bestandenen, niedrigen Erhöhungen der Ebenen. Zum oberen Drittel des Bureja-Gebirges
wanderte es vor wenigen Jahren (1-853-+1854) in solchen Mengen vom Südabhange des
Apfel-Gebirges ein, dass mein alter Freund, der B irar-T unguse M irgatni, 22 an einem
Tage schoss, die übrigen Birar-Tungus'en aber nur 5 — 8 Stück (ein jeder) an diesem
Tage erlegten.
Sowohl im Winter, wie auch im Sommer meidet das Reh die reine, hohe Schwarzwaldung
und kommt in ihr nur als abgeschlagener Bock hie und da einzeln vor. Die Thalmündungen,
die Flachvorländer, die sanfthügeligen, nicht sehr dicht bewaldeten Gebirgs-
■füsse sind ihm immer am liebsten; gerne bewohnt es diejenigen Wälder, welche vor Zeiten
stark brannten, besonders wenn sie mit Lärchen bestanden waren. Es bleibt nicht gerne
ein Standwild im Sommer in der Region der Moossümpfe und Vaccinien, wo die dunklen
Wälder von Pinus Cembra und der Pechtanne ihm nicht behagen, vielmehr ist es-entweder
der Bewohner der subalpinen Region (2000+-3500') oder der alpinen (6000 — 7000').
Immer sucht es die dichten Unterhölzer von Pop. tremula und die noch dichteren der Kiefer
und selbst wenn sie geringe Ausdehnung haben, die der sibirischen Tanne. In diesen hat es
seine Lagerstellen, meistens zu fünf, seltener bis zu zehn und darüber (nämlich im stark
bejagten Danrien). Bis zur Schneeschmelze bleibt es auf die äussersten Verflachungen der
Gebirge zu den Ebenen angewiesen, wo es die Spitzen der nicht ganz vom Schnee verdeckten
Gewächse, namentlich auch Absynlhien frisst. Mit der Schneeschmelze besucht es vor
Sonnenaufgang die sogenannten compe-neuT,, d. h. waldentblösste Gebirgsabsteilungen, die
gegen Süden gelegen. Hier hat es an niedrigen Potentillen und den bald erscheinenden junget
Trieben der Wermutharten ein beliebtes Futter. 'Mitte April geht die Rike schon
allein und setzt Ende Mai ein oder zwei Kälber. Im Sommer kommen die Rehe, sowohl
Böcke als auch Riken von den Thalhöhen, wo sie des Tages ruhen, gerne zu den Sümpf-
rändem, wie dies auch der Hirsch thut und waten durch die Riedgräser. Im Juni und bis
zur Hälfte des Juli rufen die Kälber Nachts sehr fleissig und indem man dann diesen Ruf
nachahmt, schiesst man leider die herbeieilenden Riken fort. Das Wandern zu den Sümpfen
findet bis zur Brunst statt. Diese stellt sich mit dem 15. August ein. Dann sieht man gegen
Abend, wenn schon die Sonne untergegangen ist, die Böcke in hastigen Sprüngen aus
dem Walde heransetzen, und falls sie die Riken finden, sie ausdauernd verfolgen. In dieser
Zeit rastet der Bock nicht nnd geht wie der Hirsch, wenn er gestört wird, den ganzen Tag
durch. Ende Septembers sind die Riken belegt. Ende dieses Monats und im October sind
die Rudel gebildet und dies ist die Zeit auch der Wanderungen. Einzelne Böcke tragen das
Gehörne bis Ende November, meistens werfen sie es schon im October. Anfangs März wird
das frische Gehörne aufgesetzt und Ende dieses Monats ist es bereits vollwüchsig.
Das Reh erfreut sich ebensowenig wie irgend ein anderes Wild in Sibirien der Schö-
nung. Im Gegentheile benutzen die Eingeborenen sowohl, wie auch die russischen Jäger,
jeden Umstand und jede List, die Thieye ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter zu vernichten.
