III. ®ie QBelt ber Qlipenrofen
Sautes mifetöniges Schreien bringt an unfer Ol>r. 3ud)f)u-u-u-u unb
holbrio tlingt es, ein ungelenter gobler, ausgelaffenes Sachen unb bas oiel-
ftimmige Summen unb Sdjwäfeen einer Sltenfchenmenge, bie fid) auf bem
SSergesgipfel lagert, in ber neuerbings zur SHobe geworbenen betannten ungezwungenen
SDeife, bie einen hauptfpafe barin fiei)t, bie oorf>er bewunberte
„l>ef)re Sllpennatur" nad; ber Staft mit SBierflafchenfcherben unb fonftigen Sln-
benten zu zieren. Sluf weld;em SSergesgipfel finb wir? Seiber fönnten es gut
hunbert fein, auf benen fid> an jebem fd>önen Sonntag fo!d>' „fröiüid; ©reiben"
entwidelt. ©er aber, ben id> mit bem gegenwärtigen meine, ift in 93apern, t>ei^t
b i e 9 3 e n e b i t t e nwa n b unb ift feit einigen Sauren im 93egäffe, SD e n b e l-
ft e i n unb He r z o g ft anb in if>rer grofeen „23eliebtheit" abzulöfen. ©as ift bie
©ntwidlungsfette ber Sllpenberge. 93or zwanzig 3al>ren foll es auf bem fflenbelftein
fo zugegangen fein, wie heute auf ber SSenebittenwanb. ©amals aber
würben bereits auf bem §erzogftanb bie iwtelmäffigen Sd)laff)äufer errichtet
unb ber breite Sleitweg gebahnt, auf bem als ©riumpt) „moberner Sllpiniftit“
im 0af)re 1910 bas erfte Slutomobil hinaufgefahren ift. 3m 3af)re 1912 würbe
bie 93ergbaf>n auf bem SDenbelftein eröffnet, ebenfo wirb jefet bort bas erfte
oielftödige Sjotel nach Schweizer Prinzipien erbaut. Slnno 1920 folgt wofjl ber
Sferzogftanb unb 1930 bie 93enebittenwanb aud> barin nad).
heute aber f)at bie 23enebittenwanb nod> genug oerborgene Schönheiten
unb einfame Oleize, bie man nur zu finben wiffen muß, um ber ltnraft unb ben
allzu lauten greubetunbgebungen feiner 2Kitmenfd)en zu entgehen. SJtan
b ra u e t nur wenige hunbert SIteter an ber faft nie begangenen Sübfeite biefes
23erges hiuabzufteigen, um gegen bie „ijöllgrube“ zu in ein unwegfames ©ebiet
fchweigenber ^elswänbe unb buftenber 23ergföhren zu tommen, in eine wahre
Itrwilbnis, wie fie nicht anbers gewefen fein tann im 93eginn ber Seiten, ba fich
ber bem SHeer entftiegene 23erg zum erftenmal mit jungem ©rün fchmüctte.
£ a t f ch e n nennt ber 93aper biefe 93ergföhre, bie alle feine 93erge ober
ber SDalbgrenze mit einem unoergänglid>en immergrünen ©ürtel fd>mücft unb
oor ber ra ffe n Abtragung bewahrt. 3Kand>mal ift es nur ein fchmales 93anb,
oft genug aber, namentlich wenn bie 93ergesflante fanft anfteigt ober wenn ein
langgezogener Stücten bes Kaltgebirges bie betannten unb beliebten Plateaus
bilbet, erftredt fich bie Satfchenwilbnis oiele Stunben weit, artet in einen wahren
SDalb aus, ity e t , unburd;btinglicher, unwegfamer benn jeber Xlrwalb, ein
Schreden für ben barin 33erirrten, aber ein töftlicher unb fixerer Sufluchtsort für
hunberterlei ©etier unb 23lumen bes S3erges.
©er Slaturuntunbige glaubt nod) in ber Kampfregion zu flehen, fo äimlid;
ift ber 3Ducf>s ber 93ergföhre bem ber lebten SDalbbäume. Sie alle finb, ob
1200 m ohnebies gebrüctt, niebrig, faft ftrauchartig geworben, ©er 23otaniter
weife, bafe bies in erfter hmfid;t ben talten Mächten zuzufchreiben ift. Sille P fla n zen
wachfen meift bes 91ad)ts, ba, wie man annimmt, bas Sicht bem Sängen-
wachstum hinöerlid; ift. ©en armen §ochgebirgsgewächfen jeboch minbert bie
nächtliche Slbtülüung bie Sebensluft unb ba fie tagsüber oon ber Sonne noch
ganz unbers beftrai>lt werben, als bie ©ewäd;fe bes ©ieflanbes, fo bleibt ihnen
Zum SSachfen eigentlid; nur ber fpäte 2tad;mittag unb bie ©ämmerung. ©a-
mit ertlärt man fid> ben zwerghaften SDuchs ber £>ochgebirgsbäume, ber ihnen
übrigens auch ben Vorteil bietet, bafe fie oon ber 93obenwärme mehr Slufeen
haben. Übrigens wirb ihnen ber niebrige SDud;s aud) burd; ben Schnee aufge-
Zwungen. ©egen nichts ift bie Pflanze fo überaus empfinblid), wie gegen bie
trocfnenbe SDirtung bes jjroftwinbes. 93innen einer Stunbe wirb an einem
folchen Sage jeber Pflanzenteil getötet, ber es wagt, oorwifeig über bie fdmfeenbe
weifee ©ecte hinauszufchauen. ©arum ertlärt es ¡ich, warum bie lefeten 93äume
bes SDalbes fo regelmäfeig gefchoren erfcheinen; baburd; ertlärt fid; auch ber
mertwürbige, bid;tgebrängte, polfterförmige SDuchs unb bie faft gleiche fjöhe
ber S e g f ö h r e n unb nicht zulefet ihr wiffenfd;aftlid;er Slame. ©iefer
23aum mufe fich auf ben 23oben legen, er mufe unter biefen Xlmftänben
Strauchform annehmen, er befteht nur oon Sd>neetönigs ©naben unb würbe
jämmerlich ausfrieren, wenn es aud; nur einen Sllpenwinter ohne Schnee
geben tönnte.
©ie jährliche Sdmeelaft, bie auf feinen 3weigen ruht unb bei, wie uns
bereits betannt, burchfd;nittlich 3 bis 4 m Schneehöhe ein überaus fchweres
©ewicht barftellt, hot auch nod; in anberer S3eziehung bie ©eftaltung ber ßwerg-
bäume unb ber 23ergföf)ren beeinflufet. ©er oerworrene, in hunbertfältigen
Krümmungen unb 93erfd;lingungert fo höchft malerifch anmutenbe SDuchs
biefer Pflanzen ift burcf> bie jährliche Sd;neelaft erzwungen. SDie bleiche Sliefen