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 dem ganzen Ost- und Westabhange des Apfel-Gebirges.  Westwärts von diesem gehört es  
 meinem  ganzen  Reisegebiete  an  und  war  sowohl  am Nord- als  auch  am  Südabhange  des  
 Sajan vorhanden.  Soviel über  die Verbreitung  in  horizontaler Richtung  im Allgemeinen.  
 In  verticaler  aber  steigt  es  im  Sommer  bis  zu  circa 8000' Höhe  über  dem Meere,  ja  es  
 kommt dann in einer Höhe von 6— 7000'häufiger vor,  als in den tiefer gelegenen Thälern,  
 weil die Insekten  es  in  den  letzteren  mehr  peinigen  und  es Anfangs Juni,  wie  der Hirsch  
 und Bär,  zu den  Gebirgshöhen auswandert.  Wo  ihm  solche fehlen,  wie z.  B.  im  grössten  
 Theile  des  mittleren Amur,  da  wird  es  gerne ein Inselbewohner und  ruht  in den dichten  
 Gebüschen,  welche die Sumpfränder umstehen (namentlich Spir.  salicifolia).  Bei der Besteigung  
 des  M unku-Sardik  wurden  Abends  auf dem  Rückwege  zum  Zelte  die  Rehe  weit  
 über  der Baumgrenze  auf  der Aesung  überrascht.  Sie  verlassen  diese  Höhen  im August  
 und  wandern dann thalwärts zu den Waldrändern. 
 Den periodischen Wanderungen aller Thiere1),  und  so  auch  denen  des Rehes,  liegen  
 Ursachen zu  Grunde,  die bisweilen ganz local,  bisweilen aber auch,  weil sie auf allgemein  
 physikalische Eigenthümlichkeiten  der  betreffenden  Landschaften  begründet  sind,  grossen  
 Strecken  derselben  zu Theil  werden  und  in  Folge  deren  dann  die Wanderungen  meistens  
 mit grösser Regelmässigkeit sich wiederholen.  Der Nahrungsmangel  ist die Triebfeder  für  
 allgemeine  grössere Emigrationen  der  meisten Thiere,  dieser  aber  wieder  nur  eine Folge  
 von  klimatischen,  theils  temporär  abnormen  (dann  locale Bewegungen  bedingend,  Raub-  
 thiere,  Dickhäuter,  Nager),  theils  von  regelmässig  sich  wiederholenden  klimatischen Einflüssen  
 (dann reguläre und viel grössere Wanderungen bedingend (Ruminantia,  Solidungula).  
 Zu  einer richtigen Auffassung der Wanderungen des Rehes ist es  nöthig,  dass  wir  uns  die  
 Configuration  des  weiten Grenzstreifens von O stsibirien,  welchen ich bereiste, in seinen  
 hauptsächlichsten Gebirgsgliederungen vergegenwärtigen und die erfahrungsmässig bekannt  
 gewordenen Eigenschaften  des Klimas,  welche  durch  diese  Configuration  bedingt  werden,  
 in Anschlag bringen. 
 Der Nordabhang  des  Sajan  ist  ausserordentlich  reich  an  wässrigen Niederschlägen,  
 der Südabhang  daran  viel  ärmer  (wie  dies  auch  durch  die  Vegetation  angedeutet  wird).  
 Die Baikal-Gebirge sind noch schneereicher als die Nord Verflachungen des Sajan.  Ebenso  
 ist es der südliche Theil  des Apfel-Gebirges  mit  dem  nahe  gelegenen K entei,  wogegen  
 weiter nordwärts in  demselben  es  eine  vielfach  bestätigte Thatsache ist,  dass  eine  bedeutende  
 Strecke  nördlich  und  südlich  von  T schita  in  den  meisten  Jahren  nur  geringen  
 Schneefall hat.  Weiterhin nordöstlich sind  es die Kämme  des ganzen  Apfel-Gebirges und  
 östlicher  die Höhen  des Chingan  und Bureja-Gebirges,  die von  schneereichen Wintern  
 heimgesucht werden.  Hier nun überall wird dem Reh die Winterung beschwerlich,  oft unmöglich  
 und wir bemerken daher,  wie  es  bei dem Herannahen  des Winters sich geschaart 
 1)  Man  vergl.  die  bezügliche  Karte. 
 von  den Höhen der Gebirge  thalwärts  bewegt  und  die Waldränder  der  grösseren Flächen  
 zum Standorte  wählt.  Also  begiebt  es  sich  von  der  Nordseite  des  Sajan  zum A ngara-  
 Thale (Gebiet der A larschen B u rjä te n 1))aus  den westlichen Baikal-Gebirgen (westliche  
 Lena-Quellen)  gleichfalls  in  das  Angara-Thäl  (Irk u tsk ,  U st-B ale, A lexandrofsk).  
 Vom Südabhange  des Kamara-Gebirges  geht  es  in’s Selenga-Thal;  von  den Thalhöhen  
 seiner steilabfallenden NO.-Seite, sowie von der Wasserscheide zwischen dem Irkut-Systeme  
 (B ystraja) und den Baikal-Zuflüssen  zieht  es  in  das  K ultuk-T hal,  der  einzigen  etwas  
 geräumigen Gegend,  die am SW.-Winkel des  B aikal vorhanden ist. Ebenso tritt es an den  
 Westabhängen des südlichen Apfel-Gebirges  in  das  obere Selenga-Gebiet.  Weiter  östlich  
 sammelt  es  sich  in  manchen  Jahren  in  grösser  Zahl  in  den  Umgegenden  der  Stadt  
 Tschita.  Am entschiedensten aber strömt es noch vor dem Eisgange dem Rande der Waldgebiete  
 zu,  welche  das Nordende  der hohen  Gobi  auf russisch er  Seite  einfassen.  Dies  
 geschieht vom Ostabhange des südlichen Apfel-Gebirges in südöstlicher Richtung,  wo die  
 Rehe  in  dichten Schaaren,  falls  sie  auf ihrer Wanderung  überall  starken  Schnee  fanden,  
 sich bis in den S’assutscheerW ald ziehen  und  mit  diesem  direkt  am  rechten 0 nonufer  
 in die Gobi  vortreten.  Nordwärts  her  verlassen  sie  den Kamm  des ,Apfei-Gebirges  und  
 gehen in die Gegenden um die Stadt N ertschinsk.  Im Osten verlassen sie theilweise das  
 Quellgebirge  des  Gasim ur  und  erreichen  in  grösser  Häufigkeit  selbst  die  Nordabhänge  
 des A don-tscholon, wie auch,  südlich  vordringend,  die Gegenden  um  den N ertschins-  
 kischen Sawod.  Ganz  ebenso sehen, wir sie im oberen und  mittleren Amurlaufe  die Ostverflachungen  
 des  Chingan  und  die Südabhänge  des  Apfel-Gebirges  verlassen  und  sich  
 in die Ebenen,  welche sich oberhalb und unterhalb der Dseja-Mündung ausdehnen, begeben. 
   Von  den  Höhen  des Bureja-Gebirges  wandern  sie  in  südwestlicher Richtung  auch  
 diesen  Ebenen  zu.  Aus  den  Ufergebirgen  concentriren  sie  sich  in  das  obere  Drittel  des  
 Gebirges und ostwärts  gelangen  sie  in  die Ebene  des  Sungari.  Am  deutlichsten  werden  
 diese Wanderungen da, wo  die  Gegensätze  der waldbedeckten Gebirge  zu  den  kahlen  Ge-  
 birgsländern oder Ebenen  am prägnantesten  ausgesprochen sind,  so  also  in T ran sbaika-  
 lien und am mittlern Amurlaufe.  In D aurien wird  das Reh  besonders bei S’assutsche  
 und bei dem Dorfe B irki nordöstlich vom  A don-tscholon  fast  in jedem Winter ein  sehr  
 häufiges Standwild,  was  erst  nach der Schneeschmelze wieder fortwandert.  Am  mittleren  
 Amur kommt  es  in Rudeln  von  über  30 Thieren  im Winter  beisammen  vor  und  lebt  in  
 den bestrauchten und mit einzelnen Hochstämmen von Betula davurica und Quercus mongolica 
 1)  Im  östlichen  Sajan  findet  bisweilen  auch  gerade  der  entgegengesetzte Fall  statt.  Im  Jahre  1857  
 gingen  die  Rehe  trotz  der hohen  Gebirge  von  deren Nordseite  auf die  Südseite  und  sind  seit jener  Zeit  
 im  Systeme  der  Oka recht selten  geworden;  erst 200—300 Werst abwärts  die  Oka vom O kinskischen  
 Karaul  wird  es  häufiger.  Bei  diesem  Karaul  will  man keine Wanderungen  des  Rehes  wahrnehmen, was  
 vielleicht  darin  seinen  Grund  hat,  dass  die beiderseits  der  Oka gelegenen  Gebirge  sehr wilde,  unzugängliche  
 Höhen  besitzen,  sich  aber  in  den Umgegenden  der  O kinskischen  Grenzwacht  die  Thalsohle  der  
 Oka stark  erweitert, und  so  auf den Uferländern  des  Flusses  recht günstige  Standorte  dem Rehe  geboten  
 werden. 
 R a d d e ,  R eisen  im Sdden  von  O st-S ib irie n .  T h l.  I.  36