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 birge,  als  auch  in  den Ebenen  ostwärts  desselben  ein  durchaus  häufiges  und  beständig  
 lebendes  Thier  ist,  welchem  die furchtsamen  Eingeborenen  nur  in  äusserster Noth  nachstellen, 
  hat mir Veranlassung gegeben, nicht nur zwei schöne Exemplare  im Sommer-  und  
 Winterhaar  mitzubringen,  sondern  ihm auch  14mal  zu begegnen  und über  seine  Lebensweise  
 und  die  Erzählungen,  die  sich  bei  den  abergläubischen  B irar-T ungusen  an  ihn  
 knüpfen, recht ausführlich zu erfahren. 
 Gehen  wir zunächst an  die  speciellere  Besprechung  des  äusseren  Baues  der  A m urtiger  
 und  knüpfen  daran  die  Bemerkungen  über  die  zwei  Schädel  meiner  Exemplare.  In  
 seinem  nördlichen  Verbreitungsbezirk  scheint  der  Tiger  durchweg  einmal  das  Weiss  der  
 untern Körperseite mehr entwickelt zu  tragen,  und  zweitens  an  ihm  die Röthe  des Oberkörpers  
 zu  verbleichen.  Das  letztere  findet  an  dem  langhaarigen  'Winterkleide  besonders  
 statt.  Hierin kommen die  Tiger aus dem SO.  Sibiriens,  deren  ich  im Laufe der Zeit acht  
 Häute sah,  den kaukasischen sehr nahe.  Ein Exemplar des academischen Museums,  welches  
 H ohenacker  aus  dem  waldreichen T alyscher  Gebiet  einsendete,  stimmt  mit  dem  
 Sommerkleide meines m andshurischen Tigers ganz überein, bis auf das intensivere.Roth-  
 gelb  des Oberhalses, welches bei dem kaukasischen bleicher ist.  Dem stärkeren Haar zu  
 Folge, welches an der Brust verlängert ist,  halte  ich den  kaukasischen Tiger  für  ein im  
 Winterpelze stehendes Thier, welches für die  dortigen warmen Gegenden  kaum  eine  grössere  
 Länge erreichen dürfte.  Im kalten Sibirien  ist  das  anders.  Der Pelz eines vollständigen  
 Tigers,  welcher zu Anfang des April  1858  nahe  vom  Chaltan-Posten (K asatkina)  
 oberhalb des Bureja-Gebirges erlegt wurde, ist ausserordentlich dicht und langhaarig,  So  
 messe ich an ihm die Länge der Rückenhaare  durchschnittlich zu  50— 55  Mmtr. „die, der  
 verlängerten Wangenhaare zu  80—90 Mmtr.,  die des unteren Halses und der Vorderbrust  
 zu  70—80 Mmtr.  und die des Schwanzes zu 40—45  Mmtr. 
 An  diesem  Tiger finde  ich  nur  den  vorderen  Theil  der Ober-  und Unterlippe  weiss.  
 Zu den Nasenlöchern aufwärts spielt  es  ein wenig  in’s Gelb,  seitlich  zu  den Mundwinkeln  
 vom  Beginne  der  langen  weissen  Schnurrborsten  an,  zieht  sich  um  den  Mundrand  das  
 schwärze, fingerbreite Band.  Die Vibrissen,  deren längste  150 Mmtr.  messen,  sind weiss,  
 nur bei den  nach  oben  gestellten  mit  schwarzer  Basis,  schwärzliche  Kreisflecken,  umstehen  
 sie  hier.  Der  ockergelbe  Nasenrücken  bleibt  bis  zur Stirne  ohne Fleckung;  von  ihm  
 beiderseits seitwärts  zieht  sich  am Innenwinkel  des  Auges  und  von  dort,  heller  werdend,  
 ein gelber Streifen unter das weissgerandete Auge hin.  Nur ein schmaler,  schwärzet Saum  
 umfasst das obere Augenlied in seiner hinteren Hälfte. 
 Während nun unten und seitwärts vom Kopfe im weissen Grundhaar  sich  die schwarzen  
 Zeichnungen in ungeregelter Begrenzung,  aber  immer  bandförmiger Ausdehnung  sehr  
 schärf absetzen,  schiebt sich von unter den Augen her die hellgelbe Grundfarbe in Keilform  
 zu  den Ohren vor, wo  sie fahler wird.  Zwischen dieser und der gelben Stirn liegt ein grösser  
 rundbegrenzter Fleck,  der  zum Augenrande vortritt und ausser  ein Paar Borsten,  die 
 in länglichen gelbgrauen  Flecken auf dem Augenbogen  stehen,  besonders  noch  eine  halb-  
 mondförmige,  quergestellte, schwarze Zeichnung hinter dem Auge zeigen. 
