
Da einige der von mir mitgebrachten Wölfe Uebergangsstnfen zum Canis lycaonSchrb.
bilden, so muss ich erst einige Worte.über dieses Thier voranschicken. S chreb er’s Canis
lycaon, den er in seinen «Säugethieren» S. 353 beschreibt und T. 89 abbildet, passt in der
Beschreibung zur schwarzen Varietät des Fuchses, wie dies der Autor selbst auch sagt und
sich vielfach auf das Vorkommen desselben in Sibirien beruft. Die citirte Abbildung hingegen
stellt einen wirklichen schwarzen Wolf dar und demnach finden wir hier einen Fehler,
der sich auf später erschienene Werke, und so noch in einem der neuesten, nämlich in
G iebel’s Säugethiere, S. 839, übertragen hat. Die Sache verhält sich nämlich damit so:
Buffon in seiner Histoire naturelle giebt 1761, Bd. IX, S. 364 ff., eine ausführliche Beschreibung
des Canis lycaon, ohne ihn mit einem lateinisch - systematischen Namen zu bezeichnen.
E rxleb en (1777) in seinem «Systema regni animalis» giebt S. 561 ausser einer
Anzahl von Citaten früherer Autoren, aus welchen sich die schwarze Varietät des Fuchses
sehr wohl erkennen lässt, auch noch die Diagnose für Canis lycaon, nach welcher derselbe
C. Vulpus vart. nigra ist.
D esm arest in seiner Mammalogie macht schon darauf aufmerksam, dass Gmelin und
E rxleb en ihren Citaten nach fälschlich den C. Vulpus vart. argenlatus anstatt Canis lycaon
erwähnen und beschreiben. Auch F. v. C uvier in seinem «règne animal» S. 151 in einer
besonderen Anmerkung erwähnt, dass man den schwarzen Wolf, für den er B uffon’s Abbildung
und ausführliche Beschreibung, wie wir sie im IX. Bande der Histoire naturelle
finden, citirt, nicht mit dem schwarzen Fuchse, wie es Gmelin und E rx leb en gethan, verwechseln
dürfe. Da die Abbildung nun, welche. S chreber giebt, genau der von Buffon
veröffentlichten gleichkommt, so unterliegt es keinem Zweifel, dass sie eine Copie der
Buffon’schen ist, mithin den wirklichen Canis lycaon vorstellt, während die dazu gegebene
Beschreibung den Canis Vulpus vart. zum Gegenstände hat. Es muss also für die Citate
nur die Abbildung T. 89 ans S ch reb er’sSäugethieren erwähnt werden. Auch G riffith bespricht
Canis lycaon in seinem «the animal Kingdom» 1827 als Varietät des Wolfes und
giebt eine bessere, im Halse etwas gekünsteltere Abbildung als Buffon und Schreber.
An der sib irisch en Grenze und namentlich in den südlichsten Gegenden des mittleren
Amurlaufes kommen unter den Wölfen, deren C'olorit im Allgemeinen an das der europäischen
Thiere dieser Art erinnert, auch solche vor, die näher dem Canis lycaon stehen,
deren sehr langes Bückenhaar eine breite, glänzend schwarze Endbinde besitztjja, das
Haar wird bei ihnen sogar, nachdem ein kleiner weisser Zwischenraum auf die schwarze
Spitze folgt, dann wieder fast bis zu seinem Grunde schwarz, welcher letzterer aber blendend
weiss im grauen, schwach gekräuselten Wollhaare steht. Die Länge solcher Haare auf
der Mittellinie des Kückens, zwischen den Schulterblättern; misst durchschnittlich 160 Mmtr.
