2llpenbeerentraube würben rote Beeren oollfommen unfichtbar fein, Sat-
fächlid) hat biefer ©traud; fd>warge Beeren, unb es ift eine 2lufgabe für Batur-
phiiofophen, gu ergrübeln, wiefo bie Pflange gu biefem auffälligen unb unbegreiflichen
Kunftftücf !am.
©iefelbe Bufgabe wieberholt ¡ich aud; bei R e i b e t - unb P r e i s e l b
e e r e n ; bie letztere hat befanntlid) foralienrote Früchte; hieraus ift gu
fd>ließen, baß ¡ie ihr Saub nicht oerfärbt, ©ie f>eibelbeere locft mit ben prächtig
blau bereiften fd;wargen Beeren unb niemanb fönnte eine wirfungsoollere
Kontraftfarbe bagu erfinnen, als ben unoergleidjlichen P urpur, in bem fie im
Hochgebirge erftrahlt.
©as merfwiirbige hieran ift, baß berfelbe ©trauch im ©ieflanb einfach
mattbraun oerfärbt. Unb bas muß alle ©pefulationen über geheimnisoolle
Sebenserfcheinungen im Keim erfticfen, um fo mehr, als auch bie SBinterfnofpen
ber Beerentrauben ficf> an bem unbefchreiblid>en Bubinrot beteiligen. 21 n t o n
o. K e r n e r hat oollfommen recht, wenn er in ¡einem berühmten „Pflangen-
leben“ oon ber Bärentraube fagt: ,,©ie hdbftlich gefärbten Blätter biefer
Pflange geigen überhaupt bas fchönfte Bot, bas an irgenbeinem Saubwerf
im Herbft beobad;tet wirb, noch fiel feuriger als jenes ber norbamerifanifd)en
Beben unb bes ©ffigbaumes, unb wenn bas Saub biefer Beerentraube auf
einem Berggrat oon ben fdnef einfallenben ©onnenftrahlen burchleuchtet
wirb, fo glaubt ber tiefer unten ftef>enbe Beobachter ©trontianflammen aus bem
Boben güngeln gu ¡ehen.“ Qiicht weniger ¡chön muten bie Herbftfarben ber
friechenben 2Beiben an unb wenn irgenbwo eine blutrote ©berefd)e ¡ich in
biefes roftfarbene Bot, bas helle ©elb bes ©eißblattes unb bas bunfle ©rün
ber Baufchbeeren mifcht, ift burch biefe Berwefungsfarben jebe Blütenpracht
auch bes bunteften Blumenbeetes überboten.
©ie 2Biffenf<haft führt biefen gangen Qarbengauber auf bie befonbere Be-
fdjaffenheit ber Hocbluft gurücf, burch welche bie ©onnenftrahlen intenfioer
wirten unb namentlich bie in ihnen enthaltenen ultraoioletten ©trahlen rnirf-
fam bleiben, ©iefelbe llrfache, weldje bie 2llpenblumen unb Qalter fo fd>ön
färbt, oerfdwnt auch ben 2llpenherbft. ©s ift ein rein äfthetifches Phänomen,
unb angeblich ftecft gar fein tieferer ©inn bahinter. Sroßbem fommt auch
ber auf feine Becfmung bei ber harbftlichen 2llpenwanberung, ber nach ber
©inge oerborgenem SOefen trachtet. ©r muß nur um etwa oier 2öod;en früher
bie Berge auffuchen, wenn bas gtofge 2lbfchiebnehmen angeht unb überall auf
ben 2Hatten unb im SÜalbe bie leichtbefchwingten Qrüdgtdgen }<hweben, benen
bas Sebensgut bes fommenben frühlings anoertraut ift.
©in leifer 2öinb fpielt um bie Halbe unb mit ihm fchweben gahllofe fjall-
fchirme, Haarfcböpfe unb Qiügelfrücf>te alpiner Pflangen, benen fein anberes
Blittel als ber Sfßinb gu ©ebote fteht, um bie für ihr bauernbes ©ebeihen not-
wenbigen Beifen gu unternehmen. Qm flachen Sanb oertrauen fie bie ©amen
ben Bögeln an, ¡ie laffen fie burch Bmeifen oerfchleppen, fie hängen ¡ich als
Kletten an weibenbe Siere, alles Hilfsmittel, bie über 2000 m Höhe »erjagen,
angefichts ber uns fchon befannten p löblichen 2lbnahme ber Sierwelt. 2Benn
auch gerabe bie Hochweiben oon ©d;afen unb Qiegen befucht werben, fo fann
bas boch nicht wefentlich gur Berbreitung ber Hocf>gebirgspflangen beitragen,
ba nur wenig Berge hierbei in Betrad;t fommen unb man außerbem oft bemerft
hat, baß bie Pflangenwelt ¡ich nur ben natürlichen Berhältniffen anpaßt unb gu
ihren 2lnpaffungen meift mehr 3 eit bebarf als unfere 8 eitred;nung bisher
Qahre gählt (23). ©ie Bögel oerbreiten ja einige Qrüd)te, fo namentlich bie
H ä h e r jene ber 21 r o e n , bas S c h n e e h u h n ben K n ö t e r i eh.
