Die fossilionfiihrendeii Scliicliten bestehen daselbst ans Sanden, Süßwasser-
inei'geln. Lebertorf mul anderen Torfarten. Im Liegenden des Nordtlügels des Lagers,
wo allein die älteste fossilienführende Schicht aufgeschlossen wui'de. fand sich ein
Sand mit reichlichen Resten der Zwergbii'ke. Ob in dem tiefsten Teile des Lagers
in der Mitte der Mulde, die es aiisfüllt, auch eine glaziale Vegetation vorhanden ist,
blieb ungewiß, da er nicht ziigängig gemacht werden konnte. Über dem Sande mit
der siibglazialen Vegetation folgt Süßwasserkalk, in dessen tieferm Teile Pinus silvestris
vorherrscht, liöher hinauf Picea excelsa. und in dem mittlern Horizonte neben jenen
eine reiche Flora von Lanbbäumen, wie Quercus sessiliñora, Fagus silvática, Carpinus
betnlus, Corylus avellana, Alnus glutinosa, Juglans sp. (vielleicht J. tephrodes), Ilex
aquifolium, Tilia platyphyllos, nach F. K urtz auch Platanus sp.; ferner wurde Taxus
baccata mehrfach angetrolfen. Schließlich gesellte sich dazu Abies pectinata und
scheint sehr bald die ^"orherrschaft erlangt zu haben.
Weiter nach oben verschwinden die genannten Laubbänme, dann Abies iiectinata,
mul auch Picea excelsa vermindert sich so stark, daß schließlich fast mir noch Birken
mul Waldföhren übrig bleiben. Über die Veränderungen der Flora, welche der Über-
decknng mit glazialem Materiale — 6,5 m tinvioglazialem Sande und 1,2 1,5 m
Geschiebesand — unmittelbar voraufgingen, war nichts näheres zu ermitteln, da die
mittleren Teile des Lagers nicht zugängig waren und jetzt durch einen Bahnbau
dauernd verdeckt sind.
Welcher Altersstufe des Diluviums die fossilienführenden Schichten dieser
Ablagerung angehören, hängt von dem Alter ab, das man dem Geschiebesande im
Hangenden beilegt. So lange man glaubte, daß das letzte Landeis in Norddeutschland
nur bis zn den Küstengebieten der Ostsee gelangt wäre, lag es nahe, die fraglichen
Schichten der ersten Interglazialzeit zuznzählen. Indessen mehren sich die Anzeichen,
daß auch das letzte Landeis die Elbe weit nach Westen übei-schritten hat; und es ist
nicht unwahrscheinlich, daß es vorübergehend sogar bis über die Weser hinaus westwärts
vorgedrungen ist. Trifft auch mir das erste zu, so wird man dazu neigen, die
Torf- und Mergelschichten von Honerdingen eher der zweiten als der ersten Interglazialzeit
einznordnen. Ob das richtig ist, kann man aber doch nicht durchaus sicher behaupten.
Denn wir wissen jetzt, daß auch bei uns auf den höheren Teilen des Landes zwischen
Elbe und Weser das letzte Landeis mit den Rückständen der früheren Vergletscherungen
oft so gründlich aufgeräumt hat, daß nur noch eine dünne diluviale Decke
über den tertiäi-en Bildungen liegt. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß eine ähnliche
Zerstörung die ältei'en Diluvialschichten im Hangenden bei Honerdingen betroffen hat,
so daß die in Rede stehenden Schichten trotz des Anscheins der ersten Interglazialzeit
beizurechnen wären. Vielleicht vermag eine an dieser Stelle ausgeführte Tiefbohrung
nähere Aufschlüsse hierüber zu erbringen.
Kürzlich hat H o l s t , einer der Hanptvertreter der monoglazialistischen Llypo-
these, die nur eine einzige Eiszeit annimmt, Honerdingen für eine verhältnismäßig
1) Web er, Über die fossile Flora, von Honerdingen und das nordwestdeuteclie Diluvinin.
