m über dem Meer verbreitet war, daß
sie seitdem von Norden und Westen zurückweichend, mehr als ein Drittel ihres ene-
maligen \'erbreitungsgel)ietes eingebüßt hat, daß mit der Hasel auch Birken, Erlen,
Es])eii. Ahlkirschen. Ebereschen, Linden, Ulmen, Ahoriibäiinie, im südlichsten Noridand
und in Svealand auch Eichen eine bedeutendere Verbreitung hatten, als gegenwärtig.
Den iimfaiigreichen und erfolgreichen Untersuchiiiigen postglazialer Ablagerungen
in Skandinavien stehen bei weitem weniger aus Mitteleuropa') gegenüber;
aber dieselben tragen im N'erein mit den gegenwärtigen Verbreitungserschemungeii
der mitteleuropäischen Flora dazu bei. eine Vorstellung von dem Zustandekommen
der letzteren zu gewinnen.
Nicht bloß in Norddeiitschland, sondern auch im nördlichen Ungarii war die
postglaziale Entwicklung der Waldfiora im wesentlichen durch das successive Auftreten
von Zitterpappel und Birke, Kiefer, Eiche und Buche bezeichnet; m Holstein
trat die Eichte mit der Kiefer auf. in Nordungarn nach der Eiche ( S t a u b ) . Die
Existenz einer ])Ostgiaziafen Steppenperiode in Mitteleuropa durch fossile Ptlanzen-
fuiide zu begrüiideiC ist bis jetzt nicht gelungen, sondern man kann diese Annahme,
abgesehen von den aus der gegenwärtigen Verbreitung der Stei>penpilanzen gezogenen
Schlußfolgerungen, nur durch die von N e h r i n g seit lS7ß nachgewiesenen fossilen
Vorkommnisse von wenigstens 12 charakteristischen Steppentieren in Mittdeuropa
unterstützen. N e h r i n g war schließlich zu der Ansicht gelangt, daß die Steppenlandschaften
Mitteleuropas während der von ilim angenommenen zweiten Interglazialzeit
und nach der dritten Eiszeit wie heute noch in Westsibirien v o n Waldkomplexen,
Seeen und Mooren durchsetzt waren. Mit einer derartigen Anscliaiiung vertragen
sich auch die bereits erwähnten Funde, weiche von K e i l h a c k , von F i s c h e r - B e n z o n
und W e b e r in den Mooren Nord- und Mitteleuropas gemacht und mit größerer
oder geringerer Wahrscheinlichkeit in die Interglazialzeit versetzt wurden. Interessant
ist. daß in solclien interglazialen Mooren zwei Sumiif- und Wasserpflanzen auftreten,
welche gegenwärtig in Europa nicht mehr Vorkommen, wohl aber noch in Nordamerika,
nämlich die Nymphaeacee Brasenia purpurea Michx. und die Cyperacee Dulichium
spathaceum Pers., letztere bis jetzt nur in Mooren Dänemarks L> nachgewiesen. Es
sind dies Seitenstücke zu den früher erwähnten Bäumen des europäischen Tertiärs,
welche gegenwärtig noch in Nordamerika lebend existieren, Seitenstücke auch zu
einigen iioch jetz lebenden Arten, welche nur Irland und das nordwestliche Noiwegen
mit Noi'damerika gemein haben. Wir haben gesehen, welche reiche Gehölzfloia im
IMittelmeergebiet nocli in iler jüngeren Tertiärperiode herrschte, und wir wissen auch,
] ) Eine ziemlich vollständige Zusammenstellung der darauf bezüglichen Literatur findet
man in E xgi.e r : Die Entwicklung der rflanzengeographie in den letzten 100 .Tahren, Berlin 1899,
]i. 2 14—219.
2) N. llARTZ in Danmarks geol. Undersógelse, II. B. h. 9, p. 4 u, 75; Geol. Eören iii Stock.
