auf eine so kosmopolitische und im Detail ilirer Artenvei-breitnng so wenig bekannte
Ordnung wie die der Diatomazeen beziehen, keinen höheren wissenschaftlichen Wert
beilegen, zumal wenn es auf so feine Diftereiizen wie hier ankommt.
Mit großem Nachdruck hebt M u n t h e alle Tatsachen hervor, die für em
intei'glaziales Alter im gewöhnlichen Sinne — d. h. eine vollständige Abschmelzung
des Landeises in Skandinavien während der Ablagernngszeit der Gyttja — sprechen
können. Er legt dabei besondei-es Gewicht auf das Vorkommen der nach Mj ö b e r g
ansgestorbenen Insektenarten und auf das Anffinden eines Samens einer Konifere (V),
der nach den Untei-suchungen von L a g e r h e im und S e r n a n d e r weder ein gewöhnlicher
Kiefern-, noch Fichten- oder Lärcliensamen sein kann. Auch dem von L a g e r h
e im hervorgehobenen Fehlen von bestimmbaren Rhizopodenschalen wird ein großes
Gewicht beigelegt. Solche sind von ihm in den postglazialen, aber nicht in den
südlicheren interglazialen Ablagerungen gefunden worden.
Da die angeführten Forscher nicht mit vollständiger Sicherheit sagen können,
ob es überhaupt ein Konifei-ensame ist, scheint mir diese Stütze vollkommen wertlos.
Für einen Nichtentomologen ist es natürlich schwierig, den Wert der von M j ö b e r g
neu beschriebenen Arten und noch mehr die Wahrscheinlichkeit, dieselben noch lebend
zu ünden. zu beurteilen. Es wäre jedoch ein eigenartiger Zufall, wenn die beiden
— so weit man aus den Beschi'eihuugen ersehen kann — einzigen gefundenen Käfer-
Hügel wirklicli auch zwei ganz ansgestorbene Arten repräsentieren sollten, während
al le sicher bestimmbaren Pflanzenreste nocli den in diesen Gegenden lebenden Arten
angeliören. Der Botaniker, sich erinnernd, wie es den „ausgestorbenen“ Gattungen
(Sclerocarpns, Paradoxocarpus, Cratopleura) und Arten, die im Beginne der Erforsclmng
der quartären Flora beschrieben wurden, ergangen ist, verhält sich auch etwas reserviert
gegen neue Arten, die sich aut einen einzigen Deckflügel gründen. Die Abwesenheit
von Rhizopodenschalen ist jedenfalls bemerkenswert, aber erst wenn es aus
anderen Gründen sehr wahrscheinlich wird, daß die Ablagerung interglazial sei,, kann
dieser negative Beweis eine gewisse Bedeutung erlangen.
Lassen sich also meiner Meinung nach nur sehr schwache paläontologische
Stützen vorführen für eine Parallelisierung der siibmoränen Gyttja bei liernö und der
interglazialen Ablagerungen auf dem Kontinent, so ist doch die statigraphische Stellung
dieser Ablagerung von größtem Interesse.
Schon H o l s t hat darauf aufmerksam gemacht, daß die oberlagernde Moräne
eine ausgeglittene Partie sein kann. Was M u n t h e dagegen angeführt hat (1. c. p. 342),
scheint mir wenig beweisend. Die Ablagerung liegt zwar auf einer ziemlich flachen
Böschung, aber wer die Verhältnisse z. B. von Värdalen in Norwegen gesehen hat,
wo vor einigen Jahren bedeutende Rutschungen stattfanden, oder die weiten Profile
der Insel Hven, wo iclG) mächtige Moränen au f Uferwällen mit neolithischen Gegenständen
gefunden habe, der kann die Möglichkeit gar nicht verleugnen. Aber eine
andere Möglichkeit scheint mir nicht unwahrscheinlich. Wenn man das von M u n t h e
gegebene Profil betrachtet (Fig. 2), ist es sehr unwahrscheinlich, daß die submoränen
I ) Ymer, Bd. 22 (1902), p. 96.
