und ernährt sich von Flechten. Das Moschusthier wechselt nicht gerne seinen Aufenthaltsort,
und diesen Umstand benutzen diejenigen Jäger, welche es mit der Kugel zu erlegen
streben; eine Jagd, die viel weniger betrieben wird, als jene mit Schlingen. Aus seinem
Verstecke aufgescheucht, springt es in flüchtigen Sätzen, wie die Gemsen, von Fels zu
Fels und entzieht sich so bald dem Blicke des Jägers, der sich nun in Hinterhalt legt; denn
er ist gewiss, dass das Moschusthier, nachdem es die Bergkuppe, auf welcher es am liebsten
seinen Stand wählt, umkreist hat, wieder zur Stelle, von der es gescheucht wurde,
zurückkehrt. Ehen diese Beständigkeit seines Aufenthaltortes benutzend, stellt man ihm im
Winter Schlingen, welche an zwei errichteten, armdicken Stämmen seitlich lose, oben aber
an einer Querstange stark befestigt werden. Man reiht sie, um die Witterung.zu schwächen,
stark mit Flechten. Das Moschusthier fällt meistens mit dem Kopfe in die Schlinge,
selten mit den Hinterfüssen. Der Vielfrass, sowie Mustela äbirica und die Bähen stören den
Fang der Moschusthiere am meisten, denn die ersteren beiden gehen den Spuren nach und
fressen die Thiere aus den Schlingen, welche, da sie an entlegenen, schwer zugänglichen
Stellen postirt werden, nicht immer zeitig genug von den Jägern revidirt werden können.
Uebrigens wurden nur im Quellgetfiete der Ingoda von den russischen Bewohnern im
Winter sogenannte Wildhütten, die auf den Gebirgen seihst gebaut waren, von einem
Wächter der Schlingen bewohnt, um dieselben zeitiger und öfter besichtigen zu können. Im
Chingan fängt man die Moschusthiere auch in Gruben. Im Juli locken die Tungusen am
nördlichen B aikal die Weibchen, welche dann mit einem oder zwei Kälbern gehen, mit
einer kleinen Pfeife, welche sie aus einem Stückchen frischer Birkenrinde herste]len, indem
sie das 1 Zoll breite und 1% Zoll lange Stückchen in der Mitte der Länge nach ritzen,'; es
zu zwei Lamellen Umschlägen (die ursprünglich nach aussen gekehrte Seite bildet auch
jetzt die Aussenfläche der Lockpfeife), deren Bänder gut schliessen und auf die schmale
Bitze, welche dadurch gebildet wird, blasend, einen Ton hervorrufen, der einige Aehnlich-
keit mit dem Schrei der Lämmer hat. Die Moschusthierkuh kommt dann meistens zu
Schuss, bisweilen folgt aber auch der Bär diesem Tone.
Bis zum Jahre 1850 wurden die Moschusbeutel namentlich an der unteren Schilka
und dem Argunj besser bezahlt als jetzt, sie kosteten damals bis 15 Bbl. Assignat. (etwas
über 4 Bbl. Silber), fielen dann nach und nach bis auf 4 Bbl. Assign. Im Jahre 1855 kosteten
sie in den Baikal-Gegenden 5 — 6 Bbl. Assign., im Jahre 1856 bezahlte man sie
von l 1/2—2 Kbl. Silber an der oberen Ingoda, bis zum Jahre 1858 wurden sie dann noch
billiger und kosteten an der unteren Schilka von 50 Kop. bis 1 Ruh. Silber das Stück,
dann aber stiegen sie rasch im Werthe und wurden hier schon im Winter 1858 1859
mit 2—2’/, Bbl. Silber bezahlt.
Ueher die Wirkung des sib irisch en Moschus erfuhr ich durch Herrn Dr. W eyrich,
welcher im Winter 1854— 1855 an der Amurmündung damit Versuche anstellte, dass
sehr kräftige Tincturen sich wirksam erwiesen hätten. Von einem lam aitischen, mit der
tibetanischen Heilkunde 'bekannten Priester aus Tunka, der sich, wie viele seiner GlauCervus
Capreolus. 277
bensbrüder mit der Ausübung verschiedener Heilmethoden befasste, wurde dem Herrn
Dr K iehnast in Irk u tsk erzählt, dass die Chinesen die Moschusbeutel Sibiriens,
welche sie durch den Kjachtaschen Handel erhalten, zubereiten, wodurch sie erst den
prägnanten Geruch bekommen. Sie sollen dieselben einer Art Gährung unterwerfen, und
vergraben sie nach dem Ausdrucke dieses Priesters an denjenigen Stellen, wo die Schafe
gewintert haben, etwa einen Fuss tief, lassen sie dort eine gewisse Zeit und nehmen sie
dann in bereits geänderten Eigenschaften heraus. Die Felle der Moschusthiere finden so
gut wie keine Verwendung. Ihr Körperhaar ist sehr brüchig; die Füsse benutzen die heid-
nischen Jagdvölker zu oft sehr geschmackvoll genähten Decken. Die Häute müssten bei
guter Behandlung ein schönes, feines Leder geben, werden darauf hin aber gar nichtbe-
nutzt. Die Weibchen werden von den russischen Jägern ohne Weiteres fortgeworfen,
meistens nicht einmal enthäutet.
Die Untersuchungen, welche Herr Akademiker v. B randt über die im Fleische mitgebrachten
Moschusthiere gemacht hat, werden von ihm später veröffentlicht werden.
86. Cervus Capreolus L. Taf. IX. Fig. 4— 6.
. Bei den S’ofoten und B u rjaten des östlichen Sajan der Bock: Gurö», oder schlechtweg'«das
Thier » = gurochen. Die Rike sur.
Bei den B irar-T ungusen: Djibdsha.
Bei den M andshu am mittlern Amur: Pugü.
Bei den C hinesen: Lu.
Ich habe mich bemüht eine grössere Anzahl von Gehörnen des sibirischen Rehes
zusammen zu bringen, weil in diesen Unterschiede zwischen den europäischen und
sibirischen Thieren bemerkt wurden, und danach mit Hinzuziehung anderer Differenzen
in Farbe und Statur eine artliche Trennung beider Thierformen von P allas schon versucht
worden ist, später aber von ihm selbst diese wieder zurückgenommen wurde. Die
Ansichten der meisten Zoologen in Bezug auf jene artliche Trennung haben sich nun soweit
modificirt, dass man das sibirische Reh, wie auch den sibirischen Hirsch für stärkere
Thiere derselben europäischen Arten erklärt, was vielleicht mit den meistens noch wenig gestörten
Naturverhältnissen der weiten sihirischenW älder im Zusammenhänge steht, wo die
Thiere sich durchaus noch einer Lebensweise erfreuen, auf welchadie Einflüsse selbst einer
nur sehr geringen Cultur sich nicht geltend machen. Die mir von meinen Reisen vorliegenden
Rehgehörne erreichen nun, wenigstens an einigen Exemplaren, wohl das Extrem ebensowohl
in der Zahl der Sprossentheilungen, wie auch in der Entwickelung der Perlen. Die
Rosenkränze sind verhältnissmässig weniger stark entwickelt und nahen sich mit ihren
Innenrändem bei einem Thiere nur auf 31 Mmtr., hei zwei anderen auf 17 — 20 Mmtr.
Bei einem Gehörne aus T aurien, welches von der im Sommer 1860 von H. v. B randt und
mir gemachten Reise nach Süd-R ussland mitgebracht wurde, treten die Rosenkränze
bis auf Linienbreite gegen einander und sind ganz besonders kraus.