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 S’ojoten,  einem  Bergvolke,  welches  in  einer  Höhe  von  5 — 7000'  im  östlichen  Sajan  
 lebt  und  ausschliesslich  sich  mit  der  Jagd  seinen  Unterhalt  erwirbt,  war  der  Tiger  ganz  
 unbekannt.  Im mittleren  Okathale und am oberen Irkutlaufe wusste man seine russische  
 Benennung und meinte bei denürjänch en auf chin esischer Seite,  südlich,  sei er ab und  
 zu  anzutreffen.  Viel  weiter westlicher  im  Ischimschen Kreise  erschien im  Herbste  1859  
 eine Tigermutter  mit  zweien jungem Thieren  und  richtete  vielen Schaden  an,  bis  sie Anfangs  
 November erlegt wurde. 
 Hierauf gebe  ich  schliesslich einige Notizen über die Lebensweise und die Benutzung  
 des Tigers, über seine Bedeutung für die religiösen Anschauungen der Birar-Tungusen etc.  
 Im Bureja-Gebirge wird  das Wildschwein  zur Hauptnahrung des Tigers  und insofern die  
 Wanderungen  des  ersteren mit dem Gedeihen der Eicheln an gewissen Orten des  Gebirges  
 in Zusammenhang stehen, sehen  wir denn auch den Tiger jenen Localitäten zeitweise nachgehen. 
   Dies geschah im Herbste  1858, als die Eicheln namentlich im Mo-chada-Gebirge  
 reichlich  vorhanden  waren,  aber  im  oberen  Theile  des  Bureja-Gebirges  durch  häufige  
 Regen im Mai,  zur Blüthezeit, vernichtet wurden,  in sehr deutlich ausgesprochener Weise  
 und  wurde  es  sogar  für  die B irar-T ungusen bestimmend  den Thieren  zum  Ostende des  
 B ur eja-Gebirges zu folgen. 
 Im'Winter,  wenn  die Nahrung  ihm  knapp wird,  verschmäht es der Tiger  nicht  zwischen  
 den  Careadiumpen  sumpfiger  Thalmündungen  zu  mausen,  wie  ich  solches  aus  den  
 Spuren am oberen Ditschunbache zu wiederholten Malen sehen  konnte.  Er hat um diese  
 Zeit ein bestimmtes Lager, ohne dasselbe sorgfältiger herzurichten, als eben nur den Schnee  
 fortzuscharren,  oder sich im Winkel vorspringender Felsen zur Tagesruhe zu betten.  Gerne  
 sonnt er sich und schläft  auf freien Felsparthieen.  Im Sommer besucht er allnächtlich  die  
 natürlichen  Salzauswitterungen,  wie  solche  im  B ur eja- Gebirge  nur  in  geringer  Anzahl  
 vorhanden  sind  und  vom Roth-Hoch wilde  gerne  aufgesucht  werden.  Hier  legt  er sich in  
 den Hinterhalt  und wartet.  Bisweilen  überrascht er die an solchen Plätzen gleichfalls sta-  
 tionirten Jäger.  Er  geht  häufiger,  als er trabt  und  macht  bisweilen grosse Sprünge.  Die  
 grössie Sprungweite,  welche ich gesehen, reichte von einem Bachufer zum  ändern (des unteren  
 Salbatsche) und belief sich auf nahe zu  5  Faden.  Allein hier zeigte der abgefallene  
 Sand des jenseitigen, niedrigen Steilufers, dass er es kaum erreicht hatte.  Bei dem Durchschwimmen  
 der Ströme treibt ihn die Strömung nur wenig abwärts und steht er hierin  dem  
 Hirsche am nächsten.  Nur halb umgefallene Stämme  besteigt er zuweilen.  Bär und Tiger  
 sollen sich manchmal die Beute streitig machen und dabei der letztere den  Kürzern ziehen.  
 Grössere Ausdauer wird dem Bären,  grössere Geschwindigkeit und anfänglich mehr Energie  
 dem Tiger durch die B irar-T ungusen beigelegt. 
 Es  hat unter  den B irar-T ungusen  ab  und  zu Einzelne  gegeben,  welche  den Tiger  
 weniger fürchteten als es im  Allgemeinen die  Eingebornen des Amurlandes  thun. 
