III. ®aS ©ngabin
5 r i e b r i d) 2t i e h f d) e perftanb es meisterhaft, Orte ausfinbig ju
machen, in benen fich ffrieblichteit mit Seltener ©igenart ber Qiatur paart. 2tud)
auf biefem ©ebiete mar er ein ©ntbeder unb 93orläufer ber QRenfchheit unb
menn es auch (mute, ba bie Qliehfd>e-33egeifterung in einer mertmürbigen unb
oft toie getoollt anmutenben SBeife oerraucht ift, nur mehr toenige geben toirb,
bie feinen ©puren fo folgen toollen, roie man getoeihte ©oethe- ober ©d>iller-
ftätten auffucht, fo toürbe bennod) ein Solcher Qiiehfcheoerehrer gar balb be-
merien, roie gut er beraten mar unb meid) prachtoolle ©egenfä^e ber grofje
QReifter bes ©ofratismus aufjufinben muffte — troijbem er fo menig oon ber
roahren Sebensfunft oerftanb.
3n ber £iteraturgefchid>te taucht manchmal um ihn bas 33eimort: ber
©mfiebler oon ©ils QRaria auf. Unb er oerbient es, in einem tieferen ©inn.
©r hat bas ©ngabin entbedt für bie Kulturmenfchheit, er hat es erlebt, feine große
©tille, bie höchfte Schönheit, bie es ju geben meifj; bas erhabene 21lleinfein
unb greifein ber ©eele hat er ausgefchlürft unter ben Sannen um ben träu-
merifchen ©ee, bie in einigen feiner fdmnften Qlphorismen miebertehren.
Qi i e h f d> e mar im ©ngabin, als man bort noch allein fein tonnte. @r
meüte an ber Kette ber türtisblauen ©een oon ©i l s unb © i l o a sp l a n a ,
oon © t. QR o r i h unb S a m p f t r , mo bie Qllpenrofen in bas tlare QBaffer
hängen, bas in meitem Qiunb bie Kette ber ©letfcher mieberfpiegelt, bie ben
matten grünen 93oben umfäumen; er meilte bort, als noch nid;t bie §otel-
iolonie oon ^ J o n t r e f i n a , QRa l oj a unb © t. 2R o r i ß bie Kontrafte
jtoifchen Qiatur unb Kultur auf ihren ©ipfelpunit trieb, ba auf ben ©tragen nod;
teine Qlutomobile raften, auf ben QBiefenpläßen noch nid;t bie ©elbariftoiratie
Ztoeier Kontinente ihre heimlichen Kurszettel- unb ^eiratsintereffen in bie
QRaste „fairer" ©efellfci>aftsballipiele hüllte. Ql i e ß f cl> e betrat bas „©ben
ber reichen £eute“, als es noch &as „ i p a r a b i e s b e r 23 o t a n i t e r “ mar,
mo unmittelbar am ©traßenranbe oor ben ¡Dörfern bie feltenften Qllpenpflangen
muchfen unb bas © b e l m e i ß auf ben Qöiefen mit ber ©enfe gemäht merben
tonnte. Qöenn noch heute in ben abgefchloffeneren Seitentälern bes ©ngabins
© ä r e n unb fogar noch L ä m m e r g e i e r gefistet merben, menn man noch
heute fagen fann, baß bie 5 l o r a biefes 20 ©tunben langen Sales bie ber
gefamten ©cßmeiz übertrifft, bie größten 21 r o e n - unb £ ä r c f ) e nmä l b e r
ber Qllpen in fich hegt, tann ber Qiaturoerftänbige baraus ermeffen, meid; einzigartiger
Qlaturpart fner burch bas £upusbebürfnis zugänglich gemacht unb
Zerftört mürbe (s).
933enn man fich Olechenfchaft zu geben fudjt, marum oon bem ©ngabin in
allen Seitungen auch außerhalb ber gnferatenrubrit zu lefen ift, „es fei ber
3nbegriff alles herrlichen, mas bie 2tlpen an Schönheiten entrollen“, mirb
man anfangs eine gemiffe 23ermirrung nicht überminben tonnen. ¡Der 2lbel ber
93ergformen ift es ficher nicht, ber biefen QBeltruhm gefchaffen hot, benn es
genügt, einen 93lict auf bie geologifche Karte ber ©chmeiz zu merfen, um zu er-
tennen, baß biefe £anbfcf)aft ein ffenfter in ber ©rbbecfe barftellt, burch melches
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aus einer Kalffteinumgebung bas llrgebirge hetausblicft. 2lus ben ©pezial-
farten ergibt fich iv>ai, baß an ben Qlänbern biefes genfters bie ©d)id)tenfolge
tiefgreifenb geftört unb in fehr fompüzierter QBeife llrgebirge unb Kalt burd>-
einanbergemorfen finb, baß es auch „©ngabiner Dolomiten" gibt. 2Bir
miffen bereits, baß fold>e Orte ftets ein anzießenberes 23ilb gemähten
als bie oon einheitlicher geologifd>er ©truttur, mas mir fa foeben beutlich
in ben Dolomiten oerfolgt haben, mo Kaltriffe in einem Ilrgebitgsrahmen
(cpuftertal) unb oulfanifd;e Decfen für ben bunten SBechfel tanbfchaftlid>er
©Zenerie oerantroortlich finb. Unb nimmt man ben rein zeid;nerifd;en
©tanbpuntt ein, mirb bie «Profilierung ber Dolomitenlanbfdjaft ftets mehr be-
friebigen als bie ihres labinifchen Qlioalen, obgleid; man zugeben muh, bah
23erge mie ber <p i z ® e f <i> ober <p i z S i n a r b , 93ergtetten mie bas © i l -
o r e t t a - © e b i r g e , Säler mie bas 23 a l 23 e o e r s , Spaßausfid)ten mie
bie oon Qlt a l o j a auch in ben Dolomiten größte 23eacf>tung finben mürben.
Das ©ngabin befi^t feine hauptoorzüge jebod> nicht in ben romantifchen
©dmnheitselementen ber £anbfd>aft, fonbern in benen, meld)e ich ^eftunb-
teile eines t l a f f i f c h e n £ a n b f d > a f t s b i l b e s nennen möchte, ©ine
innige Durchbringung ber gelfenmelt mit oiel ©is unb ©cfmee (man bente
nur an bie großen ©chauftüde bes f j e p g l e t f c h e r s ober ber ©isftröme
bes Qi l or t e r a t f ch ober 91 o f e g g) ift beren erfter heroorftechenber ©ha-
ratterzug. 2lls zmeites fpringt in bie 2lugen bie Qluhe unb ber ©rnft ber 23erg-
formen, mie es bem llrgebirge zutommt. 9lein morphologifch gefprochen,