VIII. iDie QBieöertäufer oon S iro l
©in altes, unanfeßnlicßes Vüßletn liegt oor mir. „©iroter Veifebucß“
fteßt auf bem oergilbten ©itelblatt unb „©ouriftenluft unb -Leib in ©irol“ als
Untertitel. 9lls Verfaffer geißrtet © u ft a o 9t a f <ß — ein 9lamen, ber längft
aus bem ©ebäcßtnis ber Seitgenoffen oerfcßwunben ift, troßbem fein ©räger
einft als Verfaffer eines oielgelefenen unb gefcßäßten Veifefüßrers burcß bie
öfterreicßifcßen Sllpen weithin befannt war.
S o oeraltet bas SOerEcßen anmutet, ift es bod; noch nicßt lange her, baß
fein Sußalt lebenbige ©egenwart war, benn es ftammt aus bem gaßre 1874.
Kopffcßüttelnb lieft man barin ¡Dinge, bie man nicht glauben würbe, wenn fich
nicht ihr ©ewährsmann mit feiner gangen 'iperfönlicßfeit bafür einfeßen würbe.
92lit offenen Slugen hat er Lanb unb Leute beobachtet, unb wenn fein Urteil
oft aud) P fcharf unb lieblos anmutet, fo mag es für benjenigen gerabe baburch
befonbers wertooll fein, ber ftatt ber häufigen Schönfärberei mehr ober minber
offigieller ober im ¡Dienfte bes ffrembenoeriehrs fteßenber 2Berte nach un-
gefcßminfter 28irE!id)!eit fu<h>t.
2lls heroorftechenben ©ßaraftergug bes alten ©irols betont 9t a f cß immer
wieber bie unbebingte UnterwürfigEeit ber VeoölEerung unter bie ©eiftücßfeit.
„Sn ben entlegenen Quertälern“, fagt er, „fteigt bas Slnfeßen bes ©eiftlicßen
bis gu einer faft göttlichen Verehrung. Sein 2Bort ift allmächtig, feine Verfon
ift oon einem göttlichen Vimbus umgeben. 9Bo er erfcßeint, fommen bie ©e-
meinbemitglieber, um ißm bie ijänbe ober ben Sipfel bes geiftlichen ©ewanbes
gu iüffen. Varhäuptig fteßen fie gebücEt an ber Straße, wenn er oorüberfcßreitet.“
„¡Diefe Slbßängigfeit ber VeoölEerung oon ber ©eiftlicßfeit ift eine bireite unb
inbirette, eine bewußte unb unbewußte; fie gießt ficß burcß alle Stänbe unb
Verßältniffe. ©er ©influß b.er SPriefterfcßaft, ber Vtßncße unb ber Klofterfrauen
ift enorm, nicßt allein auf bem Lanbe unb in ben ©örfern, fonbern aucß in ben
Stäbten, welche nicßt für flerital, fonbern für liberal gelten, gebes 9Jiitglieb
ber Samilie fteßt in irgenb einer Vegießung gu einem ©eiftlicßen, ber ijerr
unb bie fjrau oom ijaufe, bie Sößne unb bie ©ßcßter, ber Knecßt unb bie 9Itagb,
unb jebe Vegießung wirb gu einer 9lrt oon ÄbßängigEeit oon bem ©eiftlicßen
ausgebeutet. Sluf bem Lanbe wirb es feinen Vauernßof geben, wo nicßt ber
^Pfarrer, ber ©uratus ober irgenb ein anberer ©eiftlicßer unb „ßocßwürbiger
£)err“ aucß ijausfreunb ift. gebet: erßolt ficß 9tat bei einem geiftlicßen §errn in
©alar ober in ber Kutte, gn ©irol würbe ber Veichtftußl gar nicßt nötig fein,
um alle gumilienoerßältmffe bes Vei.cßtenben fennen gu lernen . , .“
©er objeftioe Kulturforfcßer wirb folcßen Äußerungen nicßt guoiel ©ewicßt
beiliegen, fie entftanben gur Seit bes Kulturfampfes, unb finb oielleicßt nicßts
anberes als ber ÄusbrucE perfönlicßer ©efinnungen unb gufälliger unb oerall-
gemeinerter ©rfaßrungen. 32leßr ins ©ewicßt fallenb finb reale Eingaben, wie
fie ber Verfaffer über V r i p e n , als bem geiftlicßen 92tittelpun£t oon ©irol
bietet. „Swölf Kirnen unb woßl ebenfooiel Klöfter unb Kapellen auf eine
VeoölEerung oon nocß nicßt 3000 ©inwoßnern, unb bagu einige 20 28irtsßäufer
unb nocß meßr ScßenEen.“ So beginnt fein Vericßt über bie alte Vifcßofsftabt,
gibt. uo ©eldjmëte SauernftuBe in Ben QHpen (Scfttoeis)
bie ficß rüßmt, baß ißr Vistum eines ber älteften ber ©ßriftenßeit fei, ba es fcßon
im 4. Saßrßunbert oom ßl. ©affian gegrünbet würbe, llnb bei ber Scßilberung
oon V r t p e n erfennt man aucß, baß ber Verfaffer wirflicß einfeitig urteilt,
benn es feßlt bei ißm jebe ©rwäßnung bes Vußmesblattes, bas gerabe bie ©e-
fcßicßte oon Vripen gu einer ber freunblicßften Seiten in ber Kulturßiftorie oon
©irol geftaltet, burcß jenen V i E l a u s K r e b s , ben bie Kircßengefcßicßte
als 91 i E o l a u s © u f a n u s als größten ©eleßrten feiner Seit unb berüßm