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Die hier bereits ausgesprochene Auffassung der höheren Lebewesen als ein
Doppelwesen wurde von d e Vr i e s in seinem wichtigen Vortrag über Befruchtung und
Bastardierung 1903 wieder anfgenommen und weiter ausgearbeitet.
Da DE Vr ie s seine Abhandlungen ohne Figuren publiziert hat, ist es nicht
ganz leicht, sich eine detaillierte Vorstellung über das Verhalten der Chromosomen,
sowie DE Y’r ie s sich das denkt, zu machen. Um d e Vr i e s ’ Auseinandersetzungen,
zn verstehen, war ich also gezwungen, mir die verschiedenen Möglichkeiten im Verhalten
der Chromosomen während der Reifungsteihmgen zurecht zulegen. Dies gab
mir Veranlassung zn einer Auseinandersetzung der dabei erhaltenen Resultate in der
Flora von 1903 und später im biologischen Zentralblatt von diesem Jahre.
Bevor ich diese Anseinandej-setzimgen publizierte, hatte B o h l in in den grünen
Algen anf Grund cytologischer Charaktere verschiedene Gruppen aufgestellt, unter
denen wohl die dei- Heterokonten die wichtigste war, und hatten B lackman und T ans l ey
wesentlich anf cytologischen Gründen — Chromatophore, Pigment- und Assimilations-
prodnkte — ihr phylogenetisches Algensystem aufgestellt, welches zum größeren Teile
von Ol tmanns in seinem schönen Algenbnche befolgt wurde, und zu dessen Annahme
ich mich bereits vor Erscheinen seines Buches in meinen Vorlesungen in Leiden entschlossen
hatte.
In meinem Aufsatz im Biologischen Zentralblatt bemühte ich mich die Erfahrungen
der neuen Literatur der Systematik dienstbar zu machen. Wesentlich Neues
enthält diese Publikation nicht, fast sämtliche dort zur Behandlung gelangten Fragen
wurden von St r a s b u r g e r bereits in seiner letzten Oxforder Rede behandelt, dennoch
ist es keineswegs eine direkte Ausarbeitung dieser Rede, denn obwohl mir selbige
bekannt war und zweifellos Einfluß auf meine Gedanken gehabt hat, so hatte ich sie
doch zuletzt vor Jahren gelesen und sie nicht beim Zusammenschreiben meiner Auseinandersetzungen
benutzt. Sie waren im Gegenteil, wenn ich mich so ausdrücken
darf, die mathematischen Schlußfolgerungen, aus den verschiedenen theoretisch mö g l
i c h e n Verhaltungsweisen der Chromosomen gezogen. Ich ei'örtere dies keineswegs
um mir irgend ein Verdienst in der Sache zuzusprechen, sondern nur um zu zeigen,
wie ich auf anderem Wege zu wesentlich denselben Resultaten wie St r a sb u r g e r
gelangte, was also nur das Verdienst St r a s b u r g e r s , der dies j a viel früher einsah,
erhöht.
Es sei mir jetzt erlaubt. Ihnen meine damaligen Auseinandersetzungen, in
der Gelegenheit entsprechend verkürzter Weise, vorzuführen.
Die ersten Lebewesen unserer Erde sind wohl monoenergide, frei schwimmende
Organismen gewesen, welche selbst die Nahrung aus anorganischer Substanz bereiten
konnten. Ob gefärbt oder farblos, läßt sich nach den an Ni t romo n a s gewonnenen
Erfahrungen nicht entscheiden. Das Entstehen und die Fähigkeit sich zu ernähren
genügte aber nicht für die fortwährende Existenz des Lebens. Erst durch die
Fähigkeit zur Fortpflanzung wurde diese gesichert.
Bei den nackten Flagellaten bestand diese in einer einfachen Längsteilung.
Hätte ihnen nicht die Möglichkeit zur Vervollkommnung inne gewohnt, die jetzigen
Organismen wären ja noch Flagellaten.
Ein erster Fortschritt lag in der Ausscheidung einer aus Zellulose bestehenden
Membran, ein Schutzmittel, die Zelle war entstanden.
Die Fortpflanzung blieb zunächst dieselbe, die Membran, die Zelle hat daran
keinen Anteil, nur die Energide teilt sich, nnd die so entstandenen Individuen werden,
jedes von einer neuen Membran umgeben, frei. Von einer Mutter kann man noch
nicht reden; dennoch bleibt jetzt bei der Teilung etwas zurück: das leere Gehäuse,
die Zelle.
Es ist eben diese Zelle, mit welcher die Lebewesen in ihrer weiteren Vervollkommnung
zu rechnen hatten. A priori standen den Organismen drei Wege zur
weiteren Entwicklung offen.
1. Die Schwesterindividuen blieben, unter Beibehaltung ihrer Beweglichkeit
miteinander in Verbindung, es entstehen so bewegliche Kolonien wie die
der Volvocineen.
2. Das Gehäuse, die Zelle, wird erweitert, es entstehen also große Zellen,
welche von vielen Energiden bewohnt werden : die Siphoneen und durch
Aufgabe der selbständigen Nahrungsbereitung aus diesen die Phycomyceten.
3. Die Schwesterindividnen bleiben zwar zusammen, verlieren aber ihre Beweglichkeit
und werden zu Zellenfäden, Platten oder Körpern. Auf diese
Weise entstanden als höchste Repräsentanten: Co leochae t e unter den
grünen Algen, und Lami n a r i a unter den braunen.
in diesem Entwicklungsgang ist für die höheren Organismen, für Moose,
Pteridophyten und Samenpflanzen sowie für die Metazoen noch kein Platz. Ihr Entstehen
beruht auf einem ganz anderem Prinzip. Während die bis jetzt beschriebenen
Organismen, wenigstens im Prinzip, einelterlich sein können, also Einzelwesen sind,
waren für die Bildung höherer Lebewesen zwei Eltern nötig, es sind die höheren
Organismen, wie d e Vr i e s es nennt, Doppelwesen. ZAvar findet sich bei manchen
der obengenannten Organismen ebenfalls eine geschlechtliche Fortpflanzung, aber sie
hat noch nicht zur Bildung des Körpe r s dieser Organismen beigetragen, während
der Körpe r der höheren Organismen dem Zusammenbleiben väterlicher und mütterlicher
Elemente sein Dasein verdankt.
Dennoch finden wir auch bei diesen Einzelwesen Andeutungen eines Doppelkörpers.
Es sei uns darum erlaubt, der Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung
naclizuspüren. Sie bestand zunächst in der Vereinigung zweier gleichwertiger Energiden,
welche überdies den ungeschlechtlichen Fortpflanzungsenergiden gleichwertig
waren. Es zeigte dies K l e b s bei Pr o t o s i p hon, wo die Schwärmer sich je nach den
äußeren Bedingungen ohne Kopulation entwickeln oder erst kopulieren; man kann
also niclit bestimmt sagen, was dies eigentlich für Dinge sind, Zoosporen oder
Gameten.
Die hier entstandenen Zygoten keimen ohne weiteres zn neuen Individuen,
dagegen bilden jene vom Hyd r odi c t y on und Oedog on ium zunächst vier große
Schwärmer, welche erst später zu neuen Individuen auskeimen.
Hier tritt also ein deutlicher Einfluß der geschlechtlichen Fortpflanzung hervor,
die Bildung einer speziellen Art von Schwärmern ; und wenn wir der Sache auf den
Résultats scientifiques du Congrès international de Botanique. 2 0