 Die  Behaarung  der  inneren  Ohrfläche  ist  weiss,  die  der  äusseren  vom  Grunde  her  
 schwarz.  Vor  der  Spitze  am  Aussenrande  steht  ein  grösser  weisser  Längsflecken.  Am  
 Aussenrande  begrenzen  schwarz  und weiss  sich  scharf;  am  Innenrande  liegt  dazwischen  
 eine hellgelbe,  in weiss allmählich  übergehende Kante.  Für  die  Fleckung  der  Stirn  und  
 des Scheitels,  die  als wichtigstes Moment  bei den  C hinesen  und  auch den Eingeborenen  
 am  mittlern Amur  zur  Classification'  und  Rangverleihung  des  Tigers  dienen,  worauf  ich  
 weiter  unten  zurückkomme,  lässt  sich  nichts  Bestimmtes  angeben.  In  der  Ohrengegend  
 beginnt die  quergestellte,  bandförmige Zeichnung,  die im Nacken  undeutlicher  und unterbrochen  
 wird.  Namentlich schwindet sie zusehends im langen Winterhaar.  Vom Scheitel an  
 über  den  ganzen  Oberkörper verbreitet  sich  dann  die  gleichmässige,  helle,  gelbröthliche.  
 Grundfarbe,  die seitwärts  zu  den Flanken und  dem Halse  allmählich  heller  werdend,. sich  
 nicht  ganz  scharf vom Weiss  der  Unterseite  absetzt.: Seitlich  von  den  Schultern,  wo  die  
 gelbe Grundfarbe  von  nur  wenigen,  schwarzen Streifen  durchzogen  wird,  yor  denen  eine  
 grössere Stelle rein gelb bleibt,  zieht sich dies  dann  der Vorderseite  der Vorderfüssp  entlang  
 abwärts. auf die  Tatze  und  bleibt hier  ohne  weitere  Abzeichen  einfarbig  bis  zu  den 
 Krallen.  •.  {  f  |  gg 
 Nur  in  dem  sehr  verlängerten  Haare  der  Brust,  zwischen  beiden  Vorderfüssen ,und  
 vor denselben bleibt noch eine schwache gelbe Färbung dem Haare.  Im Uebrigen isf dann  
 die untere Halsseite weiss,  wie die des Leibes,  und seitlich geht sie in das  Gelb des Oberhalses  
 allmählich  über.  Die  sehwarzen  Querbinden  anlangend,  so  variiren  diese  an  Zahl  
 und Form  sehr.  Im Winterkleide  sind  sie  meistens  etwas  breiter und  verlaufen  auf  dem  
 Rücken  bei  einigen  in  einander;  auch  die  nach  vorne  tretenden  Spitzen  sind  hier  viel  
 stumpfer  als  im  Sommerkleide.  Drei  oder  vier  derjenigen,  die  hinter  den  Vorderfüssen  
 beginnen, bilden geschlossene Leibringel und werden am Bauche viel breiter;  hinter  ihnen  
 stehen noch ein Paar grosse, schwarze Flecken am Bauche. 
 Wie die Vorderfüsse, so  sind auch die hinteren auf der Aussenseite des Schenkels und  
 auf  der  Vorderseite  des. Füsses  gelb.  Die  Kniebeuge  und  Innenseite  bleibt  weiss.  Der  
 Schenkel und das Schienbein sind noch reichlich durch Querbinden und umgreifende Ringelzeichnungen  
 geziert.  Die Ferse ist schwärzlieh grau, weiss gestichelt.  Die Behaarung der  
 Fuss-  und  Zehenballen  an  allen  Füssen  schwarz.  Der  schwarzgespitzte  Schwanz  hat  im  
 Winterkleide zehn Ringelbinden,  die  der Spitze zu breiter werden, während sie dem Grunde  
 näher undeutlicher  und  schiefer gestellt  sind.  Das Wollhaar  dieses  Tigers ist  da,  wo  die  
 gelbe Grundfarbe vorhanden,  an der Basis grau und nach oben hin gelblich,  sonst schwarz  
 oder weiss, je nach den Stellen,  an.denen es steht und  die entsprechende Farbe  des Decfc  
 haares sich findet. 
 Das  eben  beschriebene  Thier  war  ein Weibchen  (welches  die  B irar-T ungusen  für  
 etwa 3  4jährig hielten)  es misst  178 Cmtr. von  der Sclmauzenspitze zum.Schwanzgrunde.