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in einigen anderen, mit unbekannter Herkunft der kryptomeren Elternform, dürften
die sogenannten Kreuzungsnova nichts anderes darstellen, wie stammelterliche Merkmale,
welche nach vorübergehender Latenz neuerlich manifest werden. — Doch will ich
damit keineswegs sagen, daß sämtliche latente Merkmale bezw. Kreuzungsnova
atavistischer Natur seien. Gewiß sind wohl viele kryptomere Rassen nicht auf einfache
Kreuzung und Aufspaltung, sondern auf Spontanmutation oder auf eigentliche Hybridmutation
zurückzuführeii. Die Bildung von Defektformen, z. B. des makellosen Pisum
arvense oder des weißblühenden Phaseolus multiflorus ist als eine retrogressive Mutation,
die Bildung des rosablühendeu oder marmoriertsamigen Pisum arvense als eine degressive
Mutation zu bezeichnen. Die kryptomeren Formen sind also anzusehen als latent
veranlagt zur sprungweisen Änderung ihres Rassencharakters, als eventuell vor einer
Spontanmutation stehende Formen.
Nicht minder interessant als die eigentlichen Kreuzungsnova erscheint das
neuerliche Auftreten stammelterlicher Merkmale an solchen Abkömmlingen aus einer
ursprünglichen Kreuzung, welche jener Merkmale entbehren und bei Inzucht bezw.
isomorpher Xenogamie bereits konstant sind. Solche Formen sind als ei nfache
Kryptohybriden zu bezeichnen. Bei einer neuerlichen Kreuzung mit andersgearteten
Abkömmlingen aus derselben ursprünglichen Kreuzung oder mit einer der Elternrassen
oder mit einer geeigneten fremden Rasse lassen sie ihren latenten atavistischen Besitz
hervortreten. Es fanden sich Individuen dieser Art in gewissen Kreuzungsfällen
sowohl unter den bereits konstanten Trägern des dominierenden Merkmales als unter
den samenbeständigen Trägern des rezessiven Merkmales. So hatte ich aus einer
roten und einer weißen Levkojenrasse von der zweiten Generation ab violette,
aschviolette, rosafarbene, aschrosafarbene und weiße Kreuzungsdeszendenten erhalten.
Einzelne Träger der genannten Pigmentierungen erwiesen sich als bereits konstant,
verrieten jedoch bei neuerlicher Fremdkreuzung den latenten Besitz bestimmter
anderer Farbstufen. Ein gleiches zeigten die von den einzelnen Farbgruppen abgespaltenen
Albinos — obwohl äußerlich einander gleichend, zeigten sie doch bei neuerlicher
Fremdkreuzung einen verschiedenartigen Charakter. — Auch die mitunter
beobachtete Mehrgestaltigkeit oder Pleiotypie der ersten Mischlingsgeneration bei
Kreuzung verschiedener Rassen, z. B. bezüglich der Blütenfarbe (Verbenen, Primeln.
Levkojen und Antirrhinumj oder bezüglich der Behaarung unter Levkojen — könnte
auf kryptohybride Natur eines oder beider Eltern hinweisen.
Zweifellos besteht demnach die Möglichkeit, daß aus einer Kreuzung konstante
Träger eines Merkmales resultieren, welche noch die Anlage zu dem konkurierenden
stammelterlichen Merkmale latent in sich enthalten.
Nach dem Gesagten können wir wohl die Erkenntnis als gesichert bezeichnen,
daß eine gesetzmäßige Manifestation von latenten Merkmalen durch Fremdkreuzung
ausgelöst werden kann, daß die Hybridisation einen gewichtigen Faktor für die
Rassenmutation (nach de Vr i e s ), ein wichtiges experimentelles Hilfsmittel für die
Systematik und die Abstammungslehre wie auch für die praktische Pflanzen- und
Tierzüchtung darstellt. Die Ursachen für die Entstehung neuer Merkmale an sich,
die Grundlagen der progressiven oder Artmutation bleiben allerdings unaufgeklärt.
4. Eine auf die Struktur und Entwicklungsgeschichte
begründete Klassifikation der Uredineen.
Von ,1. C. A rth u r , Prof. an der Purdue Universität, Lafayette, Indiana.
Die Klassifikation der Uredineen ist bis jetzt für den systematischen Myko-
logen ein Problem gewesen, das nur eine ungenügende Lösung gefunden hat.
Einige von den Schwierigkeiten mögen ihre Erklärung finden in der großen Verschiedenheit
der Entwicklung, dei' Kompliziertheit des Lebenslaufs, den Veränderungen
infolge des Parasitismus und im Mißlingen der Bestrebungen, den Verlauf oder die
wirkliche Natur und den Sitz geschlechtlicher Vorgänge zu erkennen.
Das ausschließliche Interesse der Uredinologen von den Zeiten P ersoons
bis auf den heutigen Tag hat sich auf die zahlreichen Arten des Genus Puccinia und
seines Konsorten Uromyces konzentriert, und hier fast ausschließlich auf die Teleuto-
sjioren. Die Teleutosporen dieser Gattungen sind sehr in die Augen fallend und
lassen sich behufs mikroskoiiischer Untersuchung leicht loslösen, da sie nur lose in
einem nackten Lager vereinigt sind. Ihre verhärteten Wände, die sie für den Ruhezustand
geeignet machen, weisen eine dunkle Farbe und verschiedenartige Skulptur
auf, und dies macht sie zu schönen Objekten für mikroskopische Untersuchungen.
Diese hervorrageudeu Züge haben die Uredinologen davon abgehalten, anderen Sporenformen
die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und die große Bedeutung
der Kenntnis der vollen Entwicklungsgeschichte einer jeden Art als Erfordernis für
ihre spezifische Bestimmung in Schatten gestellt. Infolge dieser Situation ist die
Klassiükation auf der Grundlage natürlichei' Verwandtschaft am wenigsten in der
von dem Genus Puccinia und Uromyces repräsentierten Gruppe fortgeschritten und
am meisten in dei- Grupiie der Melampsoraceeu, wo die Teleutosiioren weniger in die
Augen fallen und sich viel weniger leicht untersuchen lassen, daher die anderen
Sporenformeu mehr in den Vordergrund treten.
Um ein auf natürlicher Gruppierung beruhendes Klassifikationssystem auf-
zuhaueu, war es zu allererst wünschenswert, zwischen solchen Merkmalen, die von
der Anpassung an die Umgebung abhängen, und solchen zu unterscheiden, die wesentlich
zur Natur der Arten gehören. So kann mau die Germiiiatiou der Teleutosporen
uumittelhar nach der Reife oder nach einer Ruheiieriode als einen untergeordneten
Anpassungszug ansehen, und deshalb ist die Einteilung Sc h r o e t e r s in Lepto- und
Mikroformeu außer acht gelassen worden. Aus ähnlichem Grunde sind die „Auteu“-
und “Hetero“-Eoi'men nicht getrennt worden.
Nach Beseitigung einiger geringfügiger Schwierigkeiten ti-at die Notwendigkeit
ein, zwei grundlegende und voneinander imahhängigc Fragen zu beautworteu: 1. In
welchem Stadium des Eutwickluugszyklus existierte der geschlechtliche Prozeß oder
dessen Ä(iuivaleiitV uml 2. Welches ist die geschichtliclie Eutwickluug der Sporeu-
formen, d. li. besaßen die Roste ui'sprünglich alle S])0)'enformen mul verloren sie in
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