an bem Sage, an bem ¿um erftenmal ber feine filbergraue bißte Bebel in ben
Straßen wallt unb alle 2Belt im beutfßen (flaßlanbe glaubt, nun loßne es n iß t
meßr, auf bie Berge ju fteigen. ©a beginnt bann bas große Schweigen unb
bie große Schönheit ber Batur. gwar empfängt uns bie Salftation mit büfterftem,
triefenbem unb unfreunblichem ©rau. ©ingenebelt ift bie ganze Sanbfßaft,
oerfchwunben finb bie Berge, ©as ©örfßen, bas im Sommer fo fßmucE, btumen-
frif<h unb heiter uns entgegenlachte, ift jeßt eines ber oben griesgrämigen Befter,
in bem wir „nicht begraben fein möchten“, ©in unangenehmer Biobergeruch
erfüllt bie Suft, bie Berwefungspilze machen fiel) im SEÖalbe breit, in bem an
allen Stämmen bie BebelfeußtigEeit nieberficiett; oon allen Blättern tropft
es, fröftelnb erfchauert man oor ber rtaffen Kälte, bie bem Beuling einen un-
erquidlißen Sag unb eine oerborbene “Partie oerheißt. Blan hat Eaum ein
Buge für bie pbantaftifß malerifchen Bilber, bie fo ein oon Bebelfßwaben
burßzogener 2Balb bietet, gn eine merEwürbige unb ungewohnte perfpeftioe
orbnet er bie Bäume; er fchafft ©iftanzen, orbnet bas liebgewohnte Sßalbbilb
in theatermäßige Kuliffen unb überzieht altes mit einem unfägtiß feinen
Silberglanz, mit bemfetben, ber an ben Bilbern ber alten hollänbifchen £anb-
fchafter mit Saufenben bezahlt wirb, gier genießt man ihn umfonft unb hot
boch Eein Buge bafür.
©er Pfab winbet {ich burch SBalb ben Berg hinan, bie Bebel wollen nicht
weießen, troßbem man feßon ßoß über bem Sale fteßt, ber Sag fßeint enb-
gülfig oerloren. ©oeß nun breitet fid; ein ungewohntes, ben Bugen faft fßmerzen-
bes weißes £ iß t über ben Bäumen, ein leifer SÜinb erßebt fieß, wie wallenbe
©ämpfe ziehen bie Bebelftreifen, fie jagen fuß förmlich, fie fliegen ßoeß empor,
breßen fieß um fieß felbft unb Eeßren wieber zurücE; es brobelt unb fiebet in biefem
Bleer oon ©ämpfen, unb bas oerßeißt eine balbige Bnberung. Bun haben
wir faft 1000 m goße erreicht, ©a blißt auf einmal ein ßeller ©onnenftraßl
burcl) bie ©ilberbecEe unb magifcß, wie BrillantenEetten in griingolbenem
fjeuer erfeßimmern bie Bebeltröpfcßen an ben Spinnenneßen, ©olbfunEen
finb gefeßteubert an jeben ßängenben Sropfert, es fprüßt ünb flirrt ringsum
wie in einer Kriftallßößle, jeßt zerreißt ber Balbacßin —ünb tiefes leucßtenbes
gimmelsblau fteßt über ißm! Bocß wenige Btinuten bes Steigens unb wir
fteßen auf fonnenbeglänzter göße, bie blaue wolEenlofe gimmelsglode über
uns unb bas Bebelmeer zu unferen (Jüßen.
0n einem folßen BugenblicE begreift man bie Sonnenanbeter. Blan füßlt
in allen ©Hebern, mit allen Beroen, welcß begtüctenbe zaubermäeßtige 2Boßl-
täterin bie Sonne eigentlich 'ß weniger als ein gaueß, folcß ein ©onnenftraßl
unb bennoeß feßeibet er ©lücE unb Seiben, trennt er ¿wei B3elten oon
folßer ©egenfäßlicßteit, baß man feßr woßl oerfteßt, wie man ¿ur Kennzeichnung
bes größten Kontraftes fagen Eann, bas eine ©ing fei oon bem anberen
fo oerfeßieben, wie Sag unb B a ß t.
