feie Seit im Winterfcblafe Derbringen. Sie bieten infofern bie intereffantefte
aller alpinen Tieranpaffungen, unb batjer möge es geftattet fein, f>ier, ben
Spuren Dr. 33 l e p s folgerib, ettpas ausführlicher bei ihnen ju Derweilen.
®s ift etwa ©nbe Märg, ba bas lebenbige Waffer in ben 23ergen toieber
erwacht, unb ber Scimeefreffer feit langem toieber gum erftenmat ben ©raten
unb ©ipfeln fein toilbes Sieb auffpielt. ©a sieht bas erfte erwad>enbe Murmeltier
ben gapfen aus bem ©ingang ¿um Winterbau, um bie ertoachenbe Sonne 5x1 begrüben.
Unter biefem Ausbrud oerftehen bie Säger eine gufammengebadene
Maffe oon ©tbe, §eu unb Steinen, mit benen bie Murmeltiere bie ©infahrt gu
ihrer Winterhöhlo gumauern. Sie ftatten biefe überhaupt wohnlich aus unb
polftern fie mit weichem, trodenem §eu, 100511 fie ¡ich fchon im Socbf01 inner
fleißig faftige Kräuter abbeißen unb für ben Transport gured>tlegen. ijieroon
mußten übrigens bereits bie Sitten, benen, im befonberen bem naturEunbigen
l i n i u s bas Murmeltier unter bem Aamen Sllpenmaus xoohtbeEarmt toar.
©ie Winterhöhle felbft befteht aus einer geteilten Aöfme, beren 23tinbgang
angeblich nur bas Material ¿um gapfen liefert, fehr häufig aber aud> bie Sptre-
mente ber Tiere enthält, ©ie Sjauptröhre bagegen, bie angeblich bis 10 m lang
fein foll, aber meift nicht mehr als etxoa 2 m mißt, führt gu einer gang anfehnlichen,
1 bis 2 m im ©urchmeffer haltenben Kammer, in ber bie Siete im § erb ft mit
leerem Magen, feft eingegogenen Süßen unb mit feft gefchloffenen Augen unb
Munb, ¿ufammengerollt toie ein ©rnbrpo, ben Kopf unter ben Schwang geftecEt,
einfchlafen. Sie liegen gerabegu in Tobesftarre, Ealt unb empfinbungslos ba
unb fchlummern auch ohne xoeiteres in ben ©ob hinüber, toenn irgenbtoie bie
WinterEälte gugang ¿u ihrem Säger finbet. ©ies ift aber nur in außergewöfm-
lichen Sollen möglich, ba ber „Keffel“, toie bie Säger bie ^aupthöhle nennen,
gewöhnlich 1 m unter ber Aafenbede angelegt ift, unb bie ©ingänge fo feft oer-
ftopft toerben, baß in bem Säger eine gang annehmbare Temperatur i>errfcht.
©iefer äußerft merEtoürbi'ge Winterfdkaf, ber bie Murmeltiere gerabeju
gu einer Kuriofität unter fämtlichen Tieren macht, ba er in ben Sachlagen faft
brei 23iertel Sahre hinburch bauert, ift phpfiologifcf) noch nicht genügenb unter-
fucf>t; im gangen großen fcf>eint er auf einem mangelnben 23lutgufluß ¿um ©ehirn
gu beruhen, ©as §erg ber Tiere pocht babei fehr langfam, 16- bis 17 mal in
ber Minute, unb man hot berechnet, baff fie in fed>s Wintermonaten insgefamt
nur 71 000 mal Atem holen, toährenb im Sommer auf gtoei Tage 72 000 Sttem-
güge Eommen.. ©em entfpricf)t avich eine fehr geringe Wärmeergeugung, unb
man toill fid> iibergeugt haben, bafj bas 93lut bes Murmeltieres toährenb bes
Winterfctjemtobes nur eine Temperatur oon 9,3° C befiel, ©entgemäß finb
bie Tiere in biefem guftanb auch Segen Schmerg faft unempfinblid), ertoachen
aber fofort, toenn fie in bie Wärme gelangen. Sie finb bann gang munter, geigen
greßluft, fchlafen jeboch toieber ein, auch toenn fie in bie Wärme gelangen,
©och oerfinEen fie unter biefen llmftänben niemals in bie oollEommen rätfel-
hafte Sethargie, bie toir foeben gefepilbert haben, fonbern befchränEen fich auf
einen normalen unb relatio leichten Schlaf.