an einem Exemplare vom U ssuri (frisches Winterfell) und bleiben dieselben in gleicher
Mächtigkeit dem ganzen Oberhalse und Kücken. Zwischen den hinteren Flächen der Ohren
legt sich das verhältnissmässig kurze Kopfhaar an diese üppige, fast kammförmig sich hebende
Behaarung des Oberhalses, die im Laufe des Winters, bei dem häufigen Durchdrängen
des Thieres, namentlich durch die zusammenhängenden Unterhölzer von Corylus, abgetragen
wird und den im Herbste dunklen Wolf im Frühjahre viel heller erscheinen lässt,
indem dann gerade die weissen Deckhaartheile, die äussersten, für das allgemeine Colorit
bestimmend sind. Auch das verlängerte Wangenhaar solcher Wölfe ist schwarzspitzig, und
hebt sich so eine schwarze Grenzlinie zum Gelb oder gelblich Weiss des Unterkiefers ab,
die, unter den Augen beginnend, tief unter dem Ohre zur Halsseite hin verläuft. Bemerkenswerth
scheint es mir noch an dem vom U ssu ri stammenden Felle, dass die Unterlippe
in ihrem vorderen Theile braun und seitlich aufwärts sogar roströthlich wird, welche beide
Farben bald schwächer werden und sich in das gelbliche Weiss der Kehle ganz verlieren.
Constant sind ferner die stark röthlich gelben Grundtheile der weichbehaarten hinteren
Ohrenbasis. Die untere Körperseite ist der des europäischen Wolfes an Farbe gleich. Auf
den Vorderfüssen erstreckt sich eine Mittellängsbinde, die vorwaltend schwarz ist, bis zur
Kniebeuge. Die Schamgegend wird gelber, bei einem zweiten Exemplare (wie das erste ein
Männchen) sogar röthlich.
Bei diesem zweiten Thiere, welches in Farbe und Grösse dem eben Besprochenen fast
ganz gleich kommt und da» ich in Irk u tsk von einem B u rjäten kaufte, finde ich das
Haar viel straffer anliegen und durchschnittlich nur halb so lang. Es messen die längsten
Haare des Rückens zwischen 80 — 95 Mmtr. Nach der Aussage des Verkäufers stammt
dies Thier aus den Baikal-Gebirgen und ist im Frühlingspelze.
Solche dunklen Wölfe sind übrigens in Cis- und T ransbaikalien sehr selten, es
scheint, dass sie) da H. L. v. Schrenck denWolf des Mündungslandes vom Amur als dem
europäischen ganz gleich erwähnt, dem südlichen Theile des Amurs und seinen, in ihn rechts
einfallenden Nebenflüssen besonders angehören; denn eine bedeutende Anzahl von Fellen,
wie ich sie bei m andshurischen Kaufleuten am U ssuri und Sungari sah, stimmten im
Colorit genau zu einander. Freilich belehrten mich meine eigenen Erfahrungen an den
Wölfen des Bureja-Gebirges, deren ich sechs im Winter 1857— 1858 mit Giftpillen erbeutet,
dass an ihnen das Schwarz der Haare nicht immer vorkommt und den jüngeren
Thieren zumal fast ganz fehlte, allein das Haar der hier lebenden Thiere war schon Ende
November sehr bedeutend abgenutzt, da die Thalgehänge und die zum'Gebirge ansteigenden
Flachvorländer, welche der Wolf immer sucht, meistentheils stark mit Corylus heterophylla
und anderen Gebüschen bewachsen sind.
Für die tran sb aik alischen Gegenden unterscheiden die Jäger die Steppenw ölfe
von den Waldwölfen und geben den letzteren ihrer Helle wegen den Vorzug vor den er-
steren, die meistens sehr gelbgrau und selbst röthlich sind.
Das, was ieh über die locale Verbreitungsweise des Wolfes* über sein Naturell und
seine sehr variable Lebensweise in den von mir gesehenen Gebieten weiss, würde sich fdl-
gendermaassen zusammenstellen lassen.
Wesentlich hängt seine Häufigkeit von der Reliefbildung ab, die seine Aufenthaltsorte
zeigen. Je höher und steiler die Gebirge, je dichter und ausgedehnter die Wälder, um so
R a d d e , Reisen im Süden von Ost-Sibirien. Tbl. 1. q