
Wanderungen nun, die ihren Grund darin wahrscheinlich haben, dass südlicher in der
Gobi oft gar kein Schnee fällt, drängen sich bisweilen ungeheure Schaaren der Kropfe
Antilopen nordwärts in unser Grenzgebiet,* überschreiten den Argunj und schweifen
dann bis zum Urulungui-Thale nördlich und östlich nicht ganz bis Z uruchaitui umher.
Die meisten dieser Thiere aber bleiben südlich vom obern A rgunj, wo die Gebirge bedeutender
sind und die Verfolgung geringer ist. Westwärts nun von hier geht die Kropf-Antilope
in T ransbaikalien nicht wieder auf russisches Gebiet. Im K entei und südlichen
Apfel-Gebirge fehlt sie entschieden, im oberen Selenga-Thale ist sie nur dem Namen
nach bekannt, ebenso kennen die S’ojoten und B urjäten des obern Irkutlaufes sie nur von
jenseits des breiten Intervalllandes, welches zwischen den russischen und mongolischen
Grenzposten gelegen, jetzt zwar China zinspflichtig ist, aber mit gleichem Rechte auch
R ussland zugezählt werden könnte, weil die Mongolen ihre Grenzwachten nicht weiter
nach Norden vorschieben und, sich den russisch en Militärposten nicht nähern. Dieser
Intervallboden nimmt streckenweise eine Breite von 250— 300 Werst ein und ist im Quelllande
des Jen isei gelegen und an vielen Orten gut bewaldet. Erst südlich von ihm, durch
Vermittelung der U rjänchen und D archaten, erhalten die Russen ab und zu Felle der
Antilope und des Argals, welche auf diesem Wege bis nach Tunka kommen, wo ich deren
einige ,eah. Vom N orün-choroiskisehen Grenzposten etwa 300 — 350 Werst südlich
kommt Antilope gutturosa schon vor.
Oestlich aber von dem Ausgangspunkte unserer Betrachtungen bleibt Antilope gutturosa
dem Westabhange des Chingän fremd und geht hier nirgend in die Mandshurer, so fehlt
sie*auch gewiss im ganzen Amurlande, welches in seinem mittleren Theile in der. seltenen
Antilope crispa Temm. Jap ans einen Vertreter des Antilopen-Geschlechts aufzuweisen hat.
Den Jagdvölkern wurde hier ¡die Kropf-Antilope nur durch ihre Beziehungen zu den Dau-
ren bekannt.
Mitte Juni wirft das Weibchen in der Regel zwei Junge, welche drei Tage nach der Geburt
noch ruhen sollen, dann sind sie schon so stark, dass sie bei der Verfolgung nicht
hinter der Mutter bleiben. Jung eingefangen werden sie ganz zahm. So lebte bis kurz vor
meiner Ankunft in Z agan-olui (Mai 1856) eine solche zahme Antilope mit den Schafen
und Ziegen zusammen und weidete mit ihnen, ohne besonderer Aufsicht zu bedürfen. Im
Sommer jagt man die Antilopen nur selten, weil ihrer dann nur wenige anzutreffen sind,
desto eifriger aber verfolgt man sie auf den frühwinterlichen Wanderungen. Im Allgemeinen
aber giebt es nur wenige gute Antilopenjäger, zumal unter den Russen. Um zu Schüsse zu
kommen, werden verschiedene Jagdmethoden befolgt. Die Antilopen kommen nämlich, so
lange noch kein Schnee gefallen ist, zur Mittagszeit in einzelnen Rudeln an die'bereits zugefrorenen
Süsswasserseen, wo sie die dünne Eislage mit den Hufen durchstossen, um zu trinken.
