fällt es hier zum Spiegel des B aikals ab und speist eine Unzahl von Bächlein, deren wenige
nur bedeutender sind uud dann auf den erweiterten Mündungsländchen kleinen burjatischen
Dörfern Haltpunkte bieten. In seinen höchsten Punkten, die am nördlichen Ende
gelegen,, streicht es die Schneegrenze nicht und verflacht sich nach NW. zum Lena-Thale,
zwar nicht so plötzlich, wie es an seiner SO.-Seite abfällt, aber doch immer rasch, wenn
wir bedenken, dass kaum 60 Werst von der südwestlichsten Quelle (Mansurka-Bach) bei
der M ansurskischen Station die Höhe über dem Meere sich nur auf 1831’ engl, beläuft
und bei dem Dorfe K atschuga bereits auf 1550 gesunken ist'). Im NO. und 0. des Bai-
kalsee’s aber gewinnen die Landschaften durch das aus diesen Richtungen sich mächtig entwickelnde
Quellnetz der Hauptzuflüsse der L ena, an gleichförmig, gebirgiger Beschaffenheit
und stellen vom Nordabhange des Apfel- und Stanowoi-Gebirges, sowie von der
Westseite des Dshugdshur-Küstengebirges ein überaus quellenreiches, durchweg mit
Urwäldern bedecktes Terrain dar, dem in seiner östlichen Hälfte sich die Maja und der
Aldan, in seiner westlichen aber die Olekma und der W itim entwinden.
Der letztgenannte dieser Lena-Zuflüsse greift mit seinem Quellennetze tiefer nach
Süden in die tran sb aik alischen Gegenden vor, als die übrigen, und hier sehen wir vornehmlich
durch die Entwicklung der Wasserscheide zwischen dem Baikalsee und dem
W itim die Gebirge als sogenannte B auntische an Wildheit und Macht zunehmen, deren
W.- und NW.-Seite den B argusin und die nördliche A ngara speisen und deren O.-Seite
die M uja, Zypa und andere zum W itim entfallen. Ob diese B auntischen Höhen
sich geognostisch nachweisbar an das Apfel-Gebirge schliessen, oder südwestlich vom
unteren B argusinlaufe sich wieder als Baikal-Gebirgsrand bis zur Selenga fortsetzen,
und so mit dem aus Westen zu diesem Strome tretenden Kamara-Zuge Zusammenhängen,
darf man kaum wagen zu behaupten; jedenfalls aber scheint ihr Zusammenhang mit dem
Apfel-Gehirge unwahrscheinlich, weil im mittleren Uda-Thale-(in Transbai-kalien) jene
äussersten Ausläufer der B aun tischen Höhen sich in sanften Abflachungen verlieren.
Hier überall blieb die organische Schöpfung dieser weiten Gebirgsländer eine überaus
gleichförmige, an und für sich arme. Von den Gipfelhöhen jener Gebirge, an denen nur
hie und da der Schnee in Spalten und Klüften in geringen Spuren alljährlich sich erhält,
bis zur Niveauhöhe des B aikals, also von circa 6 0 0 0 4 lil3 0 0 ' engl, üher dem Meere,
modelt sich die Pflanzenwelt voraigsweise nur nach vier Typen, so lange wir sie bis zum
52° nördl. Br. hier in ihrer Gesammtheit aufzufassen uns bestreben. Der strauchenden
Zirbelkiefer, welche im Vereine mit Rhododendron, Zwergbirken und alpinen Weiden die
Baumgrenze überschreitet, schliesst sich höher der Dryasrasen und die Alpenflora O stsib
irien s an, tiefer das krüppelnde Knieholz der Zirbelkiefer, welche (soweit man jetzt
wenigstens darüber urtheilen kann) hier überall die'Baumgrenze nebst Abies sibirica Led.
(Pinus Pithia Fisch.) bildet und nicht, wie am Südabhange des östlichen Sajan, durch die
1) M eglitzky: Yerhandl. der Mineral. GesellsSh. zu St. Petersburg, 1856, p. 1B5.
