vorbei und konnten am nächsten Abend, unweit des Baltoi-Flüsschens, welches in dem
nordöstlichen Winkel des Bargusin-Busens dem B aikal zufällt, unser Zelt aufschlagen.
In einem der wenigen-Häuser, welche an der Mündung des B argusin (rechtea.Ufer)
gelegen, beschloss ich einstweilen zu bleiben, und verweilte den 16.— 17. August daselbst.
Tag’s darauf wurde eine kräftige Brise aus SO. benutzt, um die geräumige B argusinsche
Bucht mit Hülfe des Segels rasch zu durchfahren. Erst Abends bei Sonnenuntergang war
das geschehen, aber über Nacht brach ein so ungestümes Herbstwetter aus, dass am ändern
Tage als es fortdauerte, nicht weiter zu kommen war. Auf’s Neue erkrankt, musste
ich nun suchen, so rasch als möglich weiter zu kommen, da für diese Gegenden bereits der
kalte, feuchte Herbst sich eingestellt hatte. Ich ordnete also am 20. August meinen Leuten
an, dem Ufer entlang, sobald das Wetter es erlauben würde, mir zu den turkinskischen
Mineralquellen nachzukommen, wohin ich Nachmittags in einem Wagen ahreisen konnte,
da zwischen der Bargusin-Mündung und den turk insk isch en Quellen eine Strasse gebahnt
und auch die soganannte Landpost Pferde zu stellen verpflichtet ist. Die Entfernung
aber beider Stationen beträgt 56 Werst. Spät Abends am 20. August langte ich dann im
tu rk in sk isch en Dorfe an.
Die tu rkin sk isch en warmen Quellen enthalten vornehmlich schwefelsaure Salze.
Chlor-Verbindungen sind darin nur in geringem Maasse vorhanden, sie haben eine Temperatur
von 43° R. Die Wiederkehr der Eieberanfälle nöthigte mich bis zum 2. September
hier zu bleiben. Am ersten waren meine Leute mit dem Boote und den Sachen mir nachgekommen,
und konnte ich nun ihre Rückreise über den See zur Station L istw esitschnaja
anordnen. Dort angekommen sollten sie mein Eigenthum zweckmässig bergen, bis ich es
nach meiner Rückkehr vom Gänsesee bei ihnen würde in Empfang nehmen können.
Obgleich'nun zwar der Herbst mit Riesenschritten nahete und Lärche und Birke sich
schon stark zu entlauben begannen, auch die Zugvögel bis auf einzelne Bachstelzen und
Schwalben grösstentheils fortgewandert waren, so glaubte ich doch meine Instructionen
buchstäblich erfüllen zu müssen und brach daher am 2. September zum Gänsesee. auf. Die
zuerst erreichte Station (G rem jatschinskaja) liegt noch am Ufer des B aikalsee’s, aber
bei ihr entfernt man sich von ihm in südwestlicher Richtung. Im Thale des Chaim-Flüss-
chens liegt die nächste Station, von welcher man fortwährend durch dichte Hochwälder
fährt, um zum Dorfe G urlow a zu gelangen. Am nächsten Tage, dem 3. September, kam
ich durch ebenere, gut angebaute Gegenden, die schon mehr den Charakter des unteren
Selenga-Thales tragen. Die Dörfer N estrow , B aturinsk, G urlow a, Jesow a und Ke-
rim sk, sowie auch die Station B atlin a am Jetansa-Flüsschen, verriethen in Allem mehr
Wohlstand, als man ihn in den wenigen Ansiedelungen am Baikalufer findet. Von hier
kommt man dann bald, indem man über den Jetansa-F luss und die Selenga setzt, zum
linken Ufer dieses letzteren Stromes und befindet sich so auf der grossen Poststrasse, die
über W erchne-U dinsk und Selenginsk nach K jachta führt, und von der sich bei
W erchne-U dinsk ein Zweig für die östlicher gelegenen tran sb aik alisch en Gebiete
abtheilt. In W erchne-U dinsk blieb ich zur Nacht. Oberhalb dieser Stadt, d. h. südlich,
nehmen die Gegenden des Selenga-Thales mehr und mehr die Physiognomie kahler, hochhügeliger,
Steppen an. Die Waldung schwindet mehr nnd mehr und ist auf entfernter gelegene
Bergrücken znrückgewiesen. Den sogenannten W eissen See (ökjioe O3epo) vorbei
nnd dann noch acht Werste im Orongoi-Thale fahrend, erreicht man das grosse Stationsdorf
N ishnaja-U bukunskaja. Von hier aus weiter kam ich am Abramski-See vorbei
und zur einsam gelegenen Arbusofskaja-Station. Die Gegend ist hier hochhügelig und
kahl, sie hat wenig schwarze Erde nur in denThälern, die Höhen sind meistens feingrandig
und fest, seltener sandig. Die Caraganen und Absynthien werden die gewöhnlichsten Pflanzen
und durch Alles dieses wird man an die nördliche Mongolei erinnert. Zwölf Werst
von letztgenannter Station ist derG änsesee gelegen, zu dessen Ufern ich am 5. September
gelangte. Es bedurfte hier keines langen Aufenthaltes, um mich davon zu überzeugen, ich
sei für den Hauptzweck meines Hierseins zu spät angekommen. Die flachen, sterilen Ufer
dieses See’.s, welcher sich wohl etliche 20 Werst nach SW. hin erstreckt, waren sehr wenig
belebt. Die letzten Caraganen-B\umm (blüht wie die Akazie zum zweiten Male im Sommer
in einzelnen Blumen) waren die einzigen, welche noch zu finden. Der Wind sauste über
die kahle Hügellandschaft, und so liess ich mir daran genügen, Einiges vom vernehmlichsten
Wassergeflügel zu beschaffen und reiste am 8. September wieder zurück. Am 11.
brachte mich das Dampfschiff von P ossolski nach L istw enitschnaja und am 12. September
erreichte ich Irk utsk .
Im Verlaufe der nun kommenden Wintermonate wurde der erste Jahresbericht für die
Kaiserl. Geographische Gesellschaft geschrieben, sowie denn auch, soviel mir Gelegenheit
dazu wurde, die Sammlung vermehrt durch Thiere, welche aus der Umgegend von Irk u tsk
stammten. Mehrere Male zog ich auch auf grössere Jagdexcursionen aus, den A ngara-
läuf abwärts. So besuchte ich die Umgegenden der Dörfer U st-B ale und A lexandrofsk
im October und begab mich am 28. October zum Sudwestwinkel des B aikalsee’s in das
Dorf K ultuk, um dort etwa 14 Tage lang zu excursiren. Boten nun auch freilich im Winter
die ungeheuren Wälder, in denen ich zu thun hatte, nur wenig, so war diese Reise doch
immerhin insofern nützlich und lehrreich, als ich die Winternatur S ibiriens und für mich
neue Localitäten kennen lernte. Die Thäler des Pachabicha- und Sljüdenka-Baches,
sowie die des Kultuk-Flüsschens selbst wurden alltäglich besucht. Von hieraus überschritt
ich dann auch das Baikal-Scheidegebirge und kam so in das Thal des mittleren Irk u t-
lanfes, wo die Bystraja-Flüsse von rechts her einmünden und man sich mehr dem Süd-
abhange der östlichsten Sajankette nähert. Am 12. November kehrte ich dann wieder
nach Irk u tsk zurück.
Für das Jahr 1856 schien-es mir am gerathensten zu sein, in den schon lange Russland
angehörenden transb aik alisch en Gebieten zu bleiben. Denn, wenngleich die neu-,
erschlossenen Amurländer, einen doppelten Reiz hatten, da sie ganz unbekannt und theil-
weise viel südlicher gelegen, so wusste man doch kaum zu sagen, welchem ihrer Theile
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