religiöser Ergebung; Da ich nicht wusste, was uns im nächsten Winter zu erfahren bevorstand,
so legte ich einen besonderen Werth darauf, in dem W asili einen Menschen von
ganzer Ergebung in sein Schicksal zu besitzen. E r trieb es darin aber in der Folge gar zu
weit und liess es leider oft an der nöthigen Anstrengung fehlen, welche wohl im Stande
gewesen wäre, missliche Verhältnisse zu ändern. Zu diesen drei Leuten gesellte sich in
G orbiza noch der getaufte T unguse Iw an Garassowitscjh, ein prächtiger, unverdorbener
Junge, den ich nie vergessen werde, ein freier Sohn der Urwälder, froh, arbeitsam,
gutmüthig, ehrlich, beherzt und geschickt zu jeder leichten Arbeit.
Der Herr General-Gouverneur O stsibiriens, Graf M uraw ieff-A m urski, welcher
meinen Reisen stets die liebevollste und eifrigste Unterstützung zu Theil werden liess*
hatte mich auch diesmal mit den nöthigen officiellen Papieren versehen, die mir das Recht
gaben alle mögliche Hülfe Seitens der tran sb aik alischen Behörden zu beanspruchen.
Auch der damals hier residirende Gouverneur, Herr General von K orsakoff, der leider
in Kja'chta bleiben musste, hatte die Freundlichkeit gehabt, die nöthigen Befehle zu hinterlassen,
denen gemäss man mir Floss und Boot, sowie Proviant aus den Regierungs-Magazinen
käuflich überlassen sollte.
Ungeachtet dessen hielt mich die Fahrlässigkeit eines Beamten in T schita dermaas-
sen zurück, dass ich ernstlich um meine Weiterreise besorgt wurde, da, nachdem die In go
da eisfrei geworden war, was in den letzten Tagen des April geschah, ich Kaufleute das
offene Wasser zwar benutzen sah, man mir aber, dem alle Hülfe zugesagt worden, stets auf
meine dringenden Vorstellungen unhaltbare Entschuldigungen etc. zur Erwiederung gab.
Um so erwünschter kam mir daher das freundliche Anerbieten der Herren B estu jeff und
Semin, die beide in diesem Jahre grosse Transporte an Munition und Proviant zur Amurmündung
schaffen wollten und mit Allem dazu Nöthigen reichlich versehen waren. Diese
Herren schlugen mir vor, ich möchte mit ihnen die Reise zu Wasser bis Bjänkina machen,
wo sie mir ein Floss überlassen könnten und von wo ich dann weiter allein reisen sollte.
Ich machte von ihrer gütigen Erlaubniss Gebrauch, verliess am 7. Morgens T schita und
begab mich mit allen leichteren Sachen in das nahe gelegene A tam anofka, wo Herrn
Sem in’s geräumiges und verdecktes Boot gebaut worden war. Das schwere Gepäck, welches
in T schita durch einen Theil des nöthigen Proviants stark vermehrt worden war,
wurde von hier bis B jänkina auf einem Flosse transportirt.
Am 10. Mai erreichten wir das grosse Dorf B jänkina, meine Leute aber, deren zwei
bei dem schweren Gepäck geblieben waren, konnten erst am 13. oder 14. Mai damit hier
eintreffen.
Ichvbenutzte die freie Zeit also und fuhr von hier nach N ertschinski-S aw od, theils
in der Absicht, dort den Blei- und Quecksilberbedarf für meine Reise einzukaufen, theils
auch um Herrn W aletzky dort zu besuchen und ihn wo möglich zu bewegen, mich zum
mittleren Am ur zu begleiten, wodurch ich in den Stand gesetzt worden wäre, ihm alle botanischen
Arbeiten zu überlassen, und um so mehr dem Thierreiche allein Zeit und Mühe
hätte zuwenden können. Jedoch traf ich Herrn W aletzky nicht mehr hier und eilte mit
den eingekauften Vorräthen auf derselben Strasse, welche ich gekommen war, zurück. Diese
führt nun von B jänkina an gerechnet über die Dörfer U st-E ginsk, Schelapugino,
K aw ikutschinsk, G asim ursk und Solonetschnaja.
