im Rennthiere vornehmlich nur vertreten. Keine Antilope, kein Argalschaf überstieg von
Süden her das Randgebirge. Im Düster der Coniferenwälder lebt auf flechtenüberwucherten
Felsen das Moschusthier und ihm folgt, den schwerfälligen Leib mühsam fortschleppend,
der Vielfrass. Dort an der Südseite, wo je mehr wir uns nach Mittag wenden, um so mehr
auch die Eigenthümlichkeiten der hohen Gobi antreffen,.schweifen in den gebirgigen, kahlen
öden Ländern Antilopenscharen umher, oder es äsen unweit der salzauswittemden
Ränder flacher See’n die wilden Dshiggetei-Pferde.
Und der Mensch in diesen und jenen Ländern? Hier im Süden, einst mächtig eingreifend
in die Schicksale der Nachbarvölker, blieb dem Mongolenstamme meistens dennoch
nur die Rohheit der nicht sesshaften Nomaden, oder die Unheugsamkeit lamaitischer Priesterwürde,
mit der er in unwandelbarer Gleichheit gegen jeden Fortschritt rücksichtslos
bleibt. Höher, schon im Bereiche des Randgebirges selbst, wo das Gedeihen des Rindes
oft durch die Rauhheit des Klimas sehr beeinträchtigt wird, leben in kleinen Gruppen
spärliche Ueberreste jagdtreibender Völkerstämme, deren Ursprung schwer zu deuten,
und deren Häufigkeit und Verschiedenartigkeit mit dem östlichsten Ende der Saj an kette
aufhört, um dann in den östlicher gelegenen Gebirgen Sibiriens durch den weitverbreiteten
Tungusenstam m ersetzt zu werden. An diese Bergvölker, welche in einzelnen
Tribus dem Erlöschen mehr und mehr nahen, grenzen im Norden auf dem höheren Plateaulande
Mongolenstämme, die, in der Viehzucht beengt durch die Schwierigkeiten der
starkbewaldeten Gebirge, dieselbe in verhältnissmässig geringerem Grade betreiben, dagegen
bald sich der Jagd, bald auch, durch die eu rop äisch-sibirische Bevölkerung angeregt,
der Agricultur zuwendeten und bei denen dann, hier mehr, dort weniger es gelang
das Mongolenthum zn verwischen und Zwitter zu erzeugen, deren Physiognomien allein
noch an die Mongolen erinnern, während Lebensweise und Beschäftigung sie mit dem
Sibiriaken vereinigen. Dieser S ibiriaken ty p endlich, seit ein Paar Jahrhunderten aus
o steu ropäischen Elementen in bunter, regelloser Weise vom Schicksal zusammengewürfelt,
zieht sich, als breites Band der einzigen grossen Heerstrasse folgend, jetzt bis zum
stillen Meere. Aus den einst Unglücklichen (lecHacTHiie, Verbannten) wurden Glückliche.
Es verschmelzen in den Nachkommen der Verbrecher und Verwiesenen alle früheren, oft
sehr grellen persönlichen Differenzen. Das Kind trifft nicht die so schwer lastende Schuld
des Vaters, der Mutter; die neue Heimath bietet neue Quellen des Erwerbes und wem das
bessere Loos zu Theil wurde, nach schwerer Busse die Freiheit wieder zu erlangen, lernt
die neue Scholle liebgewinnen und trägt auf sie die frühangewöhnten europäischen Verhältnisse
über. Von diesem breiten Bande übergeführter europ äischer Bevölkerung verzweigen
sich seitwärts die stärkeren, einzelnen Fäden weit gegen Norden, meistens dem
Laufe fischreicher Ströme folgend, an einzelnen Stellen zu Knoten anschwellend, bis sie im
Polaren-Cirkel sich in wenige feine Fasern verlieren und hier, schon überall umgeben von
den Zwerggestalten des Samojedenstammes, ihr kümmerliches ^Dasein fristen. An die Stelle
des Rindes und Pferdes tritt dort das Rennthier und der Hund, und jener grossen Gleichförmigkeit
der hochnordischen asiatischen Gebiete entspricht die einseitige Lebensweise
der sie bewohnenden ursprünglichen Bevölkerung. Was dort am Eismeere die Höhe der
Breiten, unter denen die weitgedehnten Länder gelegen, bedingt, sehen wir viel südlicher,
indem wir zum Ausgangspunkte unserer Betrachtungen, nämlich zum gebirgigen Nordrande
von Inn erasien treten, an dessen Südseite in fast gleicher Weise stattfinden; die Configu-
ration der Erdoberflädfe und ihre durchschnittliche bedeutende Höhe über dem Meere,
bedingen das Nomadenleben der Mongolen.
Bevor ich weiter östlich hin den Blick auf die dort stattfindenden Verkettungen der
Bedingungen richte, welche von Einfluss auf die organische Natur sein müssen, bleibt mir
hier noch Einiges zu sagen über die Scheitelhöhe des östlichen Saj an, von ihr aus die bis
jetzt ermittelten Abflachungen der Nord- und Südseite dieses Gebirges zu erwähnen, und
dann durch das Nivellement des Irkut-Thales in die Spiegelhöhe des B aikals zu gelangen.
Jene Munku-Sardik-Höhe, deren Gletscher südwärts weit in-die Mongolei blinkt,
dominirt die zunächst gelegenen Gipfel und Zinken der östlichen Sajankette nur um ein
Geringes und erreicht in ihrer höchsten Schneekuppe die bedeutende Erhebung von 11400
engl, über dem Meere. Sie stellt den mächtigen Knoten'dar, welchem nordwärts die Oka,
B jellaja, der K itoi und Irk u t sich entwinden, während sich südwärts von ihm, dem
Westüfer des Kossogol entlang laufend, ein Zweig abtrennt, der aller Wahrscheinlichkeit
nach als Querjoch die Tangnu- und E rgik-T argak-T aigan-K ette verbindet und auf sieben
Passübergängen den K ossogol-U rjänchen mit den D archaten den Umgang ermöglicht.
Westwärts und ostwärts streicht aber in fast gleicher Breite der Hauptzug des
Sajan als schmalrückiges Kammgebirge mit wenigen bequemen Pässen fort und erreicht
dort, indem es sich zuerst nordwestlich und dann imBogen südwestlich wendet, den Hauptdurchbruch
des Jen isei von Süden her, während es hier in seiner östlichen Verlängerung,
dem sogenannten Gurbi-Gebirge, sicher an zwei, vielleicht sogar an drei Stellen von Norden
her durchbrochen wird. Den mächtigsten dieser Durchbrüche verursacht der schw arze
Irk u t, der Abfluss des nordwärts gelegenen Iltschirsee’s, welcher von der Höhe der
Baumgrenze kommend, zuerst im vielgeschlängelten Bette aus alpiner Tundra langsam
westwärts fliesst, und dann südlich wendend das Massiv des N ukn-daban an der Ostseite
durchbricht, und durch eine enge steilwandige Schlucht mit beiderseits gleichartiger Kalkformation,
dahinbraust, um sich hart am Fusse der Südseite des Sajan mit dem w eissen
Irk u t zu vereinigen. Dieser letztere entspringt an den östlichen Höhen des Munku-
Sardik.
Wir stellen nun schliesslich für diese. Gegenden die barometrischen Nivellements tabellarisch
zusammen und bedauern es nur, dass für die Nord- und Südseite keine vollständigeren
Materialien vorliegen.
Demnach haben wir von der