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Apikalende der Wurzel. An Blättern und Blattstücken findet Sproß- nnd Wurzelbildung
meist am Basalende statt. Es herrscht also Polarität.
Die Summe des experimentell bis jetzt sicher Eestgestellten ist jedoch noch
gering. Außer den Versuchen Vö c h t in g s verdienen hier noch einige von B o ir iv a n t ')
hervorgehoben zu werden, in welchen festgestellt wird, inwieweit die neuen Organe
die alten zu ersetzen und ihre Struktur anzunehmen vermögen oder sich anders
gestalten.
Was den Ersatz von Wurzeln betrifft, der neuerdings auch von Br u c k ") beiläufig
verfolgt worden ist, so kann dieser besonders durch Dekaytitation der Hanpt-
wurzel künstlich hervorgerufen werden. Dabei fand B o ir iv a n t , daß die nach der
Dekapitation entstandenen erst mit der Zeit den Charakter der Hauptwurzel annehmen,
ohne daß dieser hier ein so ausgesprochener wird.
Die nach der Dekapitation entstandenen Ersatzwurzeln besitzen im Vergleich
zn den normalen Nebenwurzeln eine höhere Anzahl von Xjdem- und Phloembündeln,
die jedoch fast immer kleiner als die der Hauptwurzel ist: z. B. 5, während die
Hauptwurzel G und die Nebenwurzeln 4 Bündel besitzen. Es kann auch der Fall
Vorkommen, daß die Hauptwurzel an der Basis 5, gegen den Scheitel 4, während
die Ersatzwurzel 6 Bündel besitzt. Dadurch würde diese die alte Hauptwurzel
verjüngen. Eine Überzahl von Bündeln in den Ersatzwurzeln von Vicia Faba ist aber
durchaus keine konstante Erscheinung. Mehr konstant ist die größere Entwicklung
der Bündel und die Weitlumigkeit der einzelnen Holzgefäße, was eben die Struktur
der Ersatz wurzeln derjenigen der Hauptwurzel am ähnlichsten macht. Ähnliche
Erscheinungen kommen auch im Phloem vor, dessen Sklerenchym eine übergroße
Entwicklung zeigt. Die Mächtigkeit der Rinde ist je nachdem verschieden, doch
kommt sie im allgemeinen dem größten Durchmesser des Zentralzylinders gleich.
Das Mark wird auch in seiner Entwicklung gefördert. Die sekundären Bildungen
kommen zeitiger und reichlicher als bei normalen Wurzeln vor.
Die Ersatzwurzeln, welche schon vor der Dekapitierung existierten, erfahren
keine so tiefen Veränderungen in ihrem Bau wie die vorher besprochenen. Sie zeigen
jedoch eine größere Entwicklung des Zentralzyliiiders — dessen Durchmesser der
Dicke der Rinde gleichkommt — und der Holzgefäße. Der Bau ist beinahe gleich
demjenigen der Hauptwurzel, die Anzahl der Xylem- und Pliloembündel ist nicht größer.
An Seitenwurzeln 1 . Ordnung hat N o l l " ) eine Ersatztätigkeit seitens derjenigen
2. Ordnung beobachtet. Wurden die ersteren so abgeschnitten, daß noch ein basales
Stück von einigen Millimetern Länge stehen blieb, so entsprang nicht weit von der
Wnndnarbe ein Seitenwürzelchen 2. Ordnung, welches scharf nach vorn umbiegend,
sich genau in die Verlängerung des gestutzten Würzelchen 1. Ordnung einstellte.
1) B o i r i v a n t , Organes de remplacement cliez les plantes, a. a. 0 . p. 307—400.
2 ) B r ü c k , Untersuchungen über den Einfluß von Aiißenbedingungen auf die Orientierung
der Seitenwurzelin Zeitschr. f. allg. Physiologie 1904, Bd. III, p. 13 ff.
3) N o l l , Über den bestimmenden Einfluß von Wurzelkrümmungen auf Entstehung und
Anordnung von Seiten wurzeln. T h i e l ’s Landw. Jahrb. 1900, Bd. XXIX, p. 3 8 7—89.