Bom OEtobcr bis zum Bpril ift es im goeßgebirge bie Begel, baß in ber
göße oon 800 bis 1000 m bie Ealte nebelige £uft oft ganz genau abgegrenzt
einer linben unb fonnigen 8 one piaß'macbt, in beren ftraßlenbem ©onnen-
feßein oft genug Beließen unb Primeln mitten im 2Binter erblüßen. Blit bem
ffortfßrciten ber gaßreszeit weießt biefe 8 t>ne in größere gößen; oon 2Beiß-
nad;ten bis ©nbe ftebruar ift fie in 2 bis 3000 m göße zu finben; allerbings
fteigt fie mit bem ftafßingsenbe nießt ebenfo regelmäßig wieber ßinab, fonbern,
wenn es am gaßresfßluß feßeinen wollte, als Eönne es auf bem Berg nießt
BSinter werben, fo mag im goeßgebirge ber (froftriefe bann nießt meßr bie g e rr-
feßaft abgeben, ©er gerbft bauert übermäßig lang, bafür zieht auch ber grüßling
oerfpätet ein.
Batürlicß wirb niemanb bas fo oerfteßen, baß es auf ben Bergen im SBinter
überhaupt Eein fcßlecßtes SB etter geben Eönne. ©s foll mit bem obigen nur bie
allgemeine 2Bitterungstenben¿ bezeiißnet werben, unb bie würbe oon ber
gSiffenfßaft in ben ©aß gefaßt, baß bas ©ebirge im Sommer b u rß fß n ittliß
nur jeben britten Sag ©onnenfeßein genieße, im Söinter bagegen jeben zweiten
Sag. ünb man mößte oerfueßt fein, ßinzuzufeßen: im gerbft aber jeben Sag.
Buf ben oertaffenen Blmwiefen ift es im OEtober unb Booember troefen
unb fo warm, baß man fieß rafcß jebes ÜberEleibes entlebigt. Bicßt einmal bie
Blumenpraßt ift oölHg oerfßwunben, obfßon bie eigentlichen gerbftblüßer
ber goßwiefen, bie parnaffie, ber Eieine oiolette ©nz i an (Gent i ana o b t
u s i f o 1 i a), bie gerbftzeitlofe unb ber allerliebfte Bugentroft längft oer-
blüßt finb. ©a unb bort fteßt noeß ein ©änfeblümcßen; es ift bie Begel,
baß im ©pätßerbft maneße Primel erwaeßt unb BanunEeln unb Bingelblumen
oon neuem ißre golbgelben Köpfißen erßeben.
©rft feitbem wir bie Bebelregion überfeßritten haben, tommen uns bie
wunberfamen gerbftfarben fo reeßt ¿um Bewußtfein, mit benen ber Bergwalb
in ber zweiten gälfte bes OEtober gefßmücft ift. ©s geßört zu bengößepunttenbes
Baturgenuffes, um biefe 8 eit in ben großen SBalbgegenben ber Borberge zu wan-
bern, etwa ben bequemen Übergang oon Se g e r n f e e über bie „fßwarze S enn
ober zum g i r f ß t a l f a t t e l , unb oon ba naeß S e n g g r i e s ¿u unternehmen.
Blan fießt bann bie Bergwänbe in eine unbefcßreiblicß ßarmonifße
Buntßeit getaußt, in ber bas bunEle|©rün ber Babetbäume ben ©runbton
unb BußepunEt für bas Buge abgibt, zu bem bas helle Boftbraun ber B u ß en ,
bas in ber fjerne einen eigentümliß melanßolifßen oioletten g a u ß annimt,
einen gerabezu raffinierten Kontraft abgibt, ©anz ßelle S iß te r feßen bie Berg-
aßorne barauf; ißre Blätter oerwelEen mit ßellem ©elb, fo baß es, wenn man
unter einen biefer mäßtigen Bäume tritt, anmutet, als riefle nun ein gelbes
tnifternbes fßeuer über uns ßerab. gellfßwefelgelb ftirbt a u ß ber Birte Saub,
unb bie Babeln ber S ä rß e werben, beoor fie abfallen, gerabezu fonnenfßein-
farben. ©a¿u Eommt ein tiefes, leußtenbes 28einrot ber wilben Birnbäume
unb manßer eingefprengten ©träußer. Blle biefe (färben finb burß
bie einzelnen ©tabien ber Bergilbung nod) in oiele Bbftufungen gefßieben,
fo baß insgefamt eine (farbenfpmpßonie entfteßt, bie man oielleißt besßalb nie
in ben Bteliers ber Blaler wieberfinbet, weil fie gemalt ßößft unwaßrfßeinliß
erfßiene ober aber für ben menfßlißen pinfel überhaupt n iß t ausführbar ift.
B iß t weniger fßön ift ber alpine gerbft auf einem ber goßmoore ober
goße, nur muß man ißn etwas früßer, etwa 2lnfang Oftober, belaufßen, ba
bas 2Koor etwas ausgefproßen norbifßes ßat unb offenbar ben früßen 2Binter