Ablagerungen, besonders die Gyttja, sich so haben absetzen können, wie sie in dem
Profil gefunden sind. Die Gyttjas setzen sich in flachen, stillen Becken ab, und ich
glaube, daß man vergebens (auch bei Einmischung von Sand) nach Gyttjalagern suchen
würde, die sich abgesetzt liätten über Kies- und Sandlagern mit einem Bodenrelief
wie dem des Profils. Es scheint mir also, als könn t e die ganze Ges chi cht e ein
in der Mor ä n e e in g e l a g e r t e r Block sein, von demselben Typus wie wir ihn oben
aus Dänemark kennen gelernt haben. In diesem Falle bedeutet die jetzige Lage in
der Nähe des Meeresniveaus gar nichts für die Deutung der Lagerungsverliältnisse,
denn solche Blöcke können vom Eis sehr weit transportiert werden, wie die riesigen
sclionischen Ki-eideblöcke zeigen. Über die Herkunft der Moräne teilt Mu n t h e gar
nichts mit, er sagt aber, daß der unterliegende Kies Schieferstücke, die von NW. (Täsjö)
stammen, enthält. Es scheint mir also keine Beobachtung vorznliegen, die gegen die
Annahme spräche, daß die in dem Profil entblößten Ablagerungen hier von einem
lokalen Gletscher abgesetzt sind, dei- sich bei dem oben besprochenen, am Ende der Eiszeit
erfolgten nochmaligen kleineren Vorrücken des Landeises bildete. Der boreale
Charakter der Flora stimmt auch sehr gut damit überein, wenn dieselbe aus einer
Oszillation der Eisverbreitung stammte, die nur die zentralen Gebiete der früher
vereisten Teile Europas mit einer neuen Eiskappe deckte.
Ich will ausdrücklich betonen, daß ich gar nicht meine, daß diese Deutung
der Hernöproflle die endgültige sein könnte, denn auch die schöne Bearbeitung, die
Mu n t h e geliefert hat, macht eine solche g a r ni cht mögl ich, aber ich meine, daß
die beiden oben gemachten Deutungen eine ebenso große statigraphische und eine noch
größere allgemein geologische Wahrscheinlichkeit haben, wie die von M u n t e als die
wahrscheinlichste angesehene Annahme einer vollständigen Abschmelzung und Neuverbreitung
des skandinavischen Landeises.
Eine kritische Sichtung der bekannten Tatsachen führt also für den peripherischen
Teil des nordischen Vereisungsgebietes zur Annahme wechselnder Perioden
von einerseits kaltem Klima mit Ausbreitung des Landeises und andererseits von
warmem Klima, das mehr mit dem jetzigen als mit dem glazialen übereinstimmte,
während in Skandinavien-Finnland nicht so große Schwankungen zu spüren sind,
sondern eine dauernde Eisbedeckung anzunehmen ist.
Man kann sich natürlich mit Feststellung dieser Tatsache begnügen, aber einer
Erklärung muß natürlich immer ziigestrebt werden. Eine solche scheint mir darin
liegen zu können, daß a u f d ie ba l t i s ch e Ei s z e i t (Mecklenbnrgian G e i k i e s , Würmeiszeit
P e n c k s und B r ü c k n e r s ) nicht mi r wie in f rühe r en Int e rgl a z i a l z e i t e n eine
a l lgeme ine Ve r b e s s e r u n g des K l imas gef o lg t ist, s onde rn im Nordwe s t en
Europa s auch eine b e s o n d e r e S t e i g e r u n g der Wä rme s umme des J a h r e s
durch den Bruch der bis dahi n e x i s t i e r en d e n La n d v e r b in d u n g (oder
wenigs tens des s ei cht e n Meeres) zwis chen den Bri t i s c he n Ins e l n und I s land-
Grönland. In demselben Augenblick, wo die warmen Wassermassen des südlichen
Atlantischen Ozeans vom Golfstrom nach Norden geführt wurden, wirkten die beiden
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