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mitwirken, welche aber — aus bisher noch nicht aufgeklärten Gründen — nur unter
Vermittlung des Chlorophjdls oder gewisser Äquivalente desselben zu intervenieren
vermögen.
Hat sich aber einmal anf diese Weise die Synthese der Protoplasmamoleküle
vollzogen, dann kann man ohne jede Schwierigkeit verstehen, wie aus dem Zerfall
dieser überaus komplizierten nnd hochgradig labilen Verbindungen die mannigfaltigsten
Zerfallsprodukte Stärke, Zellulose, fette Öle, aromatische Verbindungen, Säuren nnd
Gerbstoffe, Eiweißkörper etc. — hervorgehen können. Daß aber die Stärke mit besonderer
Vorliebe, wenn auch nicht ansschließlich, an jenen Stellen zum Vorschein
kommt, wo die Anwesenheit des Chlorophylls die Heranziehung der einzigen äußeren
Kohlenstoffqnelle zur Synthese neuer Moleküle des Protoplasmas ermöglicht, das
darf lins nicht überraschen, weil mit jeder Bildung neuer solcher Moleküle immer
auch wieder die Möglichkeit ihres Zerfalls und der Bildung von Zerfallsprodukten
gegeben ist.
Stelle ich nun dieser metabolischen Auffassung der Kohlensäureassimilation
und der Stärkebildnng, welcher meines Wissens keine einzige Beobachtnngstatsache
entgegensteht, die verschiedenen katabolischen Hypothesen gegenüber, so ergibt sich
bei diesen eine ganze Reihe von Bedenken und Schwierigkeiten, von denen ich
heute nur die wichtigsten in knappen Zügen skizzieren kann.
1. Denkt man sich die Mitwirkung des Protoplasmas bei den katabolischen
Prozessen aufsteigender nnd absteigender Richtung im Sinne der molekular-physikalischen
Hypothese durch Schwingungen seiner Moleküle vollzogen, welche ihre
Enei'gie auf die Nahnmgstoffe übertragen, dann kann man unmöglich verstehen, wie
derselbe Nahrnngsstoff (z. B. Zucker) durch dieselben Schwingungen einmal zum Eintreten
in höhere Verbindungen (z. B. Stärke oder Zellulose oder Eiweiß) nnd dann
w'ieder zu oxydativen Spaltungen (mit Bildung von Kohlensäure nnd Wasser) veranlaßt
werden soll.
2. Denkt man wieder an enzymatische Vorgänge, dann müßte man erstens
neben den spaltenden auch synthetische Enzyme, deren man bisher nicht liabhaft
werden konnte, supponieren, und wenn diese letzteren, obwohl es vielfach bezweifelt
wird, dennoch existieren sollten, dann könnte man wieder nicht begreifen, wie die
Rollen zwischen den beiden antagonistiscli wirkenden Kategorien so wunderbar verteilt
sein können, daß jedesmal die eine ihre Wirkung einstellt, wenn die andere
ihre gegenteilige Wirkung entfalten soll. Diese Rollenverteilung aber den „intelligenten
Kräften“ der neueren Vitalisten zn übeiffassen, dazu dürften vorläufig nicht viele
Naturforscher bereit sein.
3. Folgt man der Hypothese von L i e b ig und R o c h l e d e r und führt den
Weg der aufsteigenden Synthese von Kohlensäure und Wasser über Ameisensäure,
Oxalsäure und andere Pflanzensäuren bis zu den Kohlehydraten, dann scheitert diese
Hypothese — ganz abgesehen davon, daß sie nicht die Kräfte namhaft machen kann,
welche diese lange Reihe von Umwandlungen bewirken sollen — schon von vornherein
an dem Umstande, daß der grüne Farbstoff schon durch Spuren von organischer
Säure zerstört wird.
4. Folgt man dagegen der populär gewordenen Hypothese von Ba e y e r , welcher
zuerst aus Kohlensäure Formaldehyd und aus diesem durch Kondensation Zucker
entstehen läßt, dann müßte man dai'an vergessen, daß Formaldehyd eines der stärksten
Protoplasmagifte ist, welches eben dasselbe Protoplasma zerstört, unter dessen Einwirkung
seine Umwandlung in Zucker bewerkstelligt werden soll.
5. Wenn die Kohlensäure, bevor sie in Zucker oder Stärke verwandelt wird,
Zwischenstufen wie Ameisensäure oder Formaldehyd passieren müßte, dann müßten
diese intermediären Produkte unbedingt einen Nährwert für die Pflanze besitzen.
Aber Ameisensäure kann von keiner Chlorophyllpflanze in ihrem Stoffwechsel vei'wertet
werden, und Formaldehyd ist das Gegenteil einer Nahrung, nämlich ein Gift der
stärksten Art für alles lebende Protoplasma G-
6. Das häufige Erscheinen der Stärke in den Chloropliyllkörpern kann nicht
als Beweis dienen für ilu'e Entstehimg aus Kohlensäiu'e, weil Stärke auch in Teilen
erscheint, wo von einer Umwandlung von Kohlensäure in Stärke nicht die Rede sein
kann. Auch kann Stärke (und Zellulose) in Pflanzen gebildet werden, die von außen
gar keine Kohlensäure, sondern nur Zucker als Kohlenstoffiiiielle beziehen.
7. Da eine Wanderung von Stärkekörnern durch die Zellwände und durch
komplizierte Protoplasmastrukturen hindurch ans mechanischen Gründen nicht verständlich
ersclieint, müßte die Stärke überall, wo kein Chlorophyll vorhanden ist, auf
eine ganz andere Weise gebildet werden als in den Chlorophyllorganen. Dieser
Schwierigkeit entgeht man, wenn man sie eben wie alle anderen tierischen und
lifianzlichen Reservestoffe (mit Einschluß des ihr so nahe verwandten Glykogens) aus
dem Zerfall von Protoplasma hervorgehen läßt.
8. Da man aus guten Gründen zu der Annahme gelangt ist, daß die Zellulosen
der Zellwände nicht durch anfsteigende Synthese, sondern entweder als Sekrete
des Pi'otoplasmas oder durch seine Umwandlung (d. h. also wohl als Zerfallsprodukte
seiner labilen Moleküle) anzusehen sind, so ist es in hohem Grade unwahrscheinlich,
daß die so nahe verwandte Stärke und die anderen Kohlehydrate, obwohl auch sie
immer nnr in protoplasmatischen Gebilden zum \mrschein kommen, anf einem ganz
entgegengesetzten Wege gebildet werden.
9. Da Stärke auch in völlig stärkefrei gemachten Blättern gebildet werden
kann, so hätte man eigentlich vom Standpunkte des Katabolismus gar nicht das Recht,
von einer „Assimilation“ der Kohlensäure zu sprechen, weil hier gar keine assimilierenden
Moleküle vorhanden wären, nämlich keine chemischen Verbindungen, welche die Assimilanden,
zu denen auch die Kohlensäure gehört, dazu bringen, sich zu neuen chemischen
Einheiten, die ihnen gleich oder ähnlich sind, zu verbinden. Es würde sich also gar
nicht um eine Assimilation, sondern um eine Generatio spontanea der Stärkemoleküle
1) Dieser Eimvand ist nicht dadurch zu entkräften, daß V e r b i n d u n g e n von Formaldeliyd
nährend wirken können, weil es in diesen Verbindungen seine Giftwirkung verliert.