©och befchränft ¡ich ihr Sehen, foweit förnerfreffenbe Bögel in Betracht fommen,
eigentlich nur auf bie Söalbregion. ©o bleibt benn nach wie oor ber iöinb ber
wichtigfte ©ämann für bie Hochalpen. Unb es ift ein ¡ehr angiet>enbes ©tubium,
im ©pätfommer bie 2llpenpflangen auf ihre Slinbanpaffungen hin gu betrachten.
2lm einfachften ausgerüftet finb bie Pflangen mit wingigem ©amen.
Solche finb in ben 2llpen namentlich bie ©teinbrech ( S a x i f r a g a - ) 2lrten,
fowie bie Fetthenne (Sedum) , ©taubleichte ©amen befißen auch bie alpinen
© l o d e n b-l u me n , bie P r i m e l n unb bie 211 p e n r o f e. ©urch
wingige ©amen geicfmet ¡ich ferner bie B r ä n b l e i n - O r d j i b e e aus,
oon beren ©amen bis an 100 000 auf ein eingiges ©ramm gehen. Qn biefelbe
©ruppe gehören bie p a r rt a f f i e , bie H «•n g e r b l ü m d> e n , bie
© o l b a n e l l e n , g i n g e r f r ä u t e r unb B a n u n f e i n , bas © i p s -
t r a u t unb bie H o r n f r ä u t e r . Qhre ©amen unb grüchte wiegen im
ungünftigften Qall nur 0,008 g, im günftigften Qall, wie bei ben Ordnbeen nur
ben fiinfhunbertfien Seil eines ©rammes. ©s erfcheint gerabegu unfaßbar,
wie fo bie Sebensfräfte unb Qähigfeiten einer fo anfefmlidjen Pflange, wie ber
211 p e n r o f e auf fo wingigem Baum gefpeichert werben fönneu, baß ber
2llpenrofenfamen nur fünfunbgwangigtaufenbftel ©ramm ¡chwer ift.
Offenbar finb biefe ftaubleicbten ©amen imftanbe, mit jeber leichten Suft-
ftrßmung ¡ich 3U erheben unb einiges Bachbenfen befagt balb, bafj biefe ihrer
Berbreitung oiel günftiger fein muß, als bie gang großen ©türme- ©enn folche
treiben bie übermäßig leichten ©amen bis in bie ©cf>nee- unb Qeljenregiort,
alfo fo hod; hinauf, baß fie bort nicht mehr bie ihnen gufagenben Bebingungen
finben. ©irt fchwacher Suftftrom bagegen felgt ben ©amert einige ©ußenb Bieter
oon ber Btutterpflange, alfo burchaus noch in beren eigentlichem Berbreitungs-
gebiete ab unb begünftigt bamit jene langfam oorrüefenbe aber ununterbrochene
Befiebelung, burch bie fich bie Pflange noch non je ben ©rbball erobert hat.
2ln folchen id;wad;en £uftbewegungen fehlt es nun intereffanterweife im
©ebirge niemals; fie treten fo regelmäßig auf, baß fie ben ©lauben erweefen,
es fei eine birefte 2lnpaffung an fie, wenn gerabe im ©ebirge fo auffällig oiele
Pflangen wingige unb übermäßig leichte ©amen ergeugen. ©er tägliche Sempe-
raturwechfel bringt einen folchen auffteigenben Suftftrom mit fich, ber bie
leichten Pflangenfcüdjte emporreißt, ©aburch befiebelt er bie ¡teilen Hänge
unb nur burch *hn erflärt fich bie einem Beuling in ben Bergen fo überaus oer-
wunberüche Satfad>e, baß felbft an oielen hunbert, ja taufenb Bieter hohen ¡entrechten
Qelswärtben jebes fleinfte ©efimfe, ber wingigfte 2lbfaß unb bas fchmalfte
Banb alle oon einer reichen Pflangenwelt befiebelt finb, genau fo wie unten
auf ber üppigen Blatte. ©iefe ©efimfe unb Bafenbänber finb bem Bergfteiger
überaus wichtig, beruht boch auf ihnen fet>r;i oftmals bie eingige Btöglid)teit