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das Tier gebraucht und umgekehi't mit der Kohlensäure. Ebenso hat später O stwald
diesen Zweifel für den Stickstoffkreislanf ausgesprochen, und ebenso hat B olzmann
die Summe der Lebenserscheinnngen von Tieren und Pflanzen mit den Entropieprozessen
in Verbindung gebracht. Um mich nicht einer Unterlassung schuldig zu
machen, wollte ich wenigstens diese Seite des Problems erwähnen, welche durch die
Chlorophjdlfunktion angeregt wurde.
Das Auffallendere, für die Pflanzenphysiologie sicherlich auch Wichtigere ist
die photosynthetische Assimilation der Kohlensäure, d, h. die Erfahrungstatsache, daß
eine den Tieren schädliche Anhäufung von Lnftkohlensäure dadurch verhindert oder
gemindert odei- hinansgeschoben wird, daß die Pflanze Kolilensäure der Luft unter
Freimachen von Sauerstoff reduziert und zum Aufbau organischer Substanz verwendet.
Man hatte sich znnächst seit dieser Feststellung daran gewöhnt, die übrigen Pflanzen-
farbstoife mit irgend welchen hypothetischen Funktionen zu betrauen, die aber niemand
nachweisen konnte, ihnen aber einen direkten Einfluß anf die Kohlensäureassimilation
abznspreclien.
Es ist nun E ngelmann schon 1883 gelungen, in Arbeiten, die weitere Vertiefung
erfahren nnd zu manchen Untersuchungen angeregt haben, nachzuweisen, daß
bei blaugrünen, gelben, braunen, roten Farbstoffen, welche bei niederen Pilzen, Algen,
Diatomeen, Florideen Vorkommen, die neben dem Chlorophyll vorhandenen nnd dasselbe
manchmal verdeckenden Farben sich an der Kohlensäureassimilation beteiligen. Eine
sehr feine biologische Methode hierzu ist die sogenannte Bakterienmethode, bei der
der unter dem Einflüsse der Farbstoffe freigeniachte Sauerstoff entweder nach E n g e l mann
ruhig liegende Bakterien zur Bewegung oder nach B e i j e r in c k Leuchtbakterien
zum Aufleuchten bringt.
Wenn man in dieser Weise vorgeht, so sieht man, daß das Assimilations-
niaxinmm für das Chlorophyll zwischen den Linien B— C liegt und rot entspricht —
Herr Mo l i s ch nannte vorhin das Chlorophyll geradezu eine Fabrik für rote Farbe —,
beim Phyocyan der blangrünen Algen über C hinausliegt, bei dem Phycoerythrin der
roten Florideen aber hinter der Z)-Linie im Grün liegt, d. h. genau der komplementären
Farbe entspricht.
Nun haben in den letzten Jahren E ngelmann und Gaidukov diese Tatsache
einer „klomplementären chromatischen Adaption“ noch erweitert, indem sie fanden,
daß derartige Pflanzen mit Änderung der Beleuchtung sich durch Änderung der
Farbe den neuen Bedingungen anpaßten, was natürlich ^ u r möglich ist, wenn die
Pflanzen die im einwirkenden Licht durcligelassenen Strahlen absorbieren oder wenn
die Pflanzen sich der Farbe im komplementären Sinne anpassen. Die beiden Beobachter
haben dabei, wie nebenbei bemerkt sei, gefunden, daß die einmal erzielten neuen
Farben sich eine Zeitlang halten, also daß eine Vererbung erworbener Eigenschaften
vorhanden ist, wie Sc h o t t e l iu s und ich selbst ähnliches früher für die künstlich
beeinflußten Pigmentbakterien ermittelt hatten.
Daß eine solch vollkommene Anpassung auf der einen Seite, eine relative
Konstanz auf der anderen Seite nebeneinander möglich sind, liegt wohl darin, daß in
dem weißen Lichte alle Arten von Strahlen vorhanden sind, so daß also da, wo z. B.
luas
die vollkommene Anpassung rote Farben verlangt, auch grüne Farben in weniger
vollkommener Weise noch existenzfähig sind. Damit erklärt sich die Beobachtung
der Systematiker, daß in der Natur die Entwicklung der Farbanpassung in sehr
verschiedenem Grade erfolgt ist.
Nachdem von G. Nadson gefunden war, daß gewisse Cyanophyceen und
Chlorophyceen in oberflächlichen Meeresschichten durch grüne und blangrüne, in tiefen
durch rote Individuen vertreten sind, während man bis dahin nur wußte, daß im
allgemeinen an der Oberfläche der Gewässer und am Strande grüne und blaugrüne,
in der Tiefe aber braune und rote Arten Vorkommen, konnten E n ge lmann und
Gaidukov bei derselben Art direkt experimentell bei längerer Einwirkung von rotem
Lichte das Entstehen grünlicher Färbung hervorrufen, bei gelbbraunem Lichte von
blaugrüner, bei grünem von rötlicher und bei blauem Lichte von braungelber Färbung.
Damit ist wohl ganz eindeutig festgestellt, daß die Farbänderung der Pflanze eine
Anpassung an die jeweils vorhandene oder an die sich ändernde Lichtart für die
Kohlensäureassimilation ist, und daß die neben dem Chlorophyll vorhandenen Larben
ganz eindeutig sich an der Assimilation beteiligen. Immerhin handelt es sich noch
um Wirkungen von Farbgemischen, unter denen das Chlorophyll mitvertreten ist.
Mit diesen Feststellungen hat sich E ngelmann das große Verdienst erworben,
den Begriff des Chlorophylls erweitert zu haben zu dem Begriffe des Chromophylls,
wodurch die Phylogenese des am mächtigsten entwickelten Pflanzenfarbstoffes, des
Chlorophylls, erst verständlich wird als eine Anpassung an jene Wellenlängen des
Lichtes, mit denen die Pflanze in der Tagesbeleuchtung sich besonders auf dem Erdboden
und an der Oberfläche des Wassers auseinander zu setzen hat.
Mo l i s c h hat nun Phycocyan und Phycoerythrin kristallinisch dargestellt und
damit neben Chlorophyll und Hämoglobin gestellt. Wenn nun zwei derartige organische
eiweißartige Körper nebeneinander wirken und quantitativ beeinflußt werden
können, daß der eine zu-, der andere abnimmt, so wird man weder von einer Deckung
des Chlorophylls dui'ch den anderen, noch von einer molekularen chemischen Verbindung
sprechen können, sondern mit A. H ansen von einem Nebeneinander, einer
Mischung, sprechen müssen, was auch den morphologischen Differenzierungen von
Zelle und Protoplasma besser entspricht. Aber nicht erst die Mischung macht die
blaugrünen und roten Farben zu Chromophyllen, sondern ihre chemische Individualität
stempelt sie schon dazu. So möchte ich die gegenwärtigen Kenntnisse deuten. Daß
damit die Frage nicht erschöpft ist, hat uns vorhin Herr Mo l i sch gelehrt, wenn er
darlegte, daß das braune Phycophaein kein derartiges Chromophyll ist, sondern eine
Modiflkation des Chlorophylls, ein Pheophyll darstellt.
Mit der phylogenetischen Auffassung des Chlorophylls als einer von vielen
Möglichkeiten wird auch begreiflich, daß andere Sonnengeschöpfe wie der Mensch füi
ihre spezielle Tätigkeit in einer Hauptfunktion anknüpfen konnten an einen Körper,
das Hämoglobin, der chemisch dem Chlorophyll am nächsten steht. Für die einheitliche
Betrachtung der biologischen Prozesse ist dies gewiß eine hochinteressante
Tatsache.
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