man sich ausschliesslich zuwenden sollte, und eine flüchtige Reise den ganzen Strom entlang
und in demselben Sommer wieder aufwärts, vermied ich absichtlich, da hierbei von
weitumfassenden Sammlungen nicht die Rede sein kann, und überhaupt die Eile solcher
Reisen in vielfacher Hinsicht Genauigkeit der Erkundigungen sehr beeinträchtigt. Ueber-
dies stand es uns ja in diesem Jahre sicher bevor, durch die Hrn. L. v. Schrenck, C. Ma-
ximowicz und R. Maack genauere Nachrichten über das Amurland zu erhalten und die
Aquisition für Russland musste « ch thatsächlicher heraussteilen. So blieb, hoffend, dass
die K aiserl. Geographische Gesellschaft eine Verlängerung meiner Reisezeit gütigst gestatten
werde, der Plan: später auf längere Zeit den mittleren Amurlauf besuchen zu
dürfen, für die folgenden zwei Jahre hinausgeschoben und glaubte ich dadurch, dass ich in
diesem Jahre den Quellzuflüssen des Am ur meine ganze Thätigkeit schenken könnte, dann
später umfassender das ganze Gebiet dieses Stromes in Bezug auf seine zoologischen und
botanischen Erzeugnisse zu kennen.
Nicht minder entscheidend aber als diese Beweggründe war der Umstand, dass seit
P a llas Zeiten die dauro - m ongolischen Hochsteppen nicht wieder in zoologischen
Zwecken bereist waren, dass ferner schon M esserschm idt und Palla,s gerade aus diesem
nordöstlichsten'Winkel der hohen Gobi eine Anzahl sehr charakteristischer Thiere erbeutet
und der sibirischen Fauna einverleibt hatten, und dass endlich, soweit uns die Arbeiten
des letztgenannten beider Reisenden darüber Aufschluss gehen, die Fauna des südlichen
D auriens derjenigen der central-asiatischen Hochländer sehr ähnlich, und jener des waldbedeckten
nördlicheren S ibiriens fast in allen ihren Gliedern ganz fehlend ist.
Demgemäss wurde die Reise in’s südliche D aurien im Einverständnisse mit Herrn
Astronomen Schwarz beschlossen. Ich sollte noch im Winter mich am T arei-nor an der
chinesisch-daurischen Grenze einfinden und dort den Zug der Vögel erwarten. Hier
auch sollte ich bis zum Beschlüsse desselben bleiben, die nächsten Umgegenden auf ihre
eigenthümliche Frühlingsflora und Fauna ausbeuten und dann der Grenze entlang über
A bagaitui ostwärts reisen. Falls es thunlich sein würde, wollte ich den auf chinesischem
Gebiete gelegenen, grossen Süsswassersee D alai-n or besuchen, dann den Argunj
abwärts reisend die erzführenden Gebirge des N ertschinskischen Bergwerkbezirkes sehen,
womöglich, den Fluss überschreitend, in die westlichste M andshurei Vordringen,
und im Hochsommer zum T arei-n o r zurückkehren. Von hier war eine entsprechende Reise
westwärts der Grenze entlang projectirt, deren Ziel das hohe Sochondo-Gebirge war,
welches die höchsten Gipfel am Ostabhange des südlichsten Theiles vom Apfel-Gebirge,
nördlich vom hohen K entei gelegen, bildet, und zur Wasserscheide für den Onon und die
Ingo da wird. Dieses Gebirge sollte erstiegen und seine Höhe barometrisch bestimmt werden;
auch durfte man Manches von der Flora der waldbedeckten. Ostabhänge des Apfel-
JJebirges erwarten, welche Herr T urczaninoff im Jahre 1832 besucht hatte. Von hier
zum T arei-n or zurückgekehrt, konnte der Herbstzug des Geflügels abermals notirt, und
die Jagd betrieben werden. Alsdann sollte ich Ende September zurückkehren, falls es aber
Vieles zu thun.gäbe, durfte ich auch erst im Winter die Rückreise antreten und musste
dann bis zum Januar warten, weil der B aikalsee, in Folge beständiger Stürme, nicht
früher gefriert. Dies letztere that ich denn auch, so dass ich erst um die Mitte des Januar
1857 in Irk u tsk eintraf, welches ich am 1. März 1856 verlassen hatte......