Sie halten dabei alltäglich dieselbe Stelle ein, und unweit derselben legt sich der Jäger
in den,Hinterhalt. Auf dem Eise überrascht, fallen die Thiere leicht und können dann erschlagen
werden. Die gewöhnlichste Art die Kropf-Antilope zu jagen, erfordert zwei Menschen,
von denen der eine sie dem ändern zutreibt. Der Jäger legt .sich, sobald die Antilopen in
weiter Ferne (4 — 5 Werst) auf einer Höhe oder an Abhängen, wo sie spielen, bemerkt
sind, hinter einen Murmelthierhügel platt auf den Leib, macht seine Büthse schussfertig,
indem er sie zwischen den Elymus-Gräsern auf die kurze Gabel stellt und fasst den Treiber,
der unterdessen im weiten Bogen den Antilopen sich näherte, scharf in’s Auge. Dieser
Treiber, natürlich alle hei der Jagd , schon ohne dies zu beobachtenden Umstände, als Windrichtung,
Terrain etc., benutzend, treibt die Antilopen dem Jäger zu. Die Fliehenden reihen
sich dabei in Linien; aber nicht immer sind die alten Männchen die Anführer, bisweilen
traut man auch der Vorsicht eines alten Weibchens. Je nachdem die Entfernung gross oder
gering zwischen Treiber und Jäger ist, hält dieser erstere sich näher oder ferner von den
scheuen Thieren, die bald hastig hinstürzen, bald wieder im Schritte vorwärts schreiten.
Bei heftigem Laufe stossen sie bisweilen einen hellgellenden Schrei aus. So kommen sie
denn endlich zu Schuss; vorher aber macht sie der nachgeahmte Ruf eines Raben oder das
Heulen eines Wolfes, welches der Treiber erschallen lässt, erst noch stutzig, wobei dann
der Schütze sich bequemer sein Thier wählen kann. Die Steppen-T ungusen sind im
Auffinden und.Erlegen der Antilope besonders geschickt, bei ihnen treiben selbst junge
Mädchen die.Thiere zum Schuss. So grosse Treibjagden, wie sie P allas vom T arei-n or
lies,berichtet, sind dort jetzt gar nicht mehr üblich. Jedoch wohnt hier gerade (im K ulus-
sutajefskischen Grenzposten) ein weithin bekannter Jäger, der in manchen Wintern nahe
gegen 200 Antilopen erlegt hat, nämlich dann, wenn sich diese Thiere in dichten Schaaren
hierher drängten. Sie gehen, wie dieser Jäger behauptet, oft.so dicht, dass er absichtlich,
nur mit einer Kugel mehrere zu belangen, in die Füsse der Thiere schoss und so drei, auch
vier zusammenstürzten.
In wie grösser Menge sie aber bisweilen erscheinen, davon konnte ich mich im Octo-
ber 1856 jenseits des Argunj auf m ongolischer Seite überzeugen, denn hier waren ihre
Spuren und ihr Mist so zahlreich, als ob Tausende von Schafen gegangen seien, Diese Antilopen
aber konnten wir damals nicht mehr einholen; sie waren, wie sich die Grenzkosaken
ausdrücken BkTepmfi, d. h. (windige) unbeständige oder schnelle. So lange nämlich noch
kein Schnee fällt, leiden sie viel vom Durste, denn das Eis des Argunj und der See’n ist oft
schon zum Durchschlagen mit den Hufen zu dick; und der Durst treibt sie dann zu rastlosem
Umherschweifen an, so dass sie über Nacht oft mehr als 50— 70 Werste zurücklegen. So
waren sie noch am 24. October etwas südlich von Soktui und am nächsten Tage schon hatten
sie den Argunj passirt und waren dann nach NO. gegen D urojefsk gezogen, von wo
sie wieder sehr bald südlich wandelten.
Die Winterfelle dieser Antilope liefern warme, dauerhafte Pelze (Dadha) deren Haar
nach%ussen getragen wird, es ist nicht so brüchig als das der Rene. Man bezahlt für je
ein Stück l'/2 Rubel Assignation. Das Fleisch ist sehr schmackhaft und werden die alten
Böcke im Herbste ausserordentlich fett.