Abh. Naturw. Yer. Bremen 1896, Bd. XHI, p. 413.
junge postglaziale, in die Litorinazeit fallende Bildung erklärt. Sein Hanptargnment
ist, daß er es als wahrscheinlich betrachtet, unsere gegenwärtigen nordwestdeutschen
Moore besäßen am Grunde eine glaziale Vegetation und zeigten in ihrem Aufbau
keine erneute glaziale Unterhrechnng. Beides ist zuzugeben. Dai'aus folgt aber meines
Erachtens nur, daß auch Nord Westdeutschland, wenigstens bis zum Dümmersee während
der letzten Eiszeit mit glazialem Materiale überschüttet worden ist, sei es durch die
Schmelzwässer dieser Vereisung oder dadurch, daß das letzte Landeis selber über
(len größern Teil dieses Abschnitts des Tieflandes fortgeschritten ist. Man kann aber
nicht daraus schließen, daß die in Betracht kommenden Schichten von Honerdingen
der Litorinazeit angehören müßten.
Ähnlich wie in dieser Fundstätte zeigt sich die Vegetation der Interglazialzeiten
an anderen Stellen in Norddeutschland zusammengesetzt. Von der Edeltanne
fanden sich aber bishei' nur in der von Ober-Ohe auf der Ostabdachnng der Lüneburger
Heide die Spuren. Fichtenwälder bestanden damals überall im Tieflande, weit
über das gegenwärtige spontane Vorkommen der Picea excelsa hinaus. Ilex a(]uifolinni
war in einer der Interglazialzeiten viel weiter nach Osten verbreitet als jetzt.
Bemerkenswert ist, daß sich an mehi'eren dieser Orte Brasenia imrpnrea fand, eine
schon in der Tertiärzeit in Europa verbreitet gewesene Nymphaeacee, die jetzt bekanntlich
diesem Weltteile fehlt, aber in Afrika, Asien, Australien und Nordamerika in wenigen
und beschränkten Gebieten lebt. Dulichium spathaceum, eine nordamerikanische
Cyperacee, die N. H artz in mehreren interglazialen Ablagerungen des südlichen
Jütlands entdeckt hat'Q, ist nach einer Mitteilung, die er mir freundlichst zukommen
ließ, kürzlich auch in dem Interglazialmoore vom Kuhgrnnd bei Lanenburg an der
Elbe festgestellt worden. Bei Lütjen-Bornholt in Holstein wurde das reichliche Vorkommen
von Betula nana auch in der obersten Lage des interglazialen Torflagers
beobachtet. Wo in allen diesen Fundstätten eine entsprechende Untersuchung
ansgefühi’t werden konnte, hat sich ein ähnliches Auftreten und Verschwinden der
einzelnen Banmarten wie das von Honerdingen erwähnte feststellen lassen.
Die beträchtliche Mächtigkeit, in der uns mehrere interglaziale Ablagerungen
erhalten geblieben sind — die meisten sind teilweise wieder zerstört worden — weist
m. E. darauf hin, daß sie mehrere Jahrtausende zu ihrer Entstehung gebraucht haben.
Die hier als interglazial bezeichnete Vegetation muß nun der Monoglazialismus,
der keine Interglazialzeiten anerkennt, anders zu erklären suchen. Am meisten macht
sich das Bestreben geltend, die Lagerstätten, die im Hangenden und Liegenden von
primären Schichten moränischen oder fluvioglazialen Materials eingeschlossen sind,
selber als glazial aufzufassen, d. h. sie sollen nach dieser Auffassung zu derselben
Zeit entstanden sein, als einerseits der gesamte Norden Europas einscldießlich des
Nord- und Ostseegebiets und andrerseits das ganze Alpengebiet je mit einem
] ) N . 0 . H o i . s t , Kvartär-Studier i Danmark och norra Tyskland. Geol. Kören. Förliandl.,
No. 229, Heft 5, ]). 433. Stockholm 1905.
2 ) N . H a r t z , Dulichinm s]iathacenm Bers., en nordamerikansk Cyperacé, 1 dansk interglaciale
Moser. Meddel. fra Dansk geol. Foren., Hd. 10. Kopenhagen 190-4. — Derselbe in E n g l e r s
Hot. .lahrl). 190o, Hd. XXX \T , p. 78.
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