Die geführten Tagebücher geben über den specielleren Verlauf der Reise folgende
Hauptdaten an:
Am 1. März 1856 verliess ich Irk u tsk und erreichte, der grossen Poststrasse folgend,
am Abend des anderen Tages die Stadt W erchne-U dinsk, von wo ich einen Abstecher
nach Se!enginsk,machen sollte, um dort Barometer und Thermometer, welche ein
gewisser Herr K elberg beobachtete, mit den von mir mitgenommenen Instrumenten zu
vergleichen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch manche Erkundigungen über die
Fauna und Flora des Selenga-Thales einziehen; eine Gegend, die hier schon mehr und
mehr in einzelnen ihrer Parthien die Charaktere m ongolischer Hochsteppen erkennen
lässtj und in welcher im Thier- und Pflanzenreiche sich manche recht auszeichnende Spe-
cies findet. Von hier am 4. Abends nach W erchne-U dinsk zurückgekehrt, konnte ich
Tag’s darauf die Reise nach T schita, am Ostabhange des Apfel-Gebirges gelegen, fortsetzen.
Das Uda-Thal aufwärts reisend wird man, bevor die westlichen Abhänge des
Apfel-Gebirges erreicht sind, durch das alleinige Vorkommen von Pinus sylvestris, welche
waldbildend, überrascht. Die übrigen-Coniferen O stsibiriens fehlen hier, soweit man wenigstens
von dem Postwege aus darüber urtheilen darf. Am 7., Nachmittags, wurde das
Apfel-Gebirge passirt und am ändern Morgen T schita erreicht. Hier blieb ich bis zum
9. Abends und fand durch den dortigen Gouverneuren, Herrn General v. K orsakoff, die
liebevollste Aufnahme und Unterstützung für die Ausführung meiner weiteren Reisen.
Den T arei-nor zu erreichen kann man zwei 'Wege einschlagen, entweder den über
Akschinsk am Onon führenden, oder den durch die A ginskische Steppe direct gelegenen,
welcher letzterer indessen beschwerlicher, weil jiie Vorspannpferde bei den herumziehenden
B u rjäten oft nur mit Mühe und grossem Zeitverluste zu beschaffen sind. Ich
wählte also den ersten dieser Wege, weil ich auf-ihm überall russische Dörfer und die zur
sogenannten Landpost gehörenden Pferde antraf. Demgemäss schlug ich von der zweiten
Poststation, die zwischen T schita und N ertschinsk gelegen (T urinsko-Pow orotnaja),
die Richtung nach Süden ein und indem ich nun meistens im Tura-Thale fuhr, erreichte
ich bald die niedrige'Wasserscheide, welche dieses Flüsschen vom bedeutenderen Ilja
trennt, der schon dem Onon angehört. Am 11. März kam ich darauf in das grosse Dorf Ust-
Iljinsk, •auf rechtem Ononufer gelegen, von welchem westwärts man 40 Werst zu machen
hat, um in die sogenannte A kschinskische Festung zu gelangen, woselbst der Comman-
deur des 2. Reg. der 1. Kosakenbrigade damals wohnte. Da ich aber hier erst im Sommer,
und jetzt ausschliesslich im Gebiete der zweiten Brigade zu thun hatte, so wendete ich
mich ostwärts und blieb auf der Weiterreise im Onon-Thale. Bis zur neuen Tschindants-
kischen Festung besuchte ich in diesem Thale die Kosaken-Ansiedelungen (Militärposten)