 Vor  20 Jahren tödtete ein gewisser L oktschole,  der Bruder des jetzt noch lebenden 
 Aeltesten  der  B irar-T ungusen,  Namens  M irgatui,  alljährlich  noch  3— 4  Tiger  und  
 hatte  sich  dadurch  weit  und  breit  berühmt  gemacht.  Im Verlaufe  von  30 Jahren wurde  
 im Bureja-Gebirge nur einmal ein B irar-T unguse vom Tiger zerrissen. Im Winter  1858  
 — 1859  soll  aber  die  Wache  des  Magazins  in  C atharino-N ikolskaja  am  Ostende  des  
 Gebirges Nachts vom Tiger überfallen und gefressen worden sein.  Nur im Falle, wenn  der  
 Tiger einen Menschen gewürgt hat,  verfolgen die B irar-T ungusen ihn,  ein Pferd opfern  
 sife  ihm  lieber,  ohne  ihn  weiter  anzugreifen.  Der  alte  M irgatu i  hatte  in  seinem  Leben  
 3  Tiger erlegt. 
 Solchen  Jägern  und  überhaupt  nur  alten,  erfahrenen  Männern  ist  es  gestattet  das  
 Fleisch des Tigers zu gemessen. Weiber sind bei den B irar-T ungusen von dem Genüsse  
 desselben  ganz  ausgeschlossen.  Der  Geschmack  wird  nicht  sonderlich  gelobt,  aber  nach  
 (fern  Glauben  der  einfältigen  Jäger  soll  es  sehr  wirksam  sein' und  Kraft  und  Muth  dem  
 Geniessenden  geben.  Als Arzneimittel  wird es gebraten  und  getrocknet,  dann  von  einem  
 kleinen Stückchen Brühe gekocht und diese gegen Diarrhoe gegeben. 
 Wie  das  Fell  des  Tigers  durch  den  Begehr  der  reichen  Chinesen  und  M andshu  
 einen ziemlich hohen Preis besitzt,  und mit 4— 5 Lan Silber,  d. i.  etwa 9 — 10 Rbl. Silb.  
 bezahlt wird,  so  sind  auch  die Knochen  bei  den Aerzten des Himmelreiches sehr gesucht.  
 Die D auren sind hier die-Zwischenhändler und bezahlen am mittleren Amur  18—20 Lan  
 Silber für einen vollständigen Tiger im Fleische.  So soll es, nach  der Aussage der B irar-  
 T ungusen, in Aigun schon solche Männer geben, welche die verschiedenen Knochen des  
 Tigers zu schätzen wissen,  einen  grossen Werth  aber darauf legen,  dass das Skelett ganz  
 vollständig sei.  Die Kniescheiben haben den höchsten Werth, indem man beide mit 3  Lan  
 Silber bezahlt,  nächst ihnen sind es dje beiden ersten Rippen, welche  2 Lan Silber preisen. 
 Allgemein fand ich noch bei den B irar-T ungusen,  wie auch bei den M andshu und  
 D auren  die Ansicht  verbreitet,  dass  dem Tiger  mit  dem Alter  ein höherer Rang anzuerkennen  
 sei,  und daher die Tiger,  wie bei uns und in China die Menschen, in ranglose und  
 rangbesitzende  zu  theilen  sind.  Als  äusseres  leitendes  Kennzeichen  zur  Bestimmung  des  
 Tigerranges  dient  einmal  der  Stirnabfall  und  zweitens  die  Fleckung  des  Felles  auf  der  
 Stirn.  Je steiler der  erstere und je bunter die letztere,  um so  höher der Rang des Tigers,  
 um so grösser die Ehrfurcht vor demselben.  Es giebt Tigej, welche  sogar den.Rang eines  
 General-Gouverneuren besitzen und in diesem Falle D shenjün-A m buan genannt werden,  
 gleich  den Menschen,  die  eine  solche  Stellung  in China  einnehmen.  Bei vielen  der Eingebornen  
 am Amur  steigert  sich  auch  noch  die  Ehrfurcht  vor  dem  Tiger  zu  religiöser  
 Verehrung.  Einigemale hörte ich ihn schlechtweg mit dem Namen B urkan (d.  i.  im mongolischen  
 «Gottheit») bezeichnen. Allgemein,  wie es  H. L. v. Sehrenck am unteren Amur  
 bei den G iljaken  und Goldemfand,  sprach  man auch bei den B irar-T ungusen  ungern  
 und  leise  vom Tiger  und  glaubte  ihm  in  der Bezeichnung Lawun  einen Namen  gefunden  
 zu haben,  der  ihm  unverständlich  und  für den Sprecher nicht Gefahr bringend wird.  Die  
 B irar-T ungusen glauben auch,  dass Derjenige,  welcher einen Tiger getödtet hat,  sicher