Förh., Bd. XXII., p. 150; Engl. Bot. Jahrb., Bd. XXXVI, p. 7 8 ff.
daß im südwestlichen Teil des Alpenlandes die Vergletscherung keine vollständige
war. Es waren kurz vor der Eiszeit, vielleicht auch in der Interglazialzeit im Westen
Europas mediterrane Tyjien weiter nach Norden verbreitet, als gegenwärtig. So kommen
in den 'Luffen von Celle bei Moret (Dep. Seine et Marne), nur wenig südlich von
Paris vor; Ficus carica, Laurus nobilis, Cercis siliquastrum, Buxus; und etwas weiter
östlich, bei Resson. liatte F l ic h e in quaternären Tuffen Juglans regia, Buxus und
Acer opnlifolium nachgewiesen. Ferner hat derselbe Autor mit B l e ic h e r erheblich
nördlicher, bei Perle au Presle im Departement Aisne, nördlich von Reims, Reste
der Feige (Ficns carica) und des Judasbaumes (Cercis siliquastrum) aufgefunden.
Einige der genannten Funde sind auch von großer Bedeutung für die Geschichte
einzelner Kulturpflanzen. Sie zeigen zweifellos, daß die Feige, der Lorbeer, der
Weinstock seit der Tertiärperiode bis in die Gegenwart ununterbrochen in Europa
heimisch gewesen sind und daß die entgegengesetzten Vorstellungen V ik t o r H e h n s ,
welche er in seinem geschätzten Werke „Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem
Übergang ans Asien“ auf Grund historischer und linguistischer Forschungen zum
Ausdruck brachte, zum Teil unrichtig sind, daß eben sehr viel kultivierte Arten der
Mittelmeerländer Europas nicht aus Asien eingewandert, namentlich nicht durch den
Menschen eingeführt sind. Dies gilt nur für die Heimatsbestimmung der Art ; die
Ku l t u r r a s s e n derselben können sehr wohl aus Asien eingewandert und für die
Herkunft dieser auch die historischen und linguistischen Forschungen von Bedeutung
sein; es ist klar, daß in dem Gebiet einer Völkerschaft eine Pflanze längst existiert
haben kann, bevor diese Völkerschaft von einer ändern die Verwendung der Pflanze
kennen lernte; es ist ferner zweifellos, daß eine weniger betriebsame und in der
Kultur zurückstehende Völkerschaft auch dann, wenn von einer anderswo durch die
Kultur veredelten Pflanze in ihrem eigenen Lande die minderwertige Stammform
vorkommt, es doch sein' leicht vorziehen wird, durch Tausch oder Kauf die veredelte
Rasse zu erwerben, als selbst aus der heimischen Form eine edle Rasse zu erziehen.
Dies sind im wesentlichen die Grundzüge der Veränderungen in der Vegetationsdecke
Europas seit der Tertiäriieriode. Sie erscheinen bedeutend, wenn wir
die Verschiebungen der Florenelemente und die Entwicklung der Formationen im
Auge behalten, wenn wir bedenken, daß ein Teil des Florenelements, welches wir
heute auf den makaronesischen Inseln, in Abessinien und anderen Teilen Afrikas
finden, ebenso wie ein Teil des jetzt auf Nordamerika und Ostasien beschränkten
Florenelements in Europa reichlich vertreten war, wenn wir ferner berücksichtigen,
daß ein großer Teil der Hochgebirgsformen von Norden und Osten hergekommen ist.
Anderseits erscheinen uns die Veränderungen ziemlich unbedeutend, wenn wir die
Pflanzenformen selbst ins Auge fassen; der größte Teil der fossilen Pflanzenreste,
deren Erhaltung eine wissenschaftliche Bestimmung gestattet, gehört Formen an, von
denen Verwandte heute noch in diesem oder jenem Teile der Erde erhalten sind;
-minimal erscheinen uns aucli die Veränderungen, welche die in der Gegenwart beobachteten
Neubildungen zeigen, im Verhältnis zu der großen Mannigfaltigkeit der Pflanzengestalten.
Jedoch sind uns solche leichter verständlich, wenn wir berücksichtigen,
daß sehr frühzeitig schon v o r d e r Tertiärperiode die Hauptstämme der zahlreichen