83. Antilope (Caprina) crispa Temm. Taf. XII.
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Die Literatur über diese Art ist leider so gering, und ihre Verwandtschaft mit der
Ant. Goral Hardw. des Himalaya scheint so gross zu sein, dass es mir bei dem Vergleiche
des von mir mitgebrachten vollständigen Thieres, welches im Bureja-Gebirge 1858 erlegt
wurde, mit den betreffenden Beschreibungen der beiden Arten nicht möglich wurde, es
strenge von der einen oder von der anderen zu unterscheiden. Mein Exemplar schliesst
sich sogar in vieler Hinsicht besser an Ant. Goral als an Ant. crispa an. Da uns vom Texte
der Fauna japónica auch auf die schon 1857 seitens der Academie nach D eutschland
gerichteten Anfragen an die Buchhändler, der weitere Text, welcher bei Canis viverrinus
abbricht (S. 40) nicht zugegangen ist, das Erscheinen eines solchen sogar verneint wurde, so
ist es auch unmöglich unser Thier mit der etwa erschienenen Originalbeschreibung, die von
Giebel mit Seite 55 citirt wird (die Säugethiere p. 302) zu vergleichen, und wir sind daher
nur auf das Wenige angewiesen, was Andr. W agner'), S chinz2) und Giebel?) von ihr
erwähnen. Die Zweifel, ob ich es mit der Goral-Antilope oder der kraushaarigen Antilope
zu thun hahe, drängen sich mir um so häufiger auf, als vom Standpunkte geographischer
Verbreitung betrachtet, beiden Thieren gleiche Hechte auf ihr Vorkommen im Amurlande
zuerkannt werden müssen, da die Fauna sowohl des Südrandes Mittelasiens, als auch die
bis dahin als insular abweichend betrachtete Fauna Japan s ihre Vertreter im Amurlande
in fast gleicher Anzahl hat, und die Ansicht Herrn L. v. Schrenck’s “), dass dieses Thier
nur der Küstenregion der M andshurei angehöre, durch das Auffinden desselben im B ureja
Gebirge berichtigt werden muss. Endlich nun noch ist es gewiss, dass hier, wo diese
Antilope zweifelsohne ihre äusserste nordwestliche Polargrenze der Verbreitung erreicht hat,
ebenso wie die übrigen bis hier her vorkommenden südasiatiscjien Säugethierarten, im äusseren
Baue bedeutende Abänderungen erfuhr, eine Folge der so ganz anderen allgemeinen
physikalischen Verhältnisse, unter denen diese Thiere in diesen Breiten existiren. Der Gedanke
an eine vielleichtige Identität beider Arten dürfte daher erlaubt sein, wennschon es für
jetzt nicht thunlich ist, seine Richtigkeit nackzuweisefl, indem die Antilope crispa nach der
v. Siebold’schen Reise, unseres Wissens, nicht nach Europa kam und als höchst selten
in den Gebirgen von Nippon und Sikok lebend angeführt wird, mithin auch nicht genauer
mit Antilope Goral verglichen werden konnte. Soviel darf man indessen mit Sicherheit behaupten,
dass das längere Haar der japanischen Antilope, wie solches auch unser Amurthier
in noch stärkerem Maasse trägt, nicht als sehr gewichtig bei der specifischen Trennung
der beiden in Rede stehenden Arten zn betrachten sei, sondern vielmehr nur als die
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1) Andr. W agner. Die Säugethiere Supp. 4. S. 461.
2) Schinz. Synopsis mammalium 2. Bd. p. 555.
3) G iebel. Die Säugethiere S. 302.
4) Reisen und Forschungen 1. c. p. 159,
Folge klimatischer-Einflüsse zu betrachten wäre, was durch die meisten Thiere, die südlichen
und nördlichen Breiten gemeinsam sind, gleichfalls dargethan wird. Der vernehmlichste
Unterschied, welcher den Ausschlag geben müsste, wäre die Thränengrube. Damit
aber verhält es sich nun so: Ant. crispa soll eine Thränengrube besitzen, derAnf. Goral soll
sie fehlen, wenigstens bringt Giebel beide Arten in die durch dieses Merkmal charakteri-
sirte#Unterabtheilungen des Subgenus Caprina. Bei der ersteren nun, von welcher uns
Herr Maximowicz den Kopf eines recht alten Männchens vom U ssuri einsendete und dak
von mir mitgebrachte ganze Thier mir vorliegt, sehe ich die Thränenrinne und die Grube ‘
zwar nur verkümmert und flach, aber doch deutlich, ja auf der Grube selbst fehlen die
Haare, wie dieses besonders afi dem Kopfe des alten Thieres sichtbar wurde, von welchem
das Haar fast ganz abfiel, weil die Haut nicht zweckmässig präparirt wurde, und man an
ihm in der verkümmerten flachen Thränengrube nur eine schwach gerunzelte Haut wahrnimmt,
aber keine Spuren der Haarwurzeln. Die Thränenrinne setzt sich, im vorderen
Augenwinkel nur eine geringe Strecke weit auf haarloser Haut fort, wird dann aber durch
kurzes, nach unten gerichtetes Haar verdeckt. Wie gesagt, so sehe ich an beiden Exemplaren
der Antilope crispa alles dies in nur geringem Grade entwickelt und erkenne es nur als
stark verkümmert. Der Antilope Goral wird aber ebensowohl bei Fr. C uvier') als auch in
der Original-Beschreibung von H ardw icke2), die Thränengrube als eigenthümlich zugesprochen,
und nur Andr. W agner3),- der eine neue Original-Beschreibung nach zwei Thieren
entwarf, verneint ihr Vorhandensein. Bei dem Mangel nun an einem Original-Exemplare
kommt man bei der Bestimmung des Thieres vom Amur in Verlegenheit, denn wie
wir sogleich aus nachstehendem Schema ersehen werden, finden sich grosse Uebereinstim-
mungen in dem übrigen äusseren Baue beider (Antilope crispa, wie auch der Antilope Goral)
mit unserem m andshurischen Thiere.
Ich stelle jetzt die unterscheidenden Merkmale, welche aus den Beschreibungen Andr.
W agner’s und H ardw icke’s für Antilope Goral sich entnehmen lassen, neben die, welche
G iebel für Antilope crispa giebt (Schinz beschreibt sie nur nach der Abbildung, auf deren
Besprechung ich weiter unten zurückkomme).
Antilope Goral Hard.
Himalaya (Hardwicke).
1. Die Form — i
2. Der Kopf ist stark coniseli
, zusammengedrückt,
Himalaya (Andr. Wagner).
Der Habitus erinnert
sehr an die Ziege, doch
lässt sich die Antilope
nicht verkennen.
Antilope crispa Temm.
Japan (Giebel).
Hoch- und dünnbeiniger
Typus (ist vielleicht der
entstellten Abbildung entnommen).
Kurzer Kopf.
Amur (Radde, Originalbeschr.).
Plumpe, geradrückige
Ziegengestalt, mit ziemlich
dickem Halse und starken
Füssen.
Hoher, conisch zulaufen-'
der Kopf, mit geradem
il) Hist. nato\ des mammifr. Bouquetin de Nepoul.
2) The transact. of the Linnean soct. vol. XTV. p. 518.
3) Die Sàugethiere etc. 4. Abtheil. Suppl. p. 459.