3m April ober je nach ber Sage erft im Mai unb Sttni hebt eines, ber Tiere
nach bem anbern langfam ben Kopf, oerfucht bie Täßd>en gu heben, redt unb
ftredt ¡ich, nnb balb ertönt toieber bas helle ipfeifen um bie 23aue. @s folgen
einige Tage, bie faft ausfcfjließlich mit Steffen oerbracht toerben, unb unmittelbar
barnad) beginnt für bie Tiere bie geit ber Siebe, ber fie fich fo hingeben, baß fie
gu roahren Knod>engerüften abmagern. Sngtoifchen ift ber Tag herangeEommen,
an bem man auf ben „^ochleger“ toanbern Eann. S o merEtoürbig es Elingt, fo ift
es boch Tatfache: nicht nur ber Alpler hat feine 2llmfahrt im Seng, fonbern auch
bas Murmeltier, ja fogar ber g u cf) s , ber in ben Alpen manchen Ortes bie
TOinterhöhle mit einem höher gelegenen Sommerbau oertaufcht. Ilm biefe geit
ber 2tlmfaf)rt toerben übrigens bie meiften ber armen Murmeltiere getötet, ba
ber Aberglauben ber Älpler für faft alle Teile bes feltfamen unb harmlofen
Tierchens eine o o l E sme b i g i n i f c h e 2 3 e r w e n b u n g hat, ihnen alfo
auf bas eifrigfte nachftellt.
©ie Sommertoohnung liegt gewöhnlich 300 bis 500 m höher als bas Winterquartier;
auch hierin hat fich alfo ber Menfct) bei ber Anlage feiner §od;alnten
merEtoürbig nach bem 3nftinft ber Tiere gerichtet. Xlnb fo, toie ber ijodjleger bes
Sennen gewöhnlich bebeutenb einfacher erbaut ift als ber Aieberleger, fo toie
auch er mit 23orliebe auf bie Sonnenfeite bes 23erges oerlegt ift, fo grünbet fich
auch bas Murmenfl fein Sommerhaus am liebften auf freien, fonnigen, oon
Sdjutt unb Abgrünben umgebenen Aafenpläßen unb toühlt bort Eurge, höchftens
bis 4 m lange ©änge aus, bie fo eng finb, baß felbft bie Eieinen Tiere burch bas
oftmalige ©in- unb Ausfchlüpfen in ben Aöf>ren ihren Aüdenpelg total ab-
fcheuern. Auch biefe Aöfwen finb oergtoeigt, befißen ihren Abort unb ihren
Keffel, ber als Wohn- unb Schlafgimmer ber gangen ©efellfchaft bient, ©iefe
fd;einbar unintelligenten Eieinen 23ierfüßler oerraten beim Anlegen ihrer Wohnung
oiele güge, bie fie liebwert unb angiehenb machen. S o g. 23. oerwenben
fie außergewöhnliche Mühe auf bie MasEierung ihres Wobnplaßes. ©ie aus
ben ©ängen herausgefdjaffte ©rbe würbe fie ihren oielen geinben, unter benen
gud>s, Abler unb Menfch bie fchlimmften finb, balb oerraten; man fief)t biefe
aber auch niemals oor ben 23auen aufgehäuft, fonbern bie Tiere oerteilen fie
in weitem Xlmfreis unb treten fie feft, um ihren Ilrfprung gu oerhüllen. 2lud) ber
©ingang gur Sjölüe ift gewöhnlich auf bas gefchidtefte angelegt. Schon ber geringe
©urchmeffer ber ©änge ift ein offenbar abficf>tlid> gewähltes Schußmittel, wenn
es aud) ben Tieren genug Unbequemlichkeiten bereitet, ©erabegu wunberbar
ift }ebod) bie ©ingangsöffnung gewählt; gewöhnlich ift fie unter Steinen ober
gwifchen gwei gelfen fo angelegt, baß man am Aachgraben oerhinbert ift.
So führen fie ben gangen langen Sommer über ein behagliches unb wohl
bewachtes ©afein, beffen £>auptgenüffe in ben würgigen Kräutern, namentlich
in buftigem genchel, Abelgras, b. b- Alpenwegerich, SteinElee, Schafgarbe unb
ähnlichen WürgEräutern beftehen. Man wirb aus biefer gufammenftellung er-
Eannt haben, warum ber Senne mit fd)elen Augen auf bie „©rasaffen“ blidt,
finb fie ihm bod) KonEurrenten, bie feinen Kühen bas Sieblingsfutter ftreitig
machen.
3m großen gangen finb fie jeboch oollEommen harmlos unb leicht gu bulbenbe
©äfte. Aicfk fie bebeuten für ben 23ergl>irten bie ftete Sorge unb bas große
©reignis bes 3ahres, oon beffen 23eurteilung unb 23efpred)ung bann noch bie