SS. Cervas Elaplius L.
Bei den S’ojoten im östlichen Sajan der Hirsch: Bugü; die Kuh Chogün; das Kalb: Dsorogol.
Bei den B irar-T u ngü sen der Hirsch: Bugui oder ßugai; die Kuh: Komacha.
Die Grösse des sibirischen Edelhirsches anbelangend ist es zwar im Allgemeinen anerkannt
und richtig, dass er im Vergleiche zum europäischen grösser ist, allein der Zwölfender,
welchen wir im September 1847 im Bureja-Gebirge erlegten, sprach entschieden .dagegen,
dass solche Grössenunterschiede constant seien. Ebenso fanden die Jäger der unteren
Schilka, welche, übergesiedelt znm mittlemAmur, hier jagten, den Hirsch im Vergleiche zu
dem des Chingan klein. Auch die vielen Spuren, welche man sah, und deren grösster Theil
ausgewachsenen Thieren angehörte, blieben hinter denen von der unteren Schilka in ihrer
Gesammtfläche zurück. Das Geweih betreffend, würde sich wohl die Regel aufstellen lassen,
und meistens bestätigt finden, dass die Hirsche der Hochgebirge ein kürzeres, gedrungeneres,
aber viel kräftigeres Geweih tragen, als diejenigen der flachen Gegenden, wenigstens
ist dies eine Beobachtung, die man im östlichen Sajan zu. machen Gelegenheit findet. In
seiner Lebensweise bietet der Hirsch Vieles, was wir bei derjenigen des Rehes gleichfalls
bemerken. E r ist im Frühling und Sommer der Bewohner steiler Gebirge und geht gerne
in die höchsten Reviere der Baumgrenze, ja selbst bis zum Gletscher des M unku-Sardik
schweift er zeitweise hinauf. E r geht auch über, den steilen Kamm des Sajan-Gebirges,
was nur wenige der anderen Thiere thun. Wie das Reh, so sucht auch der Hirsch gern die
diclftbestrauchten und bewaldeten grossen Inseln im Amur auf, wo ich oftmals die vielfach
betretenen Wechselspuren traf. Zum Winter zieht auch er thalwärts, ja er tritt in den bis
dahin (1857) noch sehr wenig von Menschen bewohnten Landen am mittlern Am ur selbst
auf längere Zeit in die Ebenen und auf die Inseln des Stromes. . Die Hirsche gehen im
Winter in keinen Banden, selten mehr als 4— 5 Thiere beisammen. Im Sommer leben sie
häufiger einzeln. Ende August und während des ganzen Septembers findet die Brunst statt,
während welcher die Männchen blutige Kämpfe mit einander haben. Ihr Ruf, den die heidnischen
Jäger geschickt nachzuahmen verstehen, wozu sie sich in den westlicheren Gebirgen
(Sajan-, B aikal-, A pfel- und Chingan-Gebirge) besonderer, aus Tannen- oder Lärchenholz
gemachter, schwach gekrümmter Hörner bedienen, die über 2' lang sind, am
linken Am ur aber auch die dicken hohlen Stengel der Kongola-Umbelle (Calisau daurica)
dazu benutzen, lässt sich durch folgende Töne ausdrücken:
In dieser Zeit ist der Hirsch nicht furchtsam und eilt dem verborgenen Jäger bis auf
einige Faden Weite zu. Alte Hirsche folgen der nachgeahmten Herausforderung zum
Kampfe nicht leicht und wissen den Ruf von ihres Gleichen gut von dem trügerischen der
Jäger zu unterscheiden. Ein am 18. (30.) September erlegter Hirsch hatte das noch kurze,
ganz frische Winterkleid schon überall angelegt. Das Geweih trägt er bisweilen bis gegen
das Ende des Jahres, wirft es aber meistens nach vollbrachter Brunst im October und November.
Seit der Mitte des März trugen die Hirsche im Bureja-Gebirge schon die jungen
Geweihe und zogen sich mehr und mehr in die Uferregion des Gebirges, wo die Sonne die
offen gelegenen Höhen ihres Schnees zeitiger zu berauben beginnt, als im Innern. Für den
Winteraufenthalt wird als Standort im Gebirge gerne die Nordseite gewählt. Mit der
Schneeschmelze besucht auch der Hirsch die sogenannten coMpe-neien. Die Kuh wirft,
nachdem sie 7'/a Monat getragen, Ende April ein geflecktes Kalb. Im Sommer erscheint
der Hirsch bei den Wanderungen zu den Sümpfen und Salzlecken viel später als das Reh,
gemeinlich erst, wenn es schon dunkel' .geworden ist. Vor der Morgendämmerung begiebt
er sich langsam noch in die Dickung zurück. Er schwimmt mit grösser Geschicklichkeit
und Kraft und wird selbst von starker Strömung nur wenig abwärts gerissen. Obgleich
dem Hirsche überall in Sibirien und ganz besonders im Frühlinge seines jungen Geweihes
wegen, welches, so lange es weich ist, von den Chinesen sehr theuer bezahlt wird, eifrigst
nachgestellt wird; so ist er doch in Folge seiner grösseren Vorsicht, seines scharfen Gesichtes
und der Schnelligkeit und Dauerhaftigkeit seiner Bewegungen viel sicherer vor den Nachstellungen
als das Reh. Im östlichen Sajan wurde er bis zum Jahre 1858 recht oft, ebensowohl
im Quellgebirge der D shida, als auch in dem des Irk u t und der westlicheren Oka
angetroffen. Im Frühlinge 1859 aber mangelte es hier überall sehr an Hirschen und selbst
berühmte Standorte, wie die Quellgebirge des Sangischan (rechts zum mittlern Irk u t) waren
von ihnen gänzlich verlassen, weil Canis alpinus, der die Hirsche vornehmlich verfolgt, sie
von hier vertrieben hatte. Bei den K aragassen ist der Hirsch die gemeinste Hochwildart.
In fast überall gleicher Häufigkeit wurde er in T ran sbaikalien und weniger häufig im
Baikal-Gebirge erkundet, wird aber doch nur selten in mehr als 3 — 5 Thieren von den
besten Jägern im Jahre erbeutet. Von der Hochsteppenfauna ist das Hirschgeschlecht ausgeschlossen
und am Ostabhange des südlichen Apfel-Gehirges herabsteigend, verfolgen
wir ihn nur bis in die Gegenden von M ogoitui und A kschinsk, dann den Ingoda- und
Schilkaufem entlang, wo er auf rechtem Ufer dieser Flüsse nicht so weit vortritt, wiö das
Reh, sondern immermehr die Hochwälder aufsucht. Im Chingan wird er ein vomehmli-
cher Bewohner der steilen Ufergebirge und kommt nur sehr vereinzelt nordwärts vor, wo
ihn das Elenn ersetzt. In diesem Gebirge wird von den O rotschonen seine Jagd auf das
Eifrigste betrieben, und soll es einen Jäger 1856 gegeben haben, der dort in diesem Jahre
60 Hirsche erbeutete. Hier stellt sie gemeiniglich der Hund, indem er sie zu steilen Felsabstürzen
treibt. Im Bureja-Gebirge ist er überall ziemlich gemein, soll aher südlich eine
Tagereise weiter in viel grösserer Menge Vorkommen und von hier im .Sommer Nachts die
natürlichen Salzlecken auf dem Schachscha-C hada besuchen, aber nie über den Fluss
nordwärts Vordringen. Die Bedingungen seiner Existenz müssen dort sehr günstige sein,
weil er, wie es den B irar-T ungusen bekannt ist, dort auch im Winter seine Stände nicht
verlässt.