Nicht selten waren anstatt eines mehrere davon entstanden, welche aber die Richtung
ihrer Mutterwurzel nicht immer fortsetzten. Wurden die Wurzeln 1. Ordnung unmittelbar
an der Austrittstelle aus der Miitterwurzel abgeschnitten oder ab- bezw. ausgebi'ochen,
so entsprangen aus der Pfahlwurzel selbst neue Seitenwnrzeln 1. Ordnung unmittelbar
über einem Wurzelstummel, sozusagen aus dessen Achsel wie eine Achselknospe aus
ihrem Blattwinkel. Die Ersatzwurzeln scheinen die Konvexflanke ihrer Mutterwnrzeln
vorznziehen.
An zwischen Glasplatten unter Druck wachsenden Wurzeln vermag nach
K ö h l e r (1. c. p. 3 5 ) eine der in unmittelbarer Nähe der Spitze der Hauptwurzel
entstandenen Nebenwurzeln die Rolle dieser letzteren zu übernehmen, während diese
am weiteren Vordringen zwischen den Glasplatten aufgehalten wird.
Was die Ersatzsprosse betrifft, so stimme ich mit B o ir iv a n t darin überein,
daß diese bei Vicia Fab a schief aufsteigen, bis sie schließlich vertikal werden, daß
ihr Durchmesser größer und ihr Längenwachstum rapider ist. Ich fand abei- nicht
immer, daß die Blätter dieser Zweige größer und untereinander entfernter als die
normalen sind. Die tetragonale Querschnittsform des Hauptsprosses tritt in den
Ersatzsprossen nicht immer so deutlich hervor, vielmehr streben diese nach einer
zylindrischen Form.
Scheitel- und Interkalarmeristeme entwickeln in den modifizierten Ersatzorganen
eine größere Tätigkeit als in normalen Wurzeln und Sprossen, wodurch eine
sehr rasche Verlängerung und ein bedeutendes Dickenwachstum bedingt werden. Infolge
der größeren Entwicklung des Leitsystems und des Markes erfährt der Zentralzylinder
eine Zunahme seines Durchmessers, während die Dicke der Rinde dementsprechend
abnimmt. Das mechanische Gewebe, darunter besonders das Kollenchym, ist in der
Entwicklung sehr gefördert. Das Xylembündel, demgegenüber eine Ersatz.wurzel sich
gebildet hat, wird nach dem Mai’k der Hauptwurzel gedrängt. Der Zentralzylinder
wird rinnenförraig bezw. mehr oder minder flach. Die Rinde bekommt hier und da
weite, tiefe Risse. Die einzelnen Elemente, besonders die des Markes, des primären
und sekundären Xylems sind weitlumiger. Wie aus diesen Veränderungen hervorgeht,
strebt der Ersatzsproß, die Struktur des Hauptsprosses anzunehmen.
Die Pflanze strebt besonders danach, den Verlust durch die Bildung neuer
Elemente auszugleichen und dieselben so regelmäßig wie im normalen Ban anzuordnen.
Nicht selten genügt der Ersatz der verloren gegangenen Teile, um das Leben der
übrig gebliebenen durch besondere anatomische Veränderungen im Gleichgewicht zu
halten. Nicht selten aber sind die Verwundungen derartige und wiederholen sich so
häufig, daß die Pflanze trotz ihrer Ersatztätigkeit eine der normalen vergleichbare
Entwickelung nicht erreichen kann.
Daß Ersatzbildiingen nicht immer im Zusammenhang mit den Leitbahnen zu
sein brauchen, zeigt die von Co u l t e r und Ch r y s l e r beobachtete Bildung neuer
Sprosse und Wurzeln an Rindenstücken von Zamia f lor idana, welche keine Spur
vom Zentralzylinder mehr enthielten. Andererseits kann das in Z am i a ärmlich
differenzierte Pericykel nicht so tätig als sekundäres Kambium sein, wie dies bei anderen
Cycadeen der Fall ist und wie sonst von S im o n bei Mono- und Dikotylen beobachtet