Oft genug fröftelt fie mit ihren Vlüten mitten im ©djnee unb erträgt tapfer
eifige 2iädjte unb nicht weniger rauße Sage. Qn ben Vergeti feibft blüht fie
etwa im 22lärj. ©ie ift aber bort feineswegs bas blaffe, blutlofe ©efd>öpf wie
bei uns, fonbetn bie Vergluft färbt ihre SBangen rot. 921 it hellem gleifd^rot
überjieht fie bie gänge, manchmal in foldjer jJüUe unb Schönheit, baß ber 2ln-
blid oon ferne mit bem ber 2tlpenrofen wetteifern fann. 21ur wirft fie noch oiel
lieblicher burch ben Kontraft ihrer Vlütenherrlidjfeit mit bem Schnee, ber
ju r Seit ißres Vlüfjens nod; alle ©chattenhänge becft. ©ie feibft ¿ieljt mit Vorliebe
an bie ©übfeite unb befiebelt bort mageren unb trodenen Voben,
bem bie anberen Swergfträucher bes ©ebirges ausweidjen. ©ie ergänzt fo beren
fegensreiche SBirfung, oon ber gemeinhin ber Vergwanberer feine richtige Vor-
ftellung hat.
SBofjl merft er bei wadjfenber ©rfafjrung, baß bie Segföljren ein oorjüg-
licßes Vollwerf gegen Sawinenoerwüftung bilben: man fann fogar fühnlidj
behaupten, baß fie hierfür bebeutenb wichtiger finb, benn b i e V a n n w ä l b e r ,
oon benen feit Schillers ©idjtung jebet Schuljunge weiß, baß fie ber Sawinen
halber fo geheiligt finb, „baß auf ben Vergen bort bie Väume bluten, wenn man
einen Streich barauf führte mit ber 2l;rt.“
2Benn aber ©eil ¿u feinem ©ohne fagt:
„ ® i e S8äume finb gebannt, BaS ift Bie QBahrfjeit. ...
Siebft bu Bie firn e n Bort, Bie toeiffen Sjörner,
® i e t)od) Big in Ben ®immei ficfj oerlieren;
® a 3 finB Bie ©letfdjer, bie beä 9iacf)tei fo Bonnern
Qlnb unä Bie Sdjlagiatoinen nieberfenBen,
S o tft’3 unb Bie Salomen hätten längft
® e n S ieden QHtborf unter ihrer Saft
Q3erfcf)üttet, toenn Ber <353alb Bort oben nidfjt
911g eine Sanbioehr fich Bagegen fteltte.“
fo beweift Schiller bamit nur — baß er niemals in ben Sllpen war. ©enn in
2öirflid;feit fenben bie ©letfdjer feine Sawinen ¿u ©al, auch gehen Sawinen
am feltenften bes Tladjts nieber, fonbern in ben Vormittagsftunben unter bem
©influß ber ©onnenwärme, unb fdjließlid) gibt es feinen Söalb, ber eine Sawine
im Saufe aufhalten fönnte.
©ie Vannwälber finb nicht ¿u biefem Swecfe oon ber 2lpt oerfdjont (12),
fonbern um bie S a w i n e n b i l b u n g ¿u oerhinbern unb baju bienen auch
nicht fo fehr bie Väume feibft, fonbern bie STtoospolfter unb oor allen anberen
bie S we r g f t r ä u < h e r , bas ©ididjt ber Sllpenrofen unb geibelbeeren, bie
Segföljren unb geibefräuter, bie fich über bem 20alb auch an fteilem gang
hoch hinauftiehen, um üppigften jeboch bann gebeten, wenn ihnen ber 20alb
oom Vorn feiner Jeudjtigfeit fpenbet. ©ine ¿weite Xlrfadje, warum man in
früherer Seit oiele Vannwälber anlegte, war bie flare ©rfenntnis, baß burch
fie ber Q u e l l e n r e i c h t u m gefiebert wirb unb mancher Sllmer hat ¿u
feinem eigenen Schaben erfahren, wie feine 2Beibe unbenüßbar würbe, als er
bie Sllpenrofen ober Väume ober ihr robete (13).
3tt>ergfträucöer (Oltpenrofen unB Segföhren) int ^ alfgehirge
2166.15 7 QKotio Oom fßlateau Be3 3ahnten ^ a ife r (Sirol)
Original
2Benn eine Sawine einen godjroalb mit Segföfjrenunterho^ ¿u Voben legt,
fdjwemmt fie bie mächtigften Vaumftämme wie Sünbfjö^djen mit fich bie
¿äfjen Satfdjen jeboch bleiben ftehen. Unb barum fieht man regelmäßig bie
Safjngänge im ©ebirge mit Segföhren überwachfen. ©as ift bie wicfjtigfte
Vebeutung ber Vergföhre, bie fo bem 2ilpler mehr ein ©d;ußh°(3> benn ein
Vußholj ift. ©s ift mir. nidjt befannt, baß fie irgenbwo im weiten Sug ber
god>berge inbuftriell oerwertet würbe, außer etwa in ben italienifcfjen ©olo-
miten, wo jebem 2ßanberer, ber oon Öfterreich ¿um 921 i f u r i n a f e e wan-
bert, ber aromatifdje ©uft ber S a t f c h e n ö l b r e n n e r e i entgegenwallt.
©ine anbere Vebeutung für ben gaushalt bes ©ebirges hat bagegen ber
S w e r g w a d j o l b e r : auch er ift ein Vefcjjüßer, aber nicht oor ber 9latur-
fräfte ©ewalt, fonbern für bie jungen Särdjen, Richten unb Slroen, für ¿ahl"
reiche Kräuter, liebliches V e r g i ß m e i n n i d ; t , hp(hitämmigen © i f e n -
h u t unb ben blauen 2 0 a l b f t o r c h f c h n a b e l , ber bie büfteren geefen bes
SOadjolbers auf bas Sieblichfte fehmüeft. ©er Senner fieht in ¡hm allerbings
ebenfo wie in ber 2llpenrofe bas „gemeinfte unb fdjäblidjfte llnfraut“ feines
Vetriebes, gegen bas er mit jjeuer unb gaefe ununterbrochen fämpft. Oft genug
feßabet er fidj hiebei burch Hnoernunft, benn ber 20achoIber fängt wie fein
¿weiter ben ©teinfdjlag au f: er ift ein wahres ©djußneß gegen rollenbe S teine unb
ein spionier ber Vegetation im Schutt, ben man bafjer überall bort (jagen unb
begünftigen follte, wo eine 2llpe an ber Vergfeite oon gelswänben umgeben ift.