Lärche ersetzt wird. Auch sehen wir die Baumgrenze selbst, sowohl im Baikal-Gebirge,
als auch im Apfel-Gebirge, bedeutend tiefer sinken, was vielleicht durch den grossen
Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre verursacht wird, und müssen wenigstens nach den
Untersuchungeb, welche ich an den südlichsten Punkten machte,-, die zugleich die höchsten
sind behaupten, dass sich hier im Vergleiche zur Baumgrenze im östlichen Sajan, dieser
Unterschied auf circa 1000' steigert. Tiefer gelegen bleibt überall in jenen Gebirgen der
sibirische Urwald mit seiner ungeheuren Ruhe wohl erhalten. Wo streckenweise einstens
das Feuer von der verlassenen Lagerstätte-jagdtreibender Tungusen oder unglücklicher
Läuflinge um sich griff, starren die angekohlten, todten Zapfenbäume düsterer noch in die
Melancholie trostloser Waldeinöden. Ein wenig abändemder Teppich von Moosen und
Flechten auf dem sich die Vaccinien ansiedelten und Linnea hinrankt, deckt meistentheils
die quellenreichen Thalgehänge, und wo die Sohle des Baches an Breite gewinnt, bilden
die festverwucherten Wurzeln von Carex-Arten hohe Humpen in sumpfiger Ebene. Bis zur
durchschnittlichen Höhe von 3000' über dem Meere finden die gestaltenreicheren Glieder
der subalpinen Flora in grossen, schönblühenden Staudengewächsen ihre Vertreter, und je
nachdem die Localitäten ihrer Standorte günstiger oder beeinträchtigender für solche Pflanzen
waren, gewann im Schatten lichter Birkenhaine dieser Plätze die Flora bald grössere,
bald geringere Ausdehnung.
In nicht geringerem Grade macht sich auch im Thierreiche hier überall eine grosse
Gleichförmigkeit bemerkbar. Keines jener m ongolischen Hochsteppenthiere betrat die
schweigsamen Wälder der Baikal-Höhen'und des Apfel-Gebirges; ebensowenig, wie es
gelang, dort, wenn auch nur einen Vertreter der in jüngster Zeit neuentdeckten südlichen
Pflanzenarten vom mittleren Amurlaufe zu finden, ebenso fehlt es dem Nordabhange des
Stanow oi- und Apfel-Gebirges an den auszeichnenden Thierarten des Amurlandes gänzlich.
Endlich aber wurde selbst dem Leben des Menschen in diesen Räumen und der Entwicklung
seiner Cultur die enge Bahn angewiesen, wie sie so arme einseitige Naturverhältnisse
erzwingen. In weitläufiger Zerstreuung, versprengt in kleine, schwächliche Stämme,
hier und da an den Ufern eines fischreichen Wildbaches stationär, dann wieder zu einzelnen,
entlegenen Concentrationspunkten sich auf einige Tage im Winter nach vollbrachter
Pelzthierjagd vereinigend, sehen wir hier überall die T ungusen ihre Jagdgebiete behaupten.
An’die Stelle des Pferdes trat in den unwegsamen^-grasarmen Gebirgssümpfen das
Rennthier, und wie jene Urnatur sich unverändert im Zeiträume vieler Jahrtausende erhielt
und nur an den Rändern ihres Gebietes der Zahn der Vernichtung hie und da nagte, oder
sich auf goldführendem Sande an einzelnen Stellen tiefer einfrass, so bilden auch die Menschen,
denen sie zur Heimath wurde, da, wo die Conflicte mit europäisch einwandernder
Bevölkerung nur gering waren oder gar nicht stattfanden, — ein unverdorbenes, biederes
Jägervölkchen, schüchtern und furchtsam, wo ihm ungewohnterWeise eine andere P.ppulation
entgegentrat, beherzt und muthig, frisch uhd fröhlich, wo es ungestört in seinem Elemente
blieb; ein Jägervolk, das gestählt durch den rastlosen Kampf mit der kargen Natur, trotz
Rad d e , Reisen im Säden von Ost-Sibirien. Tbl. I. VII