
Man beachte zunächst den Unterschied zwischen Königsb
uch u n d Chronika auch in diesem Punkt. Das Königsbuch
weiss n u r von T a r s i s - S c h i f f e n , die Chronika dagegen erzählt,
die Schiffe seien nach einem O rt oder Land T a r s i s
gefahren. D e r Unterschied ist genau derselbe, den wir vorhin
in Bezug auf die Schiffe des Königs Josaphat fanden.
Der Verfasser der Chronika ist also durchweg der Meinung,
dass es sich b e i. diesen Fahrten um ein Gebiet Tarsis geh an delt
habe, welches dann identisch mit O p h ir sein muss, währen
d das Königsbuch n u r von Tarsis-Schiffen als einer Gattu
n g v o n Oceanbooten spricht, etwa wie wir von Indien-
fahrern reden. Ist die Chronika mit ihrer Auffassung im
Irrtum, od er hatte sich d e r Begriff in den Jah rh u n d e rten
zwischen den Königsannalen, welche etwa 500 Jahre älter
sind, und d er Chronika verändert. Ich will vorweg erwähnen,
dass die Septuaginta im Sinne des Königsbuches übersetzt.
Was ist Tarsis? Wo war es gelegen? Wir finden es im
alten Testament mehrfach erwähnt. So in Genesis X, 4 :
„Die Kinder von Javan sind diese: Elisa, Tharsis, Kithim
u n d Dodanim.“
Javan ist der hebräische Name fü r Jonier, u n d das hier
erwähnte Tharsis lag in Cilicien (Tarsus am Kydnos, s. Keane,
Note 42), während Kithim unser heutiges Cypern ist. Psalm
72, 10 heisst es: „Die Könige von Tharsis u n d von den Inseln
werden Geschenke bringen. Die Könige aus Reich Arabien
u n d Seba werden Geschenke zu fü h ren ."
Hesekiel cap. 27, 2 5 : „Aber die Schiffe von Tharsis sind
die vornehmsten auf deinen Märkten gewesen. Also bist du
s eh r reich u n d mächtig geworden, mitten im Meer."
Wenn wir diese Stellen, denen ich andere hinzufügen
könnte, n ü ch tern betrachten, so finden wir, dass Tharsis in
ihnen allen gewisse Beziehungen zu r See hat. Es wird neben
den Inseln g en an n t u n d als Handelsplatz gekennzeichnet. Ich
mache fern er darau f aufmerksam, dass der Name in der Geschichte
d er phönikischen Handelspolitik an verschiedenen
Stellen auftritt. Ich erwähnte bereits Tharsis in Cilicien.
Ausserdem hatte T unis in alter Zeit den Namen Tharsis, Es
gab ein Prom o n to rium Tharsis an der Küste von Oman, an
welchem die Flotte N ea rch’s, des Admirals Alexander des
Grossen, vorbeifuhr. Das geschichtlich berü hmtest gewordene
Tharsis ist das spanische Tartessus der griechischen Welt, bekannt
d urch seinen Silberexport.
Wenn Namen in dieser Weise auftreten, u n d zwar immer
für gewisse gekennzeichnete Lokalitäten, wie hier- als Namen
für bestimmte phönikische Handelsniederlassungen üb er See,
so dürfen wir im allgemeinen annehmen, dass es sich nicht
so sehr um einen individuellen Namen, als vielmehr urft einen
Gattungsbegriff h a n d e lt: etwa wie das lateinische Colonia oder
C a s t e i l u m , das in allen möglichen Ländern u n te r verstümmelten
Formen wieder erscheint. D e r Spezialname ist
in solchem Fall aus einem ursprünglichen Begriff entstanden.
Ich bin leider nicht Semitologe, um Tharsis philologisch auf
seine U rb e d eu tu n g zurück verfolgen zu können, aber ich
möchte annehmen, dass die Punier ursprünglich eine Handelsniederlassung
üb er See ein Tharsis nannten, und Tharsis-
Schiffe die Fahrzeuge, welche den Verkehr zwischen solchen
Niederlassungen .unterhielten. Wenn dies richtig ist, könnten
Königsbuch u n d Chronika beide Recht haben. Salomo und
. Hiram bauten Tharsis-Schiffe, a b e r, das Ophir, fü r welches sie
bestimmt waren, war eins der Tharsis der sabäisch-phöniki-
schen alten Zeit. Keane identifiziert das Tharsis d er Bibel
mit Sofala. Hiefür hat er d urchaus keine h isto ris ch e . G ru n d lage.
Aber es könnte trotzdem sein, dass seine Auslegung
. zuträfe.
: Es bleibt n u r noch ü b rig ,'e in ig e Stellen aus dem Alten
Testament aufzuführen, in denen O p h ir mehr nebenbei erw
äh n t wird, um alsdann meine Schlussfolgerungen aus unseren
Quellen scharf u n d deutlich zusammenzufassen.
Hiob XXVIII., V. 12—16: „Wo will man aber Weisheit
finden u n d wo ist die Stätte des Verstandes? Niemand weiss,
wo sie liegt, und- wird nicht gefunden im Lande der Lebendigen.
Der Ab g ru n d sp rich t: „Sie ist in mir nicht“ , und
das Meer sp rich t: „Sie ist nicht bei mir." . Man kann nicht
Gold um sie geben, noch Silber darwiegen, sie zu bezahlen.
Es gilt ihr nicht gleich O p h i r ’s c h e s G o l d oder köstlicher
Onyx u n d Saphir" (16).