als gemeiner Waldbewohner an. Ich will zunächst meine Erfahrungen und Erkundigungen
über seine Häufigkeit und sein locales Vorkommen angeben, ohne Rücksicht auf die Höhen
zu nehmen, die er im Sajan und A pfeigebirge zeitweise besucht.
Im Gebiete der S’ojoten und U rjänchen ist er verhältnissmässig schon viel seltener
als in dem der K aragassen und T ushinskischen U rjän chen; kommt aber östlich, dem
B aikalsee näher, so besonders an den rechts zum Irk u t fallenden Gebirgsflüssen, als der
B y straja und der zum Selengastrom e gehörenden Dshida in ausserordentlicher Grösse
und Wildheit um so häufiger vor. Im Quellgebiete der Oka, an der Westseite des hohen
M u nku -S ard ik Gebirgsknotens fehlt der Bär als beständiger Bewohner ganz, und erst
nachdem dieser bedeutende Gebirgsfluss beinahe 200 Werst zurückgelegt hat, finden wir in
den ihn begrenzenden Wäldern bei dem O kinskischen Karaul den Bären ab und zu. In
den Ufergebirgen der westlichen Baikalseite wird er seltener, bis zu jenen weit nordwärts
gelegenen Haupthöhen, die wir als R ytoi Gebirge kennen lernten. An der Nordseite des
östlichen Sajan, im Gebiete der A lar-B u rjäten ist er recht gewöhnlich. Dem NO Ende
der Insel Olchon fehlt der Bär nicht. An der ganzen Ostseite des B aikals ist er für die
transb aik alischen Gegenden als am häufigsten vorkommend anzuführen. Die dichten
Coniferenwälder, welche die Ufergebirge hier, allgemein jn düsterer Wildheit decken und
die im Vergleiche zu ihrer Ausdehnung nur zeitweise und schwach bejagt werden, sind ihm
die geeignetesten Reviere. So lebt er am F rölicha-See (D aw atschanda der Tungusen)
und in den B auntischen Gebirgen und nimmt an Häufigkeit in südwestlicher Richtung
noch mehr zu. Auf der Halbinsel S w jätoi-n o ss, die als ein mächtiger Gebirgsstock sich
oberhalb der Bargusin-Mündung im B aikal befindet, wanderten mehrere Bären Nachts
dem Ufer entlang, während wir an demselben vorüberruderten und richten dort, wie auch
in den etwas südwestlicher gelegenen T urkinskisch en Ansiedelungen vielen Schaden
unter dem Rindvieh und den Pferden an. Im KamararGebirge, welches die südwestliche Baikal
Ecke in steilen Abfällen begrenzt, wird er der häufigen Nachstellungen wegen seltener.
Durch das weite Hervortreten der kahlen m ongolischen Hochsteppen gegen Norden
wird der Bär aus einem Theile des Selenga-Thales ebensowohl, wie aus dem des oberen Ar-
gunj und mittleren Onon verdrängt und wir finden ihn hier nur dem West- und Ostab-
hange des A pfelgeb irg es eigen. Wo ostwärts sich dieses in den Umgegenden von Mo-
goitui und A kschinsk verflacht wird er zu grösser Seltenheit, während im Quellgebiete
der Ingoda man ihn noch häufig antrifft.
In den erzführenden N ertschinskischen Gebirgen wurde er als an den Quellen des
G asim ur vorkommend erkundet, ist dann aber, wo S chilka und Argunj mehr und mehr
sich nahen und diese Gebiete stärker bevölkert sind, fast ganz verdrängt (wo er vor 40 —
50 Jahren noch sehr häufig war) und hat sich in die wilden Einöden des Chingan-Gebirges
zurückgezogen. Hier sehen wir ihn dann wieder, zumal in der Ostverflachung dieses Gebirges
, dem oberen Amur überall angehören und als Bewohner der grösseren Bodenverflachungen
eine besondere Grösse und tief schwarze Färbung erreichen (Albasin).