Nachdem ich am 13, Mai wieder in B jänkina eingetroffen war, konnte am 14. früh,
als meine Leute mit dem Flosse von T schita hierher ankamen, mit dem Umladen des Gepäckes
auf ein grösseres, für die weite Reise noch sorgfältig untersuchtes und in sich befestigtes
Floss begonnen werden. Dieses Floss bestand aus 40 Kieferbalken, die meistens
12 — 14 zöllig an ihrem dickeren Ende waren, und alle ehedem Windfälle gewesen, auch
grösseren oder geringeren Schaden im Laufe der Zeit genommen hatten, da sie zwar
trocken, aber auch stellenweise ausgefault und bei den sehr gewöhnlichen Waidbränden
oft stark angekohlt waren. Je 20 dieser Balken waren mit Weiden an einander gebunden,
durch Querhölzer die Verbindung noch fester geschlossen, und so die beiden Hälften des
Flosses an einander geknebelt, wozu man wiederum dicke Weidenringe benutzte, die mit
Stangen zusammengedreht wurden. Herr B estu jeff schenkte mir dazu eine ziemlich geräumige
Kajüte, und nachdem diese und die vorhandenen Vorräthe placirt worden waren,
verliessen wir B jänkina am 15. Mai.
Nun wurde die starke Strömung der Schilka benutzt, und nur wo diese uns zu nahe
den felsigen Ufern trieb, musste mit Hülfe zweier langer Ruder, die vorne und hinten- in
der Mitte des Flosses angebracht waren, gesteuert werden. Am 16. legten wir Mittags in
S tretin sk an, wohin der Herr Gouverneur v. K orsakoff unterdessen angekommen war.
Nachmittags reisten wir weiter und kamen den 20. Mai nach Schilkinski-Saw od.
Hier musste, als an demjenigen Orte, von wo die Hauptverproviantirung und Equipi-
rung aller zum Amur abgehenden Militairs stattfindet, der Einkauf an Mehl, Grütze, Salz,
Spiritus, Glas etc. gemacht werden und da gegenwärtig der Andrang vieler Leute und Geschäfte
es unmöglich machte, diesNöthige rasch zu erhalten, so konnte ich erst am 22. Mai
weiter reisen, kam am 23. Mai nach G orbiza, wo der oben erwähnte T unguse Iwan
sich uns anschloss, und erreichte Abends am 25. Mai den Vereinigungspunkt des Argunj
und der Schilka, woselbst U st-S trelk a, die bis dahin östlichste unserer Grenzwachten
gelegen |st. Während dieser Reise nun hatte ich überall, sobald es sich nur thun liess, kleine
Excursionen an den Ufern der Schilka gemacht, indem ich in leichter O m arotsche1) meinem
Flosse entweder voraneilte, oder bei dem Zurückbleiben es bald wieder einholte.
Am 26. Mai, dem ersten Pfingstfeiertage blieb ich in U st-S trelk a, um das Nöthige
noch anzuschaffen und am 27. Mai früh trugen uns die Amurfluthen weiter.
Unser befrachtetes Floss bot ein recht buntes Bild dar. Angekoppelt waren auf ihm
mehrere Jagdhunde, und.die Mehlfässer waren so gestellt, dass das Hintertheil des Flosses
etwas tiefer ging., Säcke mit getrocknetem Zwieback, kleine Fleischbütten, einige Blei1)
Ein bei den T ungusen gebräuchlicher, aus Birkenrinde zusammengenähter schmaler Nachen, den
mir Herr General von K orsakoff zur Amurreise schenkte.
Redde,- Reisen im Sfiden von Ost-Sibirien. Thl. I. IV