Gruben werden fast überall auf den Wechselhöhen des Standwildes gemacht und
das runde Jahr hindurch jagdgerecht unterhalten. Im Frühlinge, wenn bei’m Beginne der
Schneeschmelze über Nacht eine dünne Eisschicht die Schneelagen bedeckt, durch welche
die Rehe brechen und sich die Fusshaut verletzen, benutzt man diesen Umstand indem dann
die Hetze mit Hunden und zu Pferde betrieben wird. Im Winter fährt man die Rehe an und
gewöhnt das aufgenommene Rudel, indem es den Tag hindurch verfolgt wird, bis zum
Abend so, dass der Jäger zu Schuss kommt. Im Herbste überrascht man die Rehe bei’m
Durchschwimmen der Flüsse, wenn sie emigriren und sticht sie nieder. Im Sommer werden
sie an natürliche oder künstliche Salzlecken auf dem»Anstande oder in den Sümpfen in
mondhellen Nächten geschossen. Die Eingeborenen treiben sie sich auch gegenseitig zu,
jedoch nie in grösseren Treibjagden. Es betheiligen sich daran nur zwei Jäger, welche die
Wechselhöhen des Wildes kennen, und dieser zutreibend, oft zu Schüsse kommen. Schlingen
werden ihnen, soweit meine Erfahrungen reichen, nirgend gestellt. — Im Wolfe findet
ausserdem das Reh seinen vornehmlichsten Feind, worüber ich schon bei Erwähnung des
Wolfes sprach.
Bei den jagdtreibenden Eingeborenen, die ausschliesslich auf die wilden Thiere angewiesen
sind, erkundete ich folgende durchschnittliche Jahresbeute an Rehen in meinem
Reisegebiete in je einem Jahre. Die S’öjoten und B u rjaten im oberen Irk u t- und Oka-
Iaufe erlegen seit 1857 kaum mehr als 5—6 Rehe im Jahre (je ein Mann).- Ein Kosak im
T uranskischen Posten (mittlere Irk u t) 12— 14. Eine gleiche durchschnittliche Ausbeute
wurde im Selenga-Thale erkundet. Am Ostabhange desApfel-Gebirges in den A ltanski-
schen und K irinskischen Gegenden bringen es die Tungnsen bis zur A kschinskishhen
Festung auf 20 Köpfe jährlich. Ebenso, die Winterwanderungen des Rothwildes benutzend,
thun dies einzelne Kosaken am mittleren Onon und die getauften Tungusen nordwärts
vom Adon-tscholon-Gebirge. Oestlicher im Chingan fällt die mittlere Jahresausbeute
auf 8— 10 Rehe. Im Bureja-Gebirge steigt sie bei den B irar-T ungusen auf bis 30 und
in günstigen Wintern selbst über 60 Rehe (M irgatui). Der Werth des grosswüchsigen
Rehes übersteigt in O stsibirien den eines Silberrubels kaum (in den Städten Irk u tsk ,
K rasnojarsk etc. ist es natürlich theurer. Die Winterfelle werden mit 1— lfj| Rubel As-
signation bezahlt, weiss gegerbt zu Pelzen (sogenannten Dacha) verarbeitet und allgemein
vom gemeinen Manne, oft auch auf Reisen von bemittelten Personen getragen. Sie sind
sehr leicht und warm und kosten 10— 12 Rbl. Silber je nach der Ausstattung. Am mittleren
Amur, wo die jagdtreibenden Völker von den D anren und Mandshu auf das Aeus-
serste gedrückt werden, bleiben diesen armen Leuten keine Winterfelle der Rehe, sondern
es kommen grosse Mengen derselben, meistens schon bearbeitet und auch zu Kleidern im
chinesischen Geschmacke genäht, in den chinesischen Handel. Dies Ist der Grund,
weshalb man die armen B irar-T ungusen selbst im strengsten Winter nur die Kleidung
aus den Sommerfellen der Rehe tragen sieht.
Weisse oder gefleckte (alte) Rehe wurden besonders am A rgunj erkundet," sind aber
auch hier, wie überhaupt recht selten.