Häufiger aber noch als an den eben erwähnten Oertlichkeiten wird Ursus arctos im
Bureja- oder Kamni-Gebirge, wo, wie wir sogleich sehen wollen, sein Naturell ein sanftes
und seine Lebensweise eine eigenthümliche ist. Die Bärenspuren waren für uns da, wo in
der Uferregion dieses Gebirges die Vegetation in Thälem und auf Flachvorländern zu prärienartiger
Fülle wuchert und durchwebt wird von Vicien, Glossocomien, Cuscuta, Convoltmlus,
die bequemsten Fussstege und ohne das Wild weiter aufzusuchen begegneten wir am 5, (17.)
October 1857 im Laufe des Tages 15 Bären.
Auch im Wanda-Gebirge findet sich der Bär in grösser Häufigkeit.
Hieran sehliesse ich die Erfahrungen in Bezug auf das Vorkommen von Ursus arctos
in verticaler Richtung und habe zwei Gegenden dabei besonders in’s Auge zu fassen; einmal
die bis 11400'engl, hoch ansteigenden Kämme des östlichen Sajan und zweitens die Gipfel
des A pfelgebirges, welche im Sochondo eine Höhe von 8259' engl, über dem Meere
erreichen.
■Im Sajan meidet der Bär die unbequemen Passagen zum Herüberwandpm auf die
andere Gebirgsseite; er sucht auf seinen grösseren Wanderungen die bequemen Passhöhen,
welche der Mensch hier benutzt, so namentlich den N uk u-daban und M ungul-daban,
um von der Südseite auf die Nordseite und umgekehrt zu gelangen. E r ist hierin viel wählerischer
und bequemer als die Hirscharten und die kleinen Nager und nur der Dachs
übertrifft ihn in seiner Schwerfälligkeit, indem er den Uebergang über das Gebirge ganz meidet.
Der Bär sucht im Sommer, wenn ihn in den Thälem die Bremsen (Eristalis, Oestrus)
zu sehr zu quälen beginnen, die Schneehöhen der Hochgebirge zeitweise auf. So wurde er
auf den Granitblöcken, die in chaotischer Verworrenheit als mächtiges Felsenplateau die
Höhe des Sochondo bilden, aus den frischen, nassen Spuren erkannt; er weidet hier meistens
die Alpenpotentillen ab und in den Faeces waren die Flügeldecken hochalpiner Cara-
bidm erkennbar: Auch verschmäht er nicht die Beeren der Wachholder-Gesträuche (Juniperus
Sabina L.). Gerne wälzt er sich auf den Schneefeldem, besucht sie aber nur durchziehend.
Solche zeitweise Auswandervmgen zu den Höhen haben keinen Einfluss weiter auf die Färbung
des Haares;, ganz anders aber verhält es sich hierin mit denjenigen Individuen, die in
den Revieren der Baumgrenze geboren und in einer Höhe von 4 -— 7500' beständig leben.
Zahlreiche Felle, die ich aus den Quellgebirgen des K itoi, der Bj ellaja, der Oka und des
Irk u t zu sehen und theilweise auch zu erhandeln Gelegenheit hatte, haben mich darüber
belehrt, dass die Bären aus solchen Höhen, eine bleiche durchweg gelblich graue Färbung
haben. In diesem Falle wären solche Bären des östlichen Sajan gewissen Localitäten des
Jeniseiquellandes eigen, nämlich dem westlich vom mittleren Okalaufe gelegenen Gebiete,
so wie dem Tangnu und dem E rg ik -T a rg a k -T a ig a n und als Ursus isabellinus Horsfield
und Ursus syriacus Ehrb. zu bezeichnen, deren Identität mit Ursus arctos v. M iddendorff
' genugsam dargethan hat').
1) Midd. Sib. Reise B. II. Th. 2. p. 51 u. f.