Als den bedeutsamsten derselben betradite ich das weite Znrückdrängen
zumal der Eiche, der Eichte, der Buche während der letzten Eiszeit nach dem nördlichen
Meditei-rangebiete. Es ist klar, daß diese Bäume von dort aus rasch das vom
Eise frei werdende Alpengebiet wieder besiedeln konnten, sobald es ihnen die Wärnie-
znnahme gestattete, daß aber die rascher wandernden odei' vielleicht minder weit
zurückgedrängten, wie die Eiche, vor den anderen, zumal der Buche, einen um so
größern A’orsprnng gewinnen mußten, je weiter ihr Weg sie nach Noi'den führte.
Man wird leicht einsehen. daß es dem Monoglazialismns. nach dem ja alle
diese Bäume während der Eiszeit in dem Gebiete zwischen dem alpinen und dem norddeutschen
Landeise znsammenlebten, bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnis
nur mit Hilfe gewagter Hypothesen oder Interpretationen gelingen wird, sich mit diesei-
Ei’scheinung abzutinden, deren Erklärung demPolyglazialismus keine Schwierigkeit bereitet.
Im einzelnen ist folgendes übei' die aufeinander folgenden Abschnitte dei-
Postdihivialzeit in Norddeiitschland zu bemerken.
Was die Dryaszeit anlangt, die nach dem vorhin Dargelegten der Tundrazeit
entspricht, so darf man niclit erwarten, daß die klimatischen Verhältnisse während
ihrer bei uns dnrchans denen entsprachen, die heute im hohen Norden herrschen.
Das verbietet schon die niedrigere geographische Breite mit ihrer abweichenden Tages-
länge und den stärkeren Licht- und Wärmewirkungen der Sonnenstrahlen. In der
Tat läßt sich erkennen, daß die Flora jener Zeit bei uns keineswegs mit der des
hohen Nordens z. B. Spitzbergens übereinstimmt.
G. Ande r s so n hat nämlich darauf aufmerksam gemacht, daß die Wassei--
ptlanzen. welche in den Dryasablagerungen stets angetroffen werden — bei uns
treten als solche z. B. Potamogeton natans, P. alpinus, P. compressus, Myi-iophyllnm
spicatum. Chara etc. auf — gar nicht im hocharktischen Gebiete leben'). Ihr \ ’oi--
handensein in den Ablagerungen der Eiszeit bei uns ist zweifellos auf den genannten
Grund zurückzufüliren. Mit Recht beanstandet es daher A n d e r s so n , die Vegetation
des Dryashorizontes als hocharktisch zu bezeichnen; man wird dafür besser den Ausdruck
glazial (frühglazial, hochglazial, s])ätglazial) gebrauchen.
Die reine Birkenzeit sclieint im norddeutschen Tieflande nicht so ausgeprägt
gewesen zu sein, wie in Dänemark und auf der skandinavischen Halbinsel. Vielmehi-
scheint sich die Waldföhre (Pinus silvestris) sehr frühzeitig eingestellt zu haben. Die
Möglichkeit ist daher zuziigeben, daß diese Baumart während des Höhepunktes dei-
letzten Eiszeit sich samt der Weißbirke in den mittleren Teilen Deutschlands hier
und da reichlich erhalten hatte.
Ebenso scheint nach meinen bisherigen Wahrnehmungen bei uns die reine
Föhrenzeit nicht jene lange Dauer wie in Skandinavien gehabt zn haben und die Eiche
entsprechend früher erschienen zu sein Ü. Während dieser Zeit ist die kleinblättrige
Linde (Tilia parvifolia) bei uns eingewandei-t.
] ) G. A n d e r s s o n , Das naclieiszeitliclie Klima von Sclnveden iincl seine Bezieliungen ziii'
Florenentwicldung. 8. Bericht der Züricher liotan. Gesellscliaft. Heft XHI d. Berichte d. Schweiz,
bot. Gesellschaft. Bern 1903.
2) -Werer, Ülier die t'egetation mul Entstehung des Iloclinioores von Augstumal. 1902, p. 241.
Die durch die Herrschaft der Stieleiche (Quercus pedunculata) gekennzeichnete
Periode umfaßt dagegen, soweit meine bisherigen Untersuchungen erkennen lassen,
den größten Raum des iiostdiliivialen Zeitalters in iinserm Lande. Während dieser
Zeit ging das große süße Gewässer, das die Ostsee während des größten Teils
derselben darstellte — der Ancylnssee — wieder in ein salziges Gewässer, das
Litorinameer. über. Ob die Schwarzerle (Alnus glutinosa), wie es vorläufig scheint,
erst während der frühen Eichenzeit im östlichen Holstein einwanderte, müssen weitere
Untersuchungen nocli klarlegen. Hasel und Wildapfel waren daselbst zur Zeit des
Höhepunktes der Periode vorhanden. Die Fichte (Picea excelsa) wanderte um dieselbe
Zeit in den südlichen Teil der Lüneburger LIeide ein. In der letzten Hälfte der
Eichenperiode lebten die Frühneolithiker an der untern Trave') und am Ufer der Süßwasserseen,
die damals die jetzige Kieler Föhrde erfüllten. Sie mußten ihre Wohnstätten
infolge des Sinkens des Bodens und der dadurch bewirkten Überflutung verl
a s s e n Ü . Diese Senkung betraf das ganze südliche Ostseebecken und begleitete den
Übergang von dem Ancylnssee in das Litorinameer.
Das Klima war während des größten Teils der Eichenzeit im norddeutschen
lieflande milde und feucht. Ausgedehnte Sphagneta bildeten sich aus und verursachten
die Entstehung großer Hochmoore. Am Ende der Eichenperiode wurde das Klima
trockener, die Sphagneta verkümmerten infolgedessen oder gingen zugrunde, und die
Hochmoore bedeckten sich statt ihrer mit Wollgräsern und Strauchheiden, stellenweise
mit kümmerlichen Nadel- und Birkenwäldern oder mit Waldgebüsch.
Erst nach dem Schlüsse dieses trockenen Zeitalters ist die Buche eingewandert,
kurz vor der Zeit, als das Litorinameer seinen höchsten Stand und größten Salzgehalt
erreicht hatte, der größer war als der gegenwärtige Salzgehalt der Ostsee. Das
Klima wurde wieder niederschlagsreich. Von neuem entstanden weitausgedehnte
Sphagneta, teils an denselben Orten wie zur Eichenzeit, teils an anderen, und lagerten
mächtige Hochmoore ab. Ob erst in dieser Zeit die meisten Vertreter der atlantischen
Assoziation, die unsere gegenwärtige Flora enthält, eingewandert sind, ist zweifelhaft.
Sicher ist Erica tetralix schon während des feuchten Abschnitts der Eichenzeit in Ostfriesland
und südlich davon häufig gewesen. Ebensowenig sind wir darüber unterrichtet,
ob in unserm Gebiete wie in Schweden während dieses Zeitalters die Jahrestemperatur
eine Zeitlang- einen höhern Grad angenommen hatte als in der GegenwartS).
Während des ersten Abschnittes der Buchenzeit wohnen Weizen und Gerste
bauende Spätneolithiker an den Küsten des östlichen Holsteins und hinterlassen als
Reste ihrer Mahlzeiten Abfallhaufen mit den Schalen der Auster, die jetzt nicht mehr
in diesem Teile der Ostsee wegen seines zu geringen Salzgehaltes zu leben vermag.
1 ) F r i e d r i c h u. H e id e n , Die Lübeckischen Litorinabildungen. Mitt. d. geograpli. Gesellscliaft
11. d. Katurb. Museums in Lübeck 1905, Heft 20, p. 42.
2) 5 V e b e r , Über Litorina- und Prälitorinabildnngen der Kieler Fölirde. E n g l e r s Bot.
Jahrb. 1904, Bd. XXXV.
3) Ebensowenig ist es bekannt, ob diese Wärmeperiode in der Buchenzeit zu suchen ist,
wie hier angenommen wird, oder ob sie nicht vielmehr mit der Trockenperiode gegen Ende der
Eichenzeit ziisammenfällt.