noch einen Verlust hatte ich am 14. April zu betrauern, da ein Tiger meinen Grauschimmel,
den liehen Gefährten in winterlicher Einsamkeit, an diesem Tage erwürgte.
Es wurden nun alltäglich Excursionen gemacht und eine durch den Herrn General-
Gouverneuren schriftlich mir proponirte Heise den U ssuri aufwärts, bei welcher ich mich
einem Militair-Commando anschliessen sollte, aus den schon oben angeführten Gründen,
nicht gemacht. Dagegen musste ich den Vorschlag, mich hei den in diesem Sommer auszuführenden
Colonisationen am mittleren Amur zu betheiligen, annehmen, und wurde, als
am 24. Mai der durchreisende Herr General - Gouverneur mich mit seinem Besuche beehrte
und diesen, seinen Wunsch, mittheilte, mir der Auftrag zu Theil, eine Cölonie von
24 Kosakenfamilien in der Nähe meiner Wohnung zu gründen. Soweit es in meinen Kräften
stand, habe ich diesen Auftrag mit Gewissenhaftigkeit erfüllt, wurde freilich dadurch in
den eigentlichen Zwecken meines Hierseins beengt und kann nicht sagen, dass die Vollführung
jenes Auftrages mir Freude bereitet hätte. Allein, wenn ich bedenke, wie interessant
es ist, die Entwicklung dieser ungeheuren, jetzt zu Russland gehörenden Länder zu
verfolgen, sie gleichsam in ihren ersten, embryonalen Zuständen studiren zu können und
dabei nothgedrungen zu einer Auffassung und Beurtheilung der principiellen Richtung zu
kommen, nach welcher der jugendliche Organismus ein europäisches Gepräge erhalten soll,;
so bleibt mir gerade das genauere Bekanntwerden und Eingehen in diese principielle Riih-
tung ein zur Erkenntniss nnd richtigen Beurtheilung des Ganzen nöthiges, ja allein nur
mögliches Mittel, und einer Kenntniss der Entwicklungsgeschichte des Amur muss die-der
obwaltenden Motive und Maximen, nach denen diese Entwicklung angestrebt wurde, vorangehen.
So verstrich denn der Sommer unter den verschiedenartigsten Beschäftigungen. Zweimal
wurden die Excursionen bis zum Ende des Gebirges vollführt, öfters vom rechten Ufer
aus in die M andshurei vorgedrungen und soviel, wie möglich an Notizen und Sammlungen
zusammengebracht.
Der Herbst nahte und ich wurde um den Transport meiner Sammlungen besorgt, da
diese so umfangreich geworden waren, dass ich sie, falls die Reise im Winter mit eigenen
Pferden vor sich gehen sollte, nicht hätte fortbringen können. Es war deshalb ein. grosses
Glück, dass noch am 29. September das Dampfschiff «Amur» zum dritten Male in diesem
Sommer die Strecke zwischen N icolajefsk und B lagow estschensk zurücklegte und am
Abende dieses Tages bei meiner Wohnung anlegte, um Feuerungsmaterialien einzunehmen.
Ich schaffte also meine Collectionen auf dieses Dampfschiff, liess den Kosaken Wasili in
meiner Wohnung und reiste mit A lexei nach B lagow estschensk, woselbst ich meine
Sammlungen gut deponiren wollte, bei ihnen den Kosaken zu lassen gedachte und selbst
zurückzukehren beschloss, meine Arbeiten zu beschliessen, um dann im ersten Winter zu
Lande jene Stadt zn erreichen, und die weitere Reise einleiten zu können. Dieses Alles
geschah ohne besondere Störungen und nachdem ich am 5. October in B lagow estschensk
angekommen war, dort bis zum 7. geblieben, erreichte ich mit der Schaluppe des Dampfschiffes
am 12. October meine Wohnung wieder, als bereits geringer Eisgang auf deip
Amur stattfand. Nun blieb ich noch bis zum IQ. November im Bureja-Gebirge, ergänzte
die Notizen über die B irar-T ungusen, schrieb einen Jahresbericht über die Amurreise,
richtete Alles zur Abreise ein und verliess am 10. Abends meine Wohnung. Erst am
14. Abends erreichte ich, aufgehalten durch Schneestürme, den Paschkowa-Posten, kam
dann nachdem einige Veränderungen an unseren Schlitten vorgenommen waren, in den
K asatkina- (Chaltan-) Posten, gelangte am 20. zur Bureja-Mündung in den dort errichteten
Posten Skobelzina und sejzte Tags darauf die Reise weiter nach Blagowestschensk
fort, wo ich am l.December eintraf, nachdem die Ansiedlungen K uprianow a,
Pojarkow a, K onstantinofskaja und N ism ennaja passirt worden waren und ich dann
auf gut befahrene Strassen gelangte, welche die chinesischen Dörfer unterhalb und
oberhalb Aigun verbinden.
.Die Strecke zwischen B lagow estschensk und U st-S trelk a wurde vom 6.—25. De-
cember langsam zurückgelegt, indem ich von einer zur ändern Kosakenstation Pferde oder
Ochsen als Vorspann erhielt und je nachdem diese bei ihrem geschwächten Zustande noch
fähig zum Ziehen und Gehen waren, langsamer oder rascher vorwärts kam. InU st-S trelk a
hatte die mühsame Reise ein Ende, denn hier fand man gute, an den Kosakenpostdienst
bereits gewöhnte Thiere. Nach mehrtägiger Ruhe verliess; ich am 29. December .U st-
Strelka, kam am .®; Januar 1.859 nach T schita, am 10. Januar dann nach W erchne-
Udinsk, wo ich bleiben musste, weil der B aikalsee diesmal noch nicht, trotz der vorgeschrittenen
Winterzeit, zum Stehen gekommen war und erst am 15. Januar konnte ich ihn
passiren, worauf.ich nm 17. Januar 1859 früh in Irk u tsk anlangte.
Die bis dahin von mir besuchten Landschaften des Südens von O stsibirien hatten
mich durch die Gesammtzüge ihrer Faunen- und Floren-Charaktere in doppelter Hinsicht
aufmerksam gemacht.- Einmal darauf, wie zwischen dem 50° und 51° nördl. Br. sich überall
hier ein prägnant ausgesprochener Wechsel ebensowohl in der Thierwelty wie auch besonders
in der Pflanzenwelt manifestirt und in wenig südlicheren Breiten das rasche und
häufige Auftreten neuer, dem übrigen Sibirien gänzlich fehlender, oft sehr südlicher Formen,
einen wesentlich abweichenden, südlichen Typ der organischen Schöpfung verleihen,
dem indessen noch die meisten nordischen sibirischen, ja selbst einige polare Thier- und
Pflanzenformen bleiben. Zweitens aber auch, wie sich gleichzeitig mit der Eigentümlichkeit
der Configuration und Beschaffenheit des Bodens der hohen GobiSiftalle an diese sich
knüpfenden, auszeichnenden Faunen- und Floren-Charaktere der m ongolischen Hochsteppen,
tief gegen Norden, mit dem Vortreten des NO.-Endes der hohen Gobi in dieser
Richtung, erhalten, und in ihren Verbreitungsgrenzen sich scharf gegen die Thier- und
Pflanzenwelt des waldbedeckten D auriens absetzen, j
Hierzu gesellte sich das Interesse, welches bei der Besteigung der Scheitelhöhe, im
südlichen Apfel-Gebirge erregt wurde.und der Verbreitung einzelner Thiere und Pflanzen
in verticaler Richtung galt, und die Idee, für die westlicher von meinem bis dahin durchv*
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