Zwar lässt das Murmelthier die Gewächse auf dem Hügel seines Baues meistens unangerührt
und läuft auf selbstgetretenen schmalen Wegen, die sich nach allen Gegenden vom
Eingangsloche seiner Höhle hin verzweigen, nicht selten 30 Faden weit, um zu fressen,
aber was unberührt von ihm blieb wird, da es höher als auf festem Steppenboden, in der
lockern, allmählich aufgeworfenen Decke des Baues wuchs, im Herbst sehr begierig vom
Bindvieh gefressen und deshalb von den Bussen «süsses Gras» (c-nyutan Tpaea) genannt. So
findet der Bobac im Frühjahr nur einen öden, kaum aufgethauten Boden, auf welchem in
der Nähe seines Loches, nur die hohen trockenen Brennnesselstämmchen, lange vom Winde
ihrer verdorrten Blätter beraubt, und einige braune Bhabarberstengel sichtbar sind. Erst
Ende Mai, wenn, manche Grasarten und besonders der hier allgemein verbreitete jElymus
Pseudo-Agropymm hervorschiessen, beginnen die Bohacs sich wieder zu erholen und fett zu
werden, dann laufen sie rasch, während im Frühlinge ein geschickter Hund sie leicht fängt,
bevor der Bau erreicht wird.
Der hungrige Nomade also, dessen Viehreichthum meistens lange schon aufgehört hat
und der immer auf bessere Zeiten hoffend sein faules Jurtenleben fortführt, legt Sich mit
seiner Büchse hinter die Anhöhe eines Murmelthierbaues und wartet mit grösser Geduld
ohne sich zu regen. Das alte Thier, schon gewitzt von früher, guckt ganz vorsichtig aus
dem Loche, zieht den Kopf aber rasch zurück, der Tunguse hört nur den kurzen Schrei
(fast als ob ein junger Hund bellt), er liegt, die Büchse ruht auf der niedrigen Gabel und
ist zum Abfeuern fertig. Es dauert auch meistens nicht lange, so kriecht der kurzgeschwänzte,
gelbbraune Erdbewohner ganz heraus, setzt sich auf die Hinterfüsse und blickt
um sich, senkt sich wieder, schlägt-den Schwanz einige Male aufwärts, bellt und läuft
3—4 Schritte vom Loche, üm eine weitere Aussicht zu gewinnen hebt es sich wieder aufrecht;
gleichzeitig kracht der Schuss und das arme Thierchen stürzt zusammen.
Die Bobacs sollen im Sommer besondere von den Wintemestem verschiedene Baue
bewohnen und beginnen im Juni Heuvorräthe zum Winterlager zu schleppen; jedoch betreiben
sie dieses nicht mit grösser Emsigkeit und wählen meistens nur Elymus-Gräser dazu.
Am frühen Morgen bis gegen Mittag sind sie am lustigsten und spielen miteinander auf
den Hügeln, Nachmittags bleiben sie lieber im Bau und verlassen denselben nach Sonnenuntergang
nicht gerne. Adler und Bussard, Wolf und die Hunde der nomadisirenden Mongolen
stellen ihnen nach und überlisten besonders die Jungen bei dem Verlassen des Ne- '
stes, nachdem sie lange hinter dem aufgeschütteten Hügel des Böbacbaues gewartet hatten.
Man weiss zwar, dass die Bobacs in den daurischen Hochsteppen meistens in Gegenden
wohnen, denen das süsse Wasser oft ganz fehlt und dass sie gerade solche Gegenden
vorzugsweise lieb haben; sie trinken daher auch eigentlich nicht, aber falls, wie es
selten geschieht, über Nacht der Thau diese trockenen Länder erquickt, so sieht man die
Bobacs früh Morgens am ändern Tage die Gräser belecken und die Thautropfen mit grösser
Begierde gemessen.
An ein Thier welthes, wie wir gesehen, für die Nomadenvölker der hohen Gobi
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wichtig als Nahrung und Kleidung liefernd ist', knüpfen diese Völker auch diejenige ihrer
Thiersagen, welche am allgemeinsten unter ihnen bekannt ist und einen gewissen poetischen
Schwung hat. Sie sagen nämlich, dass die Bobacs in grauer Vorzeit Menschen gewesen
seien, welche übermüthig das Waidwerk betrieben und sich rühmten, sie könnten jeden
Vogel im Fluge mit dem ersten' Schüsse tödten. Durch dieses Prahlen erzürnten sie den
stärksten der bösen Geister, welcher sie dafür züchtigen wollte. Er trat unter sie und
sprach zum besten der Schützen: ich will eine Probe deiner Geschicklichkeit sehen und
sie anerkennen, wenn du eine Schwalbe im Fluge mit der ersten Kugel niederschiesst; fehlst
du aber, so will ich dich deiner Prahlerei wegen bestrafen. Der dreiste Jäger ladete sein
Gewehr, die Schwalbe flog, er schoss. Aber nur die Mitte des Schwanzes wurde durch die
Kugel fortgerissen. Seit jener Zeit, sagen die Steppentungusen und Mongolen, haben
alle Schwalben den Gabelschwanz und die übermüthigen Jäger wurden durch den Zorn des
bösen Geistes in Murmelthiere verwandelt, an denen alles bis auf die eine Stelle in der
Achselhöhle thierisch und deshalb essbar ist. An dieser Stelle zeigen sie einen in der Kegel
etwas helleren, weisslichen Flecken (ist wohl zur Winterschlafdrüse gehörend), der das
Menschenfleisch vorstellen soll, und dieses lösen sie mit grösser Sorgfalt vor dem Genüsse
des Bobacs aus.
Die Bobacs werden in D aurien mit der Büchse erlegt, einige Mongolen besitzen
die Geschicklichkeit, sie während des Vorbeijagens an ihnen, mit einem Stocke zu erschlagen.
Fangsäcke, wie sie den Murmelthieren der Alpen gestellt werden, sind nicht gebräuchlich.
Sehr verschieden wird der Bobac bei den Mongolen zubereitet. Die Angabe, dass,
sie, wenn sie in der Steppe auf grösseren Keisen vom'Hunger befallen werden, einen heiss-
gemachten Stein in den nicht ausgewaideten Leib des Thieres bringen und es dann unter
dem Sattel mürbe reiten, ist keine Lüge. Besser schon und reinlicher verfahren die Eingeborenen,
indem sie eine Vertiefung des Bodens benutzend, diese mit trockenem Grase anfüllen,
das enthäutete Murmelthier hineinlegen, es tüchtig mit Gras und Steinen bedecken
und das dürre Gras anzünden.
Die Bobacfelle haben an Ort und Stelle einen nur sehr geringen Werth. Man bezahlt
sie in D aurien sowohl wie auch am Kossogol mit 5 — 7 Kop. Assignation aus erster
Hand; sie kommen von hier nach N ertsch in sk und Irk u tsk , wo 10 — 15 Kop. Silber
dafür bezahlt werden und die N ertschinskischen Kaufleute versicherten mir, dass sie im
Jahre 1857 auf der Leipziger Messe dafür bis 60 Kop. Silber erhalten hätten.
4.ft. Arctomys?
Das im November 1855 mir nach Irk u tsk gebrachte Murmelthier aus den B argu-
sinschen Gegenden, wo es wie in den nördlichen Baikal-Gebirgen, ein Hochgebirgsbewohner
sein soll, war von der Grösse des Bobacs, aber ganz grau und fehlte ihm auch
das Kostgelb des Bauches. Der Kopfplatte fehlte gleichfalls die dunkle braunschwärzliche