wir also eine Zeit von rund ßOOO.lalu'en — kennen, zn überblicken versucht, bekommt
man den Eindruck, daß jene fernen Perioden eine Blütezeit in materieller und kultureller
Hinsicht waren, auf die allmählich ein Rückschritt folgte, dessen tiefster Stand
in das Mittelalter fällt') und der erst im neunzehnten Jahrhundert tatsächlich einer
neuen Blüteperiode gewichen ist.
Erst von diesem Gesichtspunkte ans werden die Veränderungen, die die
Vegetation durch den Einfluß des Menschen erlitten hat, verständlich. Dieselben bestehen
teils in der Umgestaltung oder Flächenverminderung verschiedener Pflanzengesellschaften
sowie Neuentsteluing anderer, teils in der Einschränkung der Verbreitung
oder gar Ausrottung einzelner Arten sowie Einführung anderer.
Es ist sehr schwierig, den Einflnß zu beurteilen, den der Mensch während dei'
ersten grundlegenden Knlturperiode auf die Verbreitung der einzelnen spontanen Arten
gehabt haben kann. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß in jener klimatisch günstigen Zeit
jedenfalls zahlreiche Pflanzen, die ihre kompakte Verbreitung in Mitteleuropa hatten, ihre
Vorposten nach Südskandinavien vorgeschoben haben. Als dann der Mensch die besten
Teile für sich in Anspruch nahm, sind sicherlich viele seltene Pflanzen schon in jenen
entlegenen Zeiten eingeengt, ja vielleicht sogar ganz ausgerottet worden. Wir kennen
auch durch die Untersiiciiungen von Co n w e n t z über die Verwendung der Eibe
(Taxus baccata) zu Nutzgegenständen in vorgeschichtlicher Zeit ein direktes Beispiel
von dem Einfluß des Menschen in der angedeuteten Richtung. In den an Holzgegenständen
sehr reichen Vorräten des Kopenhagener Nationahnuseiims wählte ei
26 verschiedene Gegenstände aus, und die mikroskopische Untersuchung ergab, daß
sie du rchweg aus der Eibe verfertigt waren. Die betreffenden Fundorte verteilen
sich auf Jütland. Seeland. Fünen und Bornholm. Die Stücke stammten aus verschiedenen
Zeiten, vom S. oder 7. Jahrhundert v. Chr. bis zum 9. Jahrhundert n. Chr.,
d. h. sie erstreckten sich über einen Zeitraum von etwa 1600 Jahren D. Ähnliche
Beobachtungen wurden in Schweden und Norwegen gemacht (in Kristiania stammten
18 von 23 von der Eibe). Vergleicht man hiermit die Tatsache, daß die Eibe in
unseren Tagen urwüchsig nur an einer einzigen Lokalität in Dänemark bekannt ist,
muß man zugeben, daß die Verbreitung dieses Baumes schon in vorgeschichtliche!
Zeit wesentlich eingeschränkt sein mußte. Sind aus denselben Gründen z. B. zwei
andere, in Südskandinavien sehr seltene Bäume, Acer campe s t r e und Ti l ia gran di fol
ia, eingeengt worden? Darüber wissen wir nichts.
1) Sehr interessant in dieser Richtung ist, was N o r d m a n n über die Geschichte der landwirtschaftlich
wichtigen Haustiere in Dänemark (1. c. p. 105) sagt: „Das Schwein und das Rind
waren dagegen (im Gegensatz zum Hunde, zum Schafe und zum l’ferde) weit großer und mehr
entwickelt in der Steinzeit, als in den jüngeren Abschnitten der prähistorischen Zeit. Das Rind der
Eisenzeit ist durchgehends um mehreres kleiner als das der Steinzeit, und das des Mittelalters ist
noch kleiner als das der Eisenzeit. Wahrscheinlich wegen Vernachlässigung schrumpft es zu einer
wahren Zwergrasse zusammen. Erst in den letzten Zeiten, sozusagen in unseren eigenen Tagen, ist
wieder etwas aus diesen Haustieren geworden, aber diese Entwicklung hat eine solche Richtung
genommen, daß man diese Geschöpfe eher lebendige Maschinen nennen möchte.“
2) Die Eibe in der Vorzeit der skandinavischen Länder. Seiiaratahdrnck der Danzigei-
Zeitung, 22 935 (1897).
Sicher ist, daß schon während der jüngeren Steinzeit bedeutende Gebiete des
Küstenlandes von der Kultur in Besitz genommen wurden (vgl. die Verbreitung der
Steinzeitgräber und der Buche in Schonen, p. 90) und über weite Gebiete eine früher
unbekannte Pflanzengesellschaft, die der Äcker, eingeführt worden ist. Über die
Kiiltiirpflanzen derselben habe ich schon etwas gesagt, aber ein eben so wichtiger
Teil ist die der Unkräuter. Wenn man die biologischen Eigenschaften der verschiedenen
Pflanzenformationen des Ackerbaues untersucht, flndet man, daß sich die einzelnen
Arten sehr genau einander angepaßt haben und mit wenigen Ausnahmen immer
wieder allgemein verbreitet in derselben Gesellschaft Vorkommen; alles deutet daher
auf ein hohes Alter, nicht auf zufälliges Zusammentreffen. Auch die paläontologischen
Funde in den extraskandinavischen Teilen von Europa reden dieselbe Sprache') Von
6 8 Arten, die A. L y t t k e n s ^) von jiraktisch - ökonomischem Gesichtspunkte aus als
„lästige Unkräuter“ in Schweden erklärt, sind schon 20 oder ca. 3 0% von N e u w e il e r
aus mittelenrojiäischen Stein- (ca. 15) und Bronzezeitfunden angeführt. Von diesen
68 Arten meine ich, daß ca. 40 bestimmt vom Menschen eingeführt sind, ca. 22 sind
in Schweden, aber nicht immer in den gleichen Formen s), auch in ursprünglichen
Pflanzengesellschaften zu flnden, von den übrigen 6 kann ich nichts Sicheres sagen.
Unter diesen Voraussetzungen ist es gewiß nicht zu kühn, anznnehmen, daß die
meisten Arten schon Avährend der prähistorischen Zeit hereingekomnien sind und daß
die Pf l a n z e n g e s e l l s c h a f t e n d e r Weizen- und Gers t enä cke r ' ) schon sei t
me h r e r en J a h r t a u s e n d e n in der Ha u p t s a c h e bei uns dass e l b e Aus s e he n
wie in den Tagen L i n n e s geh ab t haben. Erst die Bestrebungen der allerletzten
Jahrzehnte haben Veränderungen mitgebracht, aber avoIü meistens in negativer Richtung
durch Verminderung des Unkrauts. Die vielen neuen, erst neuerdings in den Kultiir-
formationen angesiedelten Arten haben sich haup t s ä c h l i ch in den Fo rma t i o n en
der Klee- und F l i t t e r g r ä s e r n i e d e r g e l a s s e n . Es darf jedoch nicht vergessen
werden, daß dieselben eben ein Produkt der neuen landwirtschaftlichen Methoden
des vergangenen Jahrhunderts und daher noch im Werden sind. Auch die Planzengesellschaften
der Kiilturgrenzen, d. h. die der Wegeraine, Löcher, Rudera und Ballastplätze
usw. sind in den letzten Jahrzehnten außerordentlich bereichert worden. Dies
ist auch leicht verständlich, wenn man den großartigen Aufschwung der Verkehrsmittel
mit ihren neiigeschaffenen Eisenbahndämmen, Straßenrändern usw. von vielen tausend
Kilometern Länge bedenkt. Wie schnell sich diese Pflanzen verbreiten können,
zeigen z. B. Be r t e r o a incana, Ma t r i c a r i a dis coi dea (um 1850 eingeführt), die
1) Vei-gl. hierüber E. Neuw e il er, Die prähistorischen Pfianzenreste Mitteieuropas. Botan.
Exkurs, und pfianzeng-eographische Studien in der Schweiz, iierausgegeben von C Schröter, H. 6.
Zürich 1905. — In Sciiweden liegen bis je tz t ieider keine derartigen Studien vor. Die einzigen
Funde sind Came i i n a s a t i v a mit Roggen zusammen aus dem 3. bis 4. Jahrh. v. Chr. aus Gotiand
( S a r a u w i. c. p. 295) und C i i e n o p o d i u m (cfr. album) aus der Eisenzeit in Uppland (Björkö).
2) Om svenska ogräs, Norrküping 1885, p. 7.
3) Es scheint mir wahrscheinlich, daß solche Arten, wie S o n c h u s a r v e n s i s , C i r si u m
a r v e n s e usw., teils in ihren Meeresstrandformen spontan eingewandert sind, teils in ihren Ackerformen
eingefülirt sind.
4) Roggen und Hafer